Schluss mit Schlumpf

Der Profiboxer Arthur Abraham hat sich alles, was er erreicht hat, hart erkämpfen müssen. Jetzt ist er Weltmeister im Mittelgewicht. von martin krauss

Er habe nicht berühmt werden wollen, sagt Arthur Abraham, »ich wollte Weltmeister werden«. Ein bisschen berühmt wurde er, als er im vergangenen September in Wetzlar seinen Titel gegen Edison Miranda aus Kolumbien verteidigte und ab der vierten Runde mit einem gebrochenen Kiefer boxte. Stark blutend verteidigte er seinen Titel.

Am kommenden Samstag, dem 18. August, verteidigt Abraham seinen Titel erneut. Diesmal gegen Khoren Gevor, der wie er aus Armenien stammt. Doch die Berühmtheit ist nicht so groß, dass er beim Interview, das im Restaurant einer Hamburger Warenhausfiliale geführt wurde, oft erkannt würde. Ein armenischer Wachmann will zwischendurch ein Foto mit ihm, zwei weitere Landsleute bitten um ein Autogramm.

Arthur Abraham wurde 1980 als Avetik Abrahamyan in der armenischen Hauptstadt Eriwan geboren. Seit Mitte vorigen Jahres hat er die deutsche Staatsbürgerschaft, aber weil so etwas nicht reicht, um als Deutscher akzeptiert zu werden, hat er seinen Namen eingedeutscht. »Das ist doch nur ein Künstlername«, sagt er. »Für mich zum Beispiel ist es schwer, französische oder afrikanische Namen auszusprechen. Das ist auch für die meisten Deutschen schwer. Also trage ich für meine Kämpfe einen deutsch klingenden Namen.«

Der Mittelgewichtler boxt für den in Berlin ansässigen Sauerlandstall, und er boxt, auch wenn er Weltmeister des anerkannten Verbandes IBF ist, überwiegend für deutsches Publikum. »Der Name Arthur Abraham ist besser für das deutsche Publikum«, sagt er noch, »und auch besser für mein Image.«

Das Image eines Boxers ist immer so eine Sache. Aus Henry Maske hat sein Management den »Gentleman« gemacht. Zu Beginn seiner Karriere sollte er eigentlich der »Tiger« werden, aber dagegen wehrte er sich. Der ehemalige Oberleutnant der Nationalen Volksarmee wäre kein glaubwürdiger Tiger geworden.

»Tiger« wurde dann Maskes großer Konkurrent im Halbschwergewicht, gegen den zu boxen er sich immer weigerte. Dariusz Michal­czewski, gebürtiger Pole, auch er mit deutscher Staatsangehörigkeit, wurde von seinem Manage­­ment dazu gebracht, bei Fototerminen die Zähne zu fletschen wie ein Tiger. Michal­czewski war unzufrieden mit dem dämlichen Tiger-Image, aber er akzeptierte es. »Wenn Dariusz traurig ist, muss er nur seine Kontoauszüge lesen«, antwortete Michalczewskis Promoter Klaus-Peter Kohl auf Kritik. Was auf den Kontoauszügen stand, überzeugte Michalczewski, immer wieder die Zähne zu fletschen.

Arthur Abraham ist dem deutschen Publikum als »Schlumpfboxer« bekannt. In seinen ersten Kämpfen zog er zu »Sagt mal, wo kommt ihr denn her?/Aus Schlumpfhausen, bitte sehr« (ein großer Hit aus dem Jahr 1978), gesungen vom originalen Vader Abraham, in den Saal, trug eine Schlumpfmütze und musste kurz vor dem Kampf dem über die Jahre noch debiler gewordenen Vader Abraham noch die Hand drücken. »Ganz ehrlich«, beginnt Arthur Abraham vorsichtig seine Antwort auf die Frage, ob ihn das nicht gestört habe, »am Anfang war ich damit nicht glücklich, als ich mit dem Hut in den Ring kam. Aber mit der Zeit habe ich verstanden, dass mich das populär gemacht hat.«

Abraham ist ein intelligenter Boxer. Er be­ob­ach­­tet und analysiert sehr genau, was um ihn herum passiert. »Wenn die anderen Boxer meine Walk-in-Musik gehört haben, haben sie mich unterschätzt. Sie dachten, da kommt ein Schlumpf – bis ich dann das erste Mal zu­ge­schla­gen hatte.«

Dass ihn niemand mehr unterschätzt, dafür hat er lange und hart arbeiten müssen. 1995, als 15jähriger, kam er nach Deutschland, ins fränkische Bamberg. Zunächst betrieb er Radsport, »ich war sogar Frankenmeister und Nordbayerischer Meister«, dann weckten die Fernsehübertragungen sein Interesse am Boxen. »Ich habe da die großen Kämpfe gesehen und war begeistert. Die Boxer wurden auf Schul­tern getragen, haben sich gefreut und gejubelt. Das hat mich sehr bewegt, das wollte ich auch haben. Das ist wirklich so.«

Aber wie wird man eigentlich als Boxtalent entdeckt? Als Einwanderer aus Armenien? In Bamberg? »Ich bin überall ’rumgelaufen und habe gefragt: ›Wo kann man hier boxen?‹ Ich habe sogar Taxifahrer gefragt, wo ich denn mit dem Boxtraining anfangen könne. Ein Taxifahrer hat mir dann gesagt, dass es am Bahnhof einen Club gibt, den ETSV Bamberg 1930, da habe ich angefangen.«

Abraham fand dort einen guten Trainer, der ihn als Amateur zum Internationalen Deutschen Meistertitel führte. »1999 ging ich nach Armenien zurück, wegen der Olympischen Spiele, ich war mehrmals armenischer Meister, und als ich 2003 wieder nach Deutschland kam, hatte ich erstmal Schulden. Es war teuer, hierher zu kommen.«

Er wollte seine Schulden als Berufs­boxer abarbeiten. Aber auch das ist schwer, wenn man aus Armenien kommt. »Ich wurde vor allem als Sparringspartner für Sven Ottke verpflichtet.« Der war damals Weltmeister im Supermittelgewicht und sorgte im Deutschland der Ära nach Maske für gute Einschaltquoten. Ottke, der den Titel des Verbandes IBF trug, boxte im damals noch in Köln ansässigen Stall des Unternehmers Wilfried Sauerland. Für 75 Euro pro Sparring kämpfte Abraham im Training gegen Ottke. Abraham boxte schon damals mit einem starken Punch, Ottkes Stärke war seine ausdauernde Beinarbeit. Bei diesen Sparrings wurde Sauerland-Cheftrainer Ulli Wegner auf Abraham aufmerksam. »›Roh­diamant‹ hat er mich genannt.«

Wegner empfahl Sauerland, dem jungen Mann aus Armenien einen Profivertrag zu geben. Dann wurde verhandelt, es wurde überlegt, ob er wirklich eine Perspektive hat, ob er zu vermarkten ist in Deutschland. »Es war hart, bis ich meinen ersten Vertrag bekommen hatte«, erinnert sich Abraham. »Kriege ich einen Vertrag, kriege ich keinen? Das hat mich sehr bedrückt.« Und dann? »Als ich den Vertrag hatte, ging es mir besser.«

Sein Debüt gab er im August 2003, er boxte in einem Zelt am Nürburgring. Sein Management machte nicht den Eindruck, als wolle es ihn vorsichtig zum Weltklasseboxer aufbauen. Er wurde gleich gegen starke Boxer in den Ring geschickt. Aber da bewährte er sich. 23 Siege in 23 Kämpfen, 18 davon durch K.o., lautet seine bisherige Bilanz. Man kann sich Respekt auch erkämpfen.

Weniger Einfluss hatte Abraham, der nebenbei internationales Management studiert hat, auf seine Vermarktung. Die Eindeutschung seines armenischen Namens ergab eben »Arthur Abraham«, und da fand man es lustig, aus ihm den »Schlumpfboxer« zu machen.

Er konzentrierte sich aufs Boxen, ansonsten arrangierte er sich. »Die Leute haben es gemocht«, sagt er. »Wenn ich mit einer HipHop-Musik gekommen wäre, hätten alle das sofort wieder vergessen. Aber das Lied der Schlümpfe vergisst keiner. Es hat Spaß gemacht, dem Publikum und mir auch. Es ist doch nur eine kleine Show, die ein, zwei Minuten dauert.«

Mitte vorigen Jahres war Schluss mit Schlumpf. Die Inhaber der Rechte an den Figuren und den Liedern untersagten Sauerland die weitere Nutzung, und Arthur Abraham, inzwischen Weltmeister, bekam ein neues Image. »King Arthur« heißt er nun, er muss mit einer Krone auf dem Kopf in den Ring steigen, dazu wird ein eigens für ihn komponiertes Stück gespielt: »Arthur’s Theme«.

Das ist ein anderes Image als das des Schlumpfes, den keiner ernst nimmt und der sich den Respekt erst erkämpfen muss. »Es klingt ernsthafter«, sagt Abraham.

Mit »King Arthur« ist er irgendwo zwischen »Tiger« und »Gentleman« angekommen. Respektiert, nicht richtig berühmt, aber vor allem – Weltmeister.