Links blinken

Mit ihrer Kampagne gegen den G 8-Gipfel will die rechtsextreme Szene auch in das Spektrum der linken Globalisierungsgegner hineinwirken. von jan langehein

Die Neonazi-Szene freut sich auf den G 8-Gipfel. Seit Monaten arbeitet sie mit bundes- und landesweiten Treffen auf die Kon­ferenz in Heiligendamm hin und trommelt ihre Anhänger zu Demonstrationen gegen die G8 zusammen. Beim »zweiten bundesweiten Aktionstag« am Samstag wartete die NPD in verschiedenen Städten mit Infoständen auf, etwa in Halle an der Saale, Frankfurt an der Oder und in Bocholt und verteilte eine Aktionszeitung mit dem Motto: »Jetzt reicht’s – Zukunft statt Globalisierung!«

Den Rahmen der rechtsextremen Mobilisierung bildet die Kampagne »Gib8 – Sozial statt global«, die vor dem Gipfel für die nazistische Variante der Globalisierungskritik wirbt. Ihren Höhepunkt soll sie in einer Demonstration am 2. Juni in Schwerin finden, zu der die Organisatoren mehrere tausend Neonazis erwarten, und zwar unter dem Motto: »Es gibt keine gerechte Globalisierung.«

Unter dem Dach von »Gib8« sammelt sich die gesamte rechtsextreme Szene: Einzelpersonen wie der Liedermacher Frank Rennicke, obskure Neonazi­skin-Vereine wie die »Snevern Jungs« aus Nieder­sachsen und »freie Kameradschaften« aus ganz Deutschland. Getragen wird »Gib8« von der NPD, die alles aufbietet, was der Parteiapparat hergibt: Die Jungen Nationaldemokraten, das Parteiorgan Deutsche Stimme und sämtliche Parteigliederungen vom Bundesvorstand bis hinab zu den Kreisverbänden beteiligen sich.

An der Intensität der Kampagne lässt sich die Bedeutung ablesen, die die NPD und die »freien Kameradschaften« den Protesten gegen den Gipfel beimessen. Die Neonazis hoffen, den Medienrummel um den Gipfel und die weit verbreiteten Vorbehalte gegenüber der Globalisierung nutzen zu können, um mit ihrer Ideologie auch Menschen zu erreichen, die mit rechtsextremen Meinungen sonst wenig zu tun haben. Diese Hoffnung mag nicht ganz unbegründet sein, denn bei keinem anderen Thema sind die Schnittmengen zwischen dem Programm der NPD und der öffentlichen Meinung so groß wie bei Neo­liberalismus, Globalisierung und Weltwirtschaft. Beim Ziel, ein Deutschland ohne Migranten zu schaffen, muss die NPD gegen die Medien und die etablierte Politik agitieren; bei der Propaganda gegen transnationale Konzerne, das Finanzkapital und »Heuschrecken« kann sie übliche Meinungen aufgreifen und muss sie nur noch ein wenig radikalisieren, um sie zu ihren eigenen zu machen.

Die Voraussetzung für einen Erfolg dieser Strategie ist eine möglichst umfassende Mobilisierung der eigenen Szene. So schwört Udo Voigt, der Vorsitzende der NPD, seine Partei mit Formulierungen auf ihre Aktionen ein, die das Pathos von Zeitenwende und Schicksal verbreiten sollen: »Die Welt soll wissen, dass der Kampf gegen die Globalisierung ein Kampf der Völker ist. Und dieser Kampf, darauf wartet ganz Europa, muss von Deutschland ausgehen.«

So wenig er vermutlich selbst daran glaubt, dass ganz Europa sich auf eine Neonazi-Demo in Norddeutschland freut, so sehr steht hinter seiner Aussage doch eine Weltanschauung, die zu einem ideologischen Fundament der NPD geworden ist. Die Führungskader der Partei basteln aus der unterstellten Frontstellung »Völker gegen Globalisierer« ein Modell, das vom Hunger in der Dritten Welt bis zur Krise der deutschen Rentenversicherung alles erklären soll.

Dieses besteht aus den altbekannten Versatzstücken völkischer und antisemitischer Ideologie. Es beinhaltet die Tren­nung in raffendes und schaffendes Kapital, den Glauben an eine naturgemäße Lebensweise von Völkern und Kulturen, die von der Globalisierung zerstört werde, oder die Vorstellung einer jüdisch-zionistischen Verschwörung, die von Israel und der Wall Street aus die Zerstörung vorantreibe.

Neu an der völkischen Antiglobalisierungspropaganda der NPD ist allerdings die Art und Weise, in der die Partei sie einsetzt. Sie hat die alten Nazidogmen gewissermaßen flexibilisiert. Je nach Adressat stellt sie die Versatzstücke zu passenden Argumentationen zusammen: für Neonazis zur flammenden Rede für die völkische Revo­lution, für rechtskonservative Diskussionszirkel zur nationalen Besinnlichkeitsprosa und für die Mas­se der Globalisierungskritiker zur Anklage sozialer Ungerechtigkeit, die ihre nazistische Ausrich­tung hinter pseudomarxistischen Vokabeln versteckt.

In dem Text »Frei, sozial und national – Über die Wiederkehr des Sozialismus«, der auf der »Gib8«-Seite veröffentlicht ist und in dem die Autorin sich beispielsweise positiv auf die Entwicklungen in Lateinamerika bezieht und von einer »nationalen Internationale« träumt, heißt es: »Die Vorbehalte sind groß, doch auf die Dauer müssen Wähler verstehen, dass der neue Sozialismus genau das bedeutet, was redliche Marxisten sich von der Zukunft versprochen hatten: ein gegenüber dem Kapitalismus ›anderes Leben‹ mit anderen Zielen und Werten.«

Mit solchen Argumentationen will die NPD die Globalisierungskritiker dort abholen, wo sie stehen. Sie ähneln auf den ersten Blick den Formulierungen von Attac, etwa wenn Voigt schreibt: »Die Globalisierung ist das Werk von Menschen und kein Naturgesetz.«

Auch die Wirtschaftspolitik scheint kompatibel mit einigen Vorstellungen linker Globalisierungsgegner: Ein starker Staat solle den »Globalkapitalismus« bändigen, der Mittelstand solle gegenüber den Konzernen gestärkt werden, das »Subsidiaritätsprinzip« solle Vorrang haben vor dem Welthandel. Gleichzeitig wirft die NPD den linken Globalisierungskritikern vor, nicht konsequent zu sein und das System zu stützen, das die Globalisierung verursache. Kommt zu uns, lautet die Botschaft der »Gib8«-Kampagne, die Völker sind das wahre Bollwerk gegen die Globalisierung, die Linke ist nur ihr Handlanger.

Die NPD spekuliert darauf, dass eine globalisierungskritische Bewegung, die keinen konsistenten Begriff dessen hat, was sie kritisiert, auch potenziell bereit dazu ist, die Feindbilder der NPD zu übernehmen. Trotzdem aber dürfte die Partei mit ihrem Annäherungsversuch scheitern. Die Antiglobalisierungsbewegung in Deutschland definiert sich als »links« und »emanzipatorisch«, ein offenes Bekenntnis zum Nationalismus ist deshalb ausgeschlossen, selbst wenn die Inhalte oftmals durch und durch nationalistisch sind.

Dieser Befund bedeutet aber nicht, dass die »Gib8«-Kampagne ein Misserfolg werden muss: Sie zeigt in jedem Fall, dass die NPD punktuell ihr grundlegendes Ziel erreichen kann, die zersplitterte Neonazi-Szene unter ihrer Führung zu vereinigen.