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In der neuen US-Comedy-Serie »Weeds« dreht sich alles ums Kiffen und Dealen. Der Erfolg ist programmiert. von ivo bozic
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Als den Millionen Drehbuchautoren für die Millionen Sitcoms und Comedy-Serien keine Sketche mehr einfielen, die nicht schon in Millionen anderer Serien millionenfach verbraten worden waren, da erfanden sie Dramedy. Man verzichtete fortan auf laugh tracks, die den Zuschauer mit derber Gewalt auf die soeben verpasste Pointe aufmerksam machen, und gönnte den Folgen – Geiz ist geil – jeweils nur noch eine Hand voll Gags. Stattdessen sollten besonders »freche« Dialoge das Unterhaltungsbedürfnis befriedigen. Das Gag-Sparprogramm wurde von »Sex and the City« über »Queer as Folk« bis »Desperate Housewives« stetig verschärft.

Mitte vergangener Woche sendete Pro 7 die neue US-Serie »Weeds – Kleine Deals unter Nachbarn«, die mit nur vier Gags in 30 Minuten auskommen musste. Nun weiß man nicht so recht, ob man darüber erleichtert oder davon gelangweilt sein soll.

Aber auf jeden Fall scheint das Format zu funk­tio­nieren. Obwohl der Rest des neuen Pro-7-Serien­abends am Mittwoch, was die Quote angeht, hochgradig floppte, konnte »Weeds« mit 1, 4 Millionen Zuschauern den totalen Misserfolg des Senders an jenem Abend verhindern. In den USA läuft die Serie über eine Ma­rihuana vertickende, ansonsten aber ganz normale Vorstadt-Mutti mit enormem Erfolg. Die dritte Staf­fel wurde bereits gedreht, die Hauptdarstellerin Mary-Louise Parker bekam für ihre Rolle der Nancy Botwin einen Golden Globe Award verliehen.

Der Erfolg beruht vermutlich zu einem großen Teil auf dem Tabubruch. Der amerikanische Pay-TV-Sender Showtime betreibt seit Jahren konsequent diese Masche. Aus seinem Haus stammen die Pro­duktionen »Queer as Folk« und »The L-Word«. Schwu­le, Lesben, Drogen, man darf gespannt sein, welche ach so gewagte Provokation als nächste drankommt. Obwohl die Masche also offensichtlich ist, lässt sich das aufklärerische Element dieser Serien nicht ver­leugnen. Dass Homosexualität, Kiffen und Dealerei eben nichts außergewöhnlich Exotisches, sondern integrale Bestandteile der Gesellschaft sind, darf ruhig mal gesagt werden. Und immerhin scheint es auch für jede dieser Serien eine recht große Zielgruppe zu geben, die sich vermutlich darüber freut, dass ihre jeweiligen Lebensweisen und Vorlieben auch einmal im Mainstream-Fernsehen zur besten Sendezeit einen Platz finden. Es ist eine Form von gesellschaftlicher Anerkennung.

Aber ist »Weeds« nun eine Serie über Kiffer oder eine für Kiffer? Filme für Kiffer sind gewöhnlich andere: »Star Wars« etwa, »Herr der Ringe« oder »Brazil«. Oder wie bei »Weeds« der pubertäre Kleindealer Josh zur Kleindealer-Mutti Nancy in einem der wenigen Gags sagt: »So einen Absatz hatte ich seit ›Die Passion Christi‹ nicht mehr.« Recherchen und Um­fragen der Jungle World ergaben jedenfalls, dass »Weeds« auch durch begleitende Zuführungen spezieller Art nicht wirklich lustiger wird.

Den eigentlichen Charme der Serie macht denn wohl auch weniger das Drogen-Thema und machen auch nicht die flotten Sprüche über Oralverkehr aus. Die Beschreibung einer bigotten mittelständischen kalifornischen Vorstadtsiedlung und die Darstellung der Kon­flikte zwischen moralisch hoch motivierten Eltern, die der Post-Post-Woodstock-Generation angehören, und den eher orientierungslosen Kindern scheint das eigentlich witzige Element der Serie zu werden. Ein wenig erinnert das Setting somit an den letzten Roman Philippe Djians, »Die Frühreifen« – obwohl, vermutlich ist es eher andersrum.

Natürlich erinnert »Weeds« auch an die Er­folgs­serie »Gilmore Girls«, für welche die »Weeds«-Erfinderin Jenji Kohan ebenso wie für einige Folgen von »Sex and the City« als Drehbuchautorin gearbeitet hat. Damit ist klar: Mit Jenji Kohan als Spiritus rector und einer recht hochklassigen Besetzung, dazu mit einem mit Tabubrüchen spielendem Stoff, vor dem Hintergrund eines alles andere als rein amerikanischen Generationenkonflikts, ist der weltweite Erfolg der Serie gewissermaßen programmiert. Nicht nur in Deutschland wird »Weeds« schnell seine Fans finden.

Im Dezember wurde übrigens im beschaulichen bayerischen Musterstädtchen Weiden eine Hausfrau und dreifache Mutter verhaftet, weil man sie zum wiederholten Mal beim Dope-Verkauf erwischt hatte. In der vergangenen Woche stürmten Polizisten in Karlsruhe die Wohnung einer alten Dame, in der sie 41 Marihuana-Pflanzen beschlagnahmten. Ein Tabubruch ist eben nur interessant, wenn die reale Basis, auf der er stattfindet, auch Relevanz hat. Sprich: »Weeds« kann gar nicht floppen. Herzlichen Glückwunsch, Pro 7.