Heiraten macht illegal

Das österreichische »Fremdenrechtspaket« gehört zu den restriktivsten Asylgesetzgebungen in Europa. Insbesondere binationale Ehepaare sind davon betroffen. von jens kastner, wien

Im Wahlwerbespot, den das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) zur Nationalratswahl 2006 veröffentlichte, schlenderte der Spitzenkandidat Peter Westenthaler über den Wiener Naschmarkt. Inmitten von türkischen und arabischen Köstlichkeiten forderte der Chef des damals noch mitregierenden BZÖ die Ausweisung von 30 Prozent aller in Österreich lebenden Ausländer innerhalb von drei Jahren. Besonders stolz war er auf das so genannte Fremdenrechtspaket, das 2005 von der Regierung der Konservativen Volkspartei (ÖVP) und des BZÖ gemeinsam mit den Stimmen der oppositionellen Sozialdemokraten beschlossen worden war und im vergangenen Jahr in Kraft trat. Seitdem können viele Menschen, die in Österreich leben und keinen österreichischen Pass besitzen, nicht mehr ruhig schlafen. Denn das »Paket« enthält Verschärfungen in der Asylgesetzgebung sowie zwei neue Gesetze: das Fremdenpolizeigesetz (FPG) und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).

Besonders absurde Blüten treibt das NAG. Viele so genannte binationale Paare sahen sich dadurch von einem Tag auf den anderen kriminalisiert. Denn nach ihrer Heirat mit einem Österreicher oder einer Österreicherin hatten viele Asylbewerber ihren Asylantrag zurückgezogen, um eine Niederlassungsbewilligung zu erhalten. Dies war auf Geheiß der Behörden geschehen, denn – anders als in anderen Ländern der Europäischen Union – dürfen in Österreich zwei Anträge nicht gleichzeitig offen sein.

Da das »Fremdenrechtspaket« ohne Übergangsfristen in Kraft trat, sahen sich viele – trotz Ehe – plötzlich ohne legalen Aufenthaltsstatus. Anders als in Deutschland, wo mit Deutschen verheiratete Asylbewerber eine für die Dauer der Ehe befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten, können sie in Österreich nun abgeschoben werden.

Doch damit nicht genug. Die Antragstellung muss seit 2006 vom Herkunftsland aus erfolgen. Für Asylbewerber ist das nicht immer ganz leicht, denn in den meis­ten Fällen haben sie das entsprechende Land schließ­lich nicht grundlos verlassen. Die neue Regelung gilt auch für Menschen, die aus Ländern kommen, für die das österreichische Außenministerium offiziell Reisewarnungen ausgesprochen hat, wie beispielsweise Nigeria. Dass die Antragstellung im Herkunftsland oft lebensgefährlich ist, führt zudem keineswegs zu einer schnellen Anerkennung des Niederlassungsantrages.

Afzaal Deewan wartet seit November 2005 auf die Bewilligung seines Antrags. Im Frühling desselben Jahres hat der aus Pakistan stammende Asylbewerber eine Österreicherin geheiratet und dann zwecks Beantragung der Niederlassungserlaubnis sein Asylbegehren zurückgezogen. Den gleichen Antrag, der seit eineinhalb Jahren unbearbeitet bei österreichischen Beamten liegt, muss er nach dem neuen Gesetz nun von Pakistan aus einreichen. Wenig deutet darauf hin, dass es dann schneller gehen wird.

Der Fall des nun illegalisierten Deewan ging in den vergangenen Wochen durch die österreichische Presse. Denn in Wien ist er ein bekannter Unternehmer. Gemeinsam mit seiner Frau Natalie führt er ein beliebtes Restaurant unweit der Wiener Börse, »Der Wiener Deewan«. Auf der Speisekarte stehen alle möglichen Gerichte verschiedenen regionalen Ursprungs, aber keine Preise. »Pay as you can« heißt das Konzept, das Deewan beim Jungunternehmerwettbewerb 2006, bei dem 1 400 Projekte eingereicht wurden, Platz 30 einbrachte. Erst wurde Deewan vom Wirtschaftsministerium ausgezeichnet, nun droht ihm vom Innenministerium die Abschiebung. Das Geschäft für unbestimmte Zeit ruhen zu lassen, um von Pakistan aus einen Antrag einzureichen, ist für das Ehepaar aus finan­ziellen Gründen unmöglich.

Dasselbe gilt für viele anderen binationale Paare, bei denen einer der beiden Asylbewerber ist oder war. Wenn der entsprechende österreichische Ehepartner kein Mindesteinkommen von gegenwärtig 1 091 Euro im Monat nachweisen kann, hat der ausländische Partner keine Chance auf einen Aufenthaltstitel. Und da auch in Österreich Asylbewerber weder eine Niederlassungs- noch eine Arbeitsbewilligung erhalten, muss das Geld also von dem Österreicher oder der Österreicherin allein aufgebracht werden. Kinder zu haben, zu studieren oder sich sonstige Extravaganzen zu leisten, wird dabei zu einem nahezu unmöglichen Unterfangen.

Bereits im April 2005 hat das Hohe Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) in einer Stellungnahme den österreichischen Gesetzesentwurf kritisiert. Konkret beanstandet das ­UNHCR »die teils mangelhafte Berücksichtigung des Rechts auf Familienleben«. Dieses Recht ist in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantiert. Aber im katholischen Österreich ist die Ehe letztlich nur für heterosexuelle Österreicher heilig. Dass die Ehe der einen von der Verfassung geschützt und staatlich subventioniert wird, während die der anderen nicht einmal vor Abschiebung geschützt wird, ist nicht nur absurd. Es ist rassistisch.

Im Innenministerium sieht man das allerdings anders. In einem Schreiben vom 9. März, das der Jungle World vorliegt, werden alle Ämter der Landesregierungen angewiesen, im Inland gestellte Anträge auf Niederlassung abzulehnen. Unterzeichnet hat den Brief der Leiter der Abteilung III/4 vom Bundesministerium für Inneres, Johann Bezdenka. Eine »Abwägung zu Lasten oder wider die familiären Interessen«, heißt es darin, sei »angesichts der hohen Gewichtung der öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen auch im Hinblick auf Art. 8 der EMRK unbedenklich«. Erst macht man mit Österreichern verheiratete Asylbewerber also illegal, dann erklärt man sie, wie in dem Schreiben formuliert, zu einer »Gefährdung der öffentlichen Ordnung«.

Auf ihrer Homepage bezeichnet die grüne Wiener Gemeinderätin Alev Korun das »Fremdenrechtspaket« als unsozial und menschenverachtend und weist darauf hin, dass es auch von der SPÖ »gelobt und gutgeheißen« worden sei. Seit Anfang des Jahres führen die So­zial­demo­kra­ten die Große Koalition mit der ÖVP. Gerade die Asylgesetzgebung zeigt, dass der von vielen erhoffte Kurswechsel nach sieben Jahren rechtskonservativer Politik ausgeblieben ist. Deshalb protestieren vor allem Nichtregierungsorganisationen wie Asyl in Not, SOS Mitmensch und die Initiative Ehe ohne Grenzen gegen die Gesetzgebung. Seit einem Jahr demonstrieren Aktivisten jeden Mittwoch vor dem Innenministerium. In der Gruppe haben sich vornehmlich Leute zusammengeschlossen, die, wie Natalie Deewan, von der Gesetzgebung direkt betroffen sind. Gemeinsam mit anderen Gruppen aus dem Kunst- und Kulturbereich haben sie auch vor dem Abschiebegefängnis und in der Fußgängerzone auf ihre Lage aufmerksam gemacht.