Ganz die Maggie

Der britische Premierminister Blair hat nach langem Zögern den Termin seines Rücktritts bekannt gegeben. Der farblose Finanzminister Brown gilt als sein Nachfolger. von fabian frenzel, leeds

Sich öffentlich zu beschweren, gilt in Großbritannien nicht unbedingt als höflich. Ausgenommen ist da allerdings die Politikerschelte. Insbesondere Tony Blair hat viel Häme und Kritik einstecken müssen in seinen zehn Jahren als Premierminister. Als er vorige Woche das Datum seines Rücktritts in seinem Wahlkreis im nordenglischen Sedgefield verkündete, gab er sich kleinlaut und bescheiden. »Ich habe getan, was ich für richtig hielt«, bemerkte er in Hinblick auf sein wohl kontroversestes Handeln während seiner Regierungszeit, die militärische Intervention in Irak, und sagte dann an die britische Öffentlichkeit gerichtet: »Vielleicht lag ich falsch. Das müssen Sie entscheiden.«

In ihren Rückblicken folgen viele britische Kommentatoren dem nahe liegenden Muster, Blairs politische Errungenschaften, worunter ökonomische Stabilität, Vollbeschäftigung und Frieden in Nord­irland am häufigsten genannt werden, mit dem Irak-Krieg zu kontrastieren. Dem Tenor nach allerdings wird Blair bereits jetzt vor allem als »herausragender« britischer Politiker beschrieben und in seiner Bedeutung oft mit Margaret Thatcher verglichen.

In den Retrospektiven findet auch schon der Ausblick auf das statt, was nun folgt. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Gordon Brown, der bisherige Finanzminister, neuer Vorsitzender der Labour Party und damit Premierminister. Brown gilt als wenig charismatischer, aber solide arbeitender und versierter Politiker.

Seine Priorität wird es zunächst sein, aus dem Schatten Blairs zu treten. Beide Männer schufen Mitte der neunziger Jahre »New Labour«. Sie gestalteten die alte Partei der Arbeiterklasse in eine für die Mittelschichten wählbare Partei um, die mehr und mehr den Konservativen ähnelte. Die Zusammenarbeit der beiden Politiker basierte nie auf Freundschaft, sondern auf einem strategischen Pakt, der die gegenseitige Abhängigkeit untermauerte. Dieser besagte, dass Blair nach einer bestimmten Zeit den Posten des Premierministers an Brown weitergeben würde. Brown akzeptierte dafür Blairs Führungsposition.

Als erfolgreicher Premierminister allerdings zögerte Blair den Augenblick der Machtübergabe immer weiter hinaus. Bei den Unterhauswahlen im Jahr 2005 kandidierte er »für eine volle dritte Amts­zeit«. Als er für Labour den dritten Wahlsieg in Folge erstritten hatte, wollte Blair von einem Pakt mit Brown nichts mehr wissen. Erst ein Putsch von Hinterbänklern angesichts von schlechten Umfragewerten zwang ihn schließlich im Sommer vergangenen Jahres, seinen Rücktritt einzuleiten. Das Verhältnis zu Brown, der den Putsch inszeniert haben soll, war zerrüttet.

Inzwischen ist der Konflikt beigelegt. Blair hat im Anschluss an seine Rücktrittserklä­rung seine Unterstützung für Browns Kan­didatur geäußert. Diverse Vertraute von Blair im Kabinett hatten zu dem Zeitpunkt bereits auf eine Kandidatur verzichtet. Brown muss sich in den nächsten Wochen einer Mitgliederabstimmung in der Labour Party stellen.

Er wird sich als Premierminister voraussichtlich von der geschwächten Bush-Administration distanzieren und einen Rückzug der britischen Truppen aus dem Irak einleiten, um noch vor den nächsten Wahlen das unpopuläre Thema vom Tisch zu haben. Innenpolitisch kündigte der Schotte eine Ausweitung der Rechte des Parlaments an, dem er insbesondere in der Frage von Krieg und Frieden unmittelbare Entscheidungsbefugnis geben will. Das Projekt eines sozialen »Service-Staats«, das er als Finanzminister begonnen hat, will er nun verfolgen.

Leidenschaftslos und desinteressiert erscheint Brown dagegen im Hinblick auf die Entwicklungen in der EU. Vertreter der EU wie auch der europäischen Nachbarn müssen jedenfalls Englisch mit ihm sprechen. Der künftige Premierminister beherrscht keine andere EU-Amtssprache.