Hängen im Namen Gottes

Das iranische Regime hat die Repression weiter verschärft. Proteste dagegen regen sich hierzulande nur sehr verhalten. von udo wolter

»Die Durchsetzung des Gesetzes bedeutet eine Erhöhung der Sicherheit« stand Anfang Juli auf einem hoch gespannten Transparent in der Stadt Maschad zu lesen. Darunter baumelten fünf Erhängte am Galgen, umringt von einer »Allahu akbar« rufenden Menge Schaulustiger.

Ähnliche Szenen spielten sich in den vergangenen Wochen in zahlreichen Städten des Iran ab. In Teheran wurden bei den ersten öffentlich vollzogenen Hinrichtungen seit Jahren zwei angebliche Mörder an Baukränen aufgehängt, eine besonders grausame, weil langwierige Art der Hinrichtung. Auch eine Steinigung wurde Anfang Juli im Norden des Landes vollstreckt. Weitere Exekutionen sind trotz mittlerweile laut gewordener internationaler Proteste angesetzt. Nach Angaben von Amnesty international wurden in diesem Jahr bereits 154 Menschen hingerichtet. Im vergangenen Jahr waren es 177, womit der Iran gleich nach China der Staat mit den meisten vollstreckten Todesurteilen ist.

»Jedes unabhängige Land geht gegen Kriminelle in Übereinstimmung mit seinen eigenen Gesetzen vor, und jede Einmischung aus dem Ausland ist de facto eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des betreffenden Staates«, wies der Außenamtssprecher Mohammad Ali Hosseini moderat vorgetragene EU-Proteste gegen die zahlreichen Hinrichtungen zurück. Dass es sich bei den Exekutierten, wie behauptet, vor allem um Mörder, Vergewaltiger, Drogenhändler und andere Kriminelle handelt, ist zu bezweifeln.

Diversen Berichten zufolge befinden sich unter den Exekutierten viele Menschen, die bei den Kampagnen der »Sittenwächter« des Regimes verhaftet wurden. Neben »schlecht verschleierten« Frauen trafen diese »zu westlich« gekleidete oder frisierte Männer und Homosexuelle. Der in Teheran lebende Journalist Martin Ebbing bestätigte vorige Woche in einem Interview des Deutschlandradios, unter den Hingerichteten befänden sich viele, die »als soziale Missetäter oder Schädlinge gebrandmarkt werden« und »am Rande mitverhaftet wurden«. In selbst nach der Sharia fragwürdigen Prozessen seien viele verurteilt und anschließend hingerichtet worden. Die Gefängnisse sind wegen der laufenden Verhaftungen derart überfüllt, dass kürzlich der Leiter der nationalen Gefängnisdienste, Ali-Akbar Yassaqi, ein »Moratorium« forderte.

Von der Repression sind Studenten, Gewerkschafter, Frauenrechtlerinnen, Journalisten, Blogger und selbst oppositionelle Mullahs betroffen. Auch Minderheiten wie die Bahai und die Kurden werden verstärkt verfolgt. Allein seit April sind 30 Zeitungen verboten worden. Zuletzt traf es die Zeitung Sharq, die ein Interview mit der in Kanada lebenden Dichterin Saghi Ghahreman veröffentlicht hatte. Diese sei »ein konterrevolutionäres Individuum und eine lesbische Aktivistin«, lautete die Begründung. Parlamentspräsident Adel Haddad warf gleich noch allen reformorientierten Kräften öffentliche »Förderung von Homosexualität« vor.

Die enge Verzahnung von politischer und sozialer Repression manifestiert sich auch in der Person Said Mortasawis. Er ist ein Protegé des religiösen Führers Ali Khamenei, der ebenso für die derzeitigen Hinrichtungen steht, wie er als Chefankläger in politischen Prozessen berüchtigt ist. Die Repressionskampagne soll abschrecken. Denn die trotz der Rekordeinkünfte aus dem Ölgeschäft miserable soziale und wirtschaftliche Lage des Großteils der Bevölkerung hat den Unmut verstärkt.

Ungeachtet des brutalen Vorgehens des Regimes war es in den vergangenen Monaten zu Dutzenden von Streiks und Demonstrationen gekommen, auf die mit Massenentlassungen von Gewerkschaftern und Verhaftungen reagiert wurde. Auch der gerade erst vor einem Jahr aus der Haft entlassene Vorsitzende der Teheraner Busfahrergewerkschaft, Mansour Ossanlou (Jungle World 6/06), wurde im Juli von Unbekannten »entführt« und befindet sich nun erneut im berüchtigten Evin-Gefängnis.

Für die schlechte Situation der meisten iranischen Beschäftigten und die wachsende Armut wird nicht zuletzt die Wirtschaftspolitik Präsident Mahmoud Ahmadinejads verantwortlich gemacht. Die Gewinne aus dem Ölgeschäft werden nicht in Entwicklungsprojekte investiert. Der Präsident versucht vielmehr, vor allem mittels gezielter Spendenpolitik zugunsten von Revolutionsgarden, Bassiji-Milizen und anderen repressiven Kräften, seine Hausmacht zu festigen.

Amir Taheri, Exiliraner und Publizist, bezeichnet die Repressionskampagne als die schlimmste seit 1984, als auf Befehl Khomeinis Tausende Regimegegner umgebracht wurden. So gesehen ist die derzeitige Unterdrückung nur die Erfüllung eines Wahlversprechens Ahmadinejads, des Versprechens der »Rückkehr zu den ursprünglichen Werten der islamischen Revolution«.

Seitens der Bundesregierung ist wenig Protest gegen die Repression zu vernehmen. Als kürzlich der Unterstaatssekretär im US-Finanzministerium, Stuart Levey, bei Gesprächen mit Regierungsvertretern in Berlin forderte, das Engagement zu reduzieren und Hermes-Bürgschaften für Geschäfte mit dem Iran zu streichen, wurde dies mit dem Argument zurückgewiesen, an den Iran-Exporten im Wert von jährlich vier Milliarden Euro hingen Tausende deutscher Jobs. Dass die US-Regierung auch Einfluss auf deutsche Banken nimmt, um so zu erreichen, dass diese ihre Geschäfte mit dem Iran reduzieren, empfinden die Banken dem Spiegel zufolge als »regelrechte Erpressung«.

Zwar äußerte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth zaghafte Kritik am iranischen Regime, und immerhin beteiligten sich einige Gewerkschafter und die Linkspartei in Frankfurt/Main an einem internationalen Protesttag für verfolgte Gewerkschafter. Doch sonst herrscht auf der Linken Schweigen, wird doch der Iran als Opfer einer »imperialistischen Aggression« wahrgenommen.