Hingegangen, mitgefangen

Die Polizei hat vier Männer verhaftet, die Mitglieder der »Militanten Gruppe« sein sollen. Ihre Anwälte halten die Ermittlungen nach Paragraf 129a für abwegig. von martin kröger

Ende Mai tauchte eine Erklärung der »Militanten Gruppe« (MG) auf. Das ist an sich nichts Besonderes, hat die MG in den vergangenen Jahren doch regelmäßig Briefe an einige Redak­tionen verschickt, um darin ihre Ansichten zu gesellschaftspolitischen Entwicklungen darzu­legen oder sich zu einem ihrer knapp zwei Dutzend Brandanschläge zu bekennen.

In jenem Papier ging es um die möglichen Folgen der Großrazzia gegen linke Wohngemeinschaften, Projekte und Buchläden in mehreren Bundesländern einen knappen Monat vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm. An einer Stelle hieß es: »Zu fragen bleibt: Kommt da noch was nach, oder war’s das für die nächsten Jahre?« Wer auch immer die Erklärung geschrieben hat – eine gewisse Vorahnung scheint da gewesen zu sein. Denn, wie der Focus erfahren haben will, soll bei jener Aktion, der kein Haftbefehl folgte, Material sichergestellt worden sein, das angeblich zu den Verhaftungen in der vergangenen Woche führte.

Bisher hält sich die Bundesanwaltschaft (BAW), die die Ermittlungen auf Grundlage des Paragrafen 129a des Strafgesetzbuchs wegen »Bildung einer terroristischen Vereinigung« führt, jedoch sehr bedeckt. In einer äußerst knappen Stellungnahme wurde lediglich erklärt, dass vier Haftbefehle beim Bundesgerichtshof be­antragt worden seien. Den vier Personen wird vorgeworfen, »mutmaßliche Mitglieder der ›­Militanten Gruppe‹« zu sein. Drei der vier Männer, die allesamt in Berlin gemeldet sind, beschul­digt die BAW außerdem, »in den frühen Morgenstunden des 31. Juli versucht zu haben, drei Lastkraftwagen der Bundeswehr in Brand zu setzen«.

Bei diesem Anschlagsversuch in einer Werkstatt der Firma MAN in Brandenburg an der Havel sollen observierende Polizisten die Beschuldigten auf frischer Tat ertappt haben. Rechtlich relevant ist, woraus die BAW die Handschrift der »Militanten Gruppe« erkannt haben will: »Der versuchte Brandanschlag vom 31. Juli weist hinsichtlich des Anschlagsziels, der Tatzeit und der konkreten Tatausführung eine Vielzahl von Parallelen zu Anschlägen der terroristischen Vereinigung ›Militante Gruppe (MG)‹ in der Vergangenheit auf«, schreibt die oberste Anklagebehörde.

Die Festnahme der vierten Person wird äußerst vage begründet: mit »umfassenden konspirativen Kontakten und Treffen« mit einem der mutmaßlichen Brandstifter. Hinweise darauf fand man angeblich in der Wohnung der Person. Drei weitere Durchsuchungen in Berlin blieben ergebnislos.

Die Verteidiger fordern, alle Beschuldigten frei zu lassen. »Die aktuellen Verfahren, ins­besondere die Begründung der Haftbefehle be­legen einmal mehr, wie die Strafverfolgungs­behörden in Deutschland die Terrorismus-Aus­nahme­gesetzgebung gegen bestimmte Straftatverdächtige und Bevölkerungsteile einsetzen«, kritisieren die Anwälte, die Mitglieder des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins sind.

Gegen die drei in Brandenburg Festgenommen könne in einem rechtsstaatlichen Verfahren allenfalls der Tatvorwurf der versuchten Brandstiftung erhoben werden. Der Terrorismusvorwurf sei in Frage zu stellen, da er voraussetze, dass die Straftat dazu bestimmt sei, »durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkung einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich zu schädigen«.

In besonderem Maße monieren die Anwälte die Festnahme des vierten Beschuldigten wegen seiner angeblich konspirativen Kontakte. Schließlich wüssten die Behörden gar nicht, was bei den Treffen besprochen worden sei. Trotzdem sei der Schluss gezogen worden, beide Männer seien als Mitglieder in dieselbe Vereinigung eingebunden. Auch dass ein Zusammenhang zwischen der wissenschaftlichen Tätigkeit und den intellektuellen Fähigkeiten des Verdächtigten und den Bekennerschreiben der MG hergestellt wurde, sei an Absurdität kaum zu überbieten.