Teil einer echten Bewegung sein

Linke und rechte Globalisierungskritik von alex feuerherdt

Es ist wie immer, wenn sich die Linke mit der »sozialen Frage« beschäftigt: Die Nazis sind auch schon da. Ob es um Hartz IV, die Globalisierung oder das Treffen der G 8 geht, die lästigen Kameraden wollen nicht schweigen, sondern rufen ihrerseits zu Protesten auf. Das wiederum hat regelmäßig wortreiche Distanzierungen von Linken zur Folge. Allein: Sie bleiben saft-, kraft- und hilflos.

»Globalisierung ist kein unabänderliches Schicksal, sondern von Menschenhand gemacht«, verlautbarte kürzlich die NPD nach ihrem »zweiten bundesweiten Aktionstags gegen den Gipfel der Globalisierer«. Die Partei wolle deshalb »diese tätige Menschenhand führen«, damit diese »zupackt, wo das Leben von Börsenwerten, Dividenden, Standorten, Konsumenten und Produzenten zu er­sticken« droht. »Wir wollen aus dem Schlamm der Nützlichkeit und Verwertbarkeit den Menschen mit seinen Bedürfnissen wieder frei­legen.«

Obwohl dies nicht anders klingt als die Mitteilungen vieler linker Aktivisten, regt sich bei ihnen Widerspruch. »Auf den ersten Blick kritisiert die extreme Rechte Globalisierung als einen Prozess, der Arbeitslosigkeit und Sozialabbau hervorbringt und die Umwelt zerstört«, heißt es etwa in einer gemeinsamen Erklärung zahlreicher linker Gruppen, die zu Protesten gegen den G8-Gipfel aufrufen. »Gleichzeitig verstehen die Nazis Globalisierung jedoch auch als bewusst gesteuerten Prozess zur Entmachtung von Staaten, zur Zerstörung von Sprache und Kultur, als Bedrohung ›gewachsener Völker‹ zum Zweck der Profitmaximierung einiger weniger Kapitalisten.«

Als ob das bei linken No Globals großartig anders wäre. Bei der Attac-Sommerakademie 2006 etwa sorgte man sich um die »kulturelle Identität indigener Gemeinschaften«, deren »eigenständige Wirtschafts- und Lebensformen« durch die globalisierte Marktwirtschaft, aber auch durch die »im Zuge der Entwicklungshilfe vermittelte gesellschaftliche Modernisierung« bedroht seien.

Im Aufruf zur »internationalen Großdemonstration« am 2. Juni in Rostock heißt es: »Die Politik der G 8 steht für eine neoliberale Globalisierung und Deregulierung, die Wirtschaftspolitik an den Rendite-Interessen internationaler Finanzanleger und Konzerne ausrichtet.« Diesen implizit geäußerten Sorgen um die nationalen Interessen würde wohl auch die NPD nicht widersprechen.

Solche Übereinstimmungen sind kein Zufall, sondern Ausdruck eines Verständnisses von Globalisierung, das den Kapitalismus nicht als gesellschaftliches Herrschaftsverhältnis begreift, dessen politische Form der Staat ist, sondern als böswilliges Unternehmen von hinterhältigen Finsterlingen, die sich in abgeschotteten Räumen treffen, um dem Planeten den Garaus zu machen. Weil sie die subjekt- und bewusstlos ablaufenden Prozesse des Kapitalismus nicht verstehen und von der Kritik der politischen Ökonomie nichts wissen wollen, begibt sich das Gros der Linken auf die Suche nach denjenigen, die für all das Elend dieser Welt verantwortlich sein sollen. Ein solcher Antikapitalismus aber ist reaktionär und barbarisch, weil es ihm nicht um die Gewährleistung individueller Freiheiten geht, sondern um den Erhalt von Zwangskollektiven.

Doch solche Erkenntnisse sind in der Linken marginal. Einige wenige Gruppen mögen derlei Vereinfachungen ablehnen, sich gegen Antisemitismus und Antiamerikanismus verwahren und hellsichtigere Analysen zu bieten haben als die meisten No Globals. Aber diese Einsichten sind nichts wert, wenn sie die Mehr­heit der Anti-G 8-Aktivisten von jeder Kritik verschonen, anstatt sie als Teil des Problems zu behandeln. Die Sehnsucht, Teil einer echten Massenbewegung zu sein, scheint im Zweifelsfall doch stärker als das Bedürfnis nach Kritik.