»Ägyptische Blogger sind wie Paris Hilton«

Sandmonkey, Blogger aus Kairo

Spätestens seit der Verurteilung des ägyptischen Bloggers Abdel Karim Suleimans im Februar zu vier Jahren Haft stieg die Popularität der Blogs in Ägypten. Vielen gelten die Blogger als einzige demokratische Opposition in dem Land, das seit 1981 von Hos­ni Mubarak im Ausnahmezustand regiert wird. Einer der populärsten Blogs ist www.sandmonkey.org aus Kairo. Anfang des Jahres hatte er seinen Blog geschlossen. Jetzt ist er wieder da. interview: doris akrap

Was bedeutet dein Name Sandmonkey?

Sandmonkey ist eine rassistische Bezeichnung für Araber. Ich versuche, diesen Begriff zu neutralisieren, so wie der Begriff Nigger neutralisiert wurde. Aus demselben Grund steht mein Blog unter dem Motto: Unterstützt die neokonservative, amerikanische, rechte, zionistische, christliche, imperialistische Verschwörung gegen den Nahen Osten! Ich behaupte, all das zu sein, was man mir und meinen Positionen vorwirft, um mit den Leuten ernsthaft über meine Philosophie diskutieren zu können, ohne die lästigen inhaltsleeren Vorwürfe, ich sei dies oder ich sei jenes.

Woraus besteht deine Philosophie?

In erster Linie will ich die Leute einfach nur zum Nachdenken bringen. Ich bin kontrovers und sehr direkt. Ich trete so auf, weil die ägyptische Gesellschaft, so wie der Rest der Welt, konformistisch geworden ist. Jeder verhält sich, als wäre er Mitglied einer Gang: Ich bin für nicht für Bush, also kann ich den Irak beziehungsweise die Demokratie im Nahen Osten nicht unterstützen. In dieser Situation ist das einzig wirkungsvolle Mittel, die Leute zu schocken. In meinem Blog diskutieren beispielsweise viele Israelis. Als ich während des Kriegs im Libanon vergangenes Jahr die Hizbollah, wie von mir erwartet, als einen Haufen Idioten beschimpfte, fanden die Israelis das super. Als ich in einem anderen Eintrag auch die israelische Armee als einen Haufen Idioten beschimpfte, waren die Israelis empört. Aber es ist nun einmal so, dass man einen Krieg gegen eine Miliz nicht gewinnen kann, die unter dem Schutz der Bevölkerung agiert. Man müsste die komplette Bevölkerung bombardieren, und das bringt die Idee, für die man kämpft, keinen Schritt vorwärts. Im Gegenteil, die libanesischen Toten haben Israel nur geschadet.

Welchen Einfluss haben Blogs auf Diskussionen in der ägyptischen Gesellschaft?

Die ägyptischen Blogs sind Teil des öffentlichen Diskurses geworden. Die Blogger haben ein paar Themen angeschoben, die schon längst hätten diskutiert werden müssen, wie die sexuelle Belästigung von Frauen oder polizeiliche Folter. Aber in diesem Land haben nur fünf Millionen von 80 Millionen Einwohnern Zugang zum Internet, und nur die Hälfte kann überhaupt lesen und schreiben. Die Blogs operieren also in einem begrenzten Raum und werden die Revolution morgen nicht beginnen können, leider.

Zwischen April und August hast du deinen Blog bestreikt. Du hast aufgehört zu schreiben, um gegen die politische Profillosigkeit der ägyptischen Blogger zu protestieren. Was hast du erreicht?

Ganz so war es nicht. In erster Linie habe ich aufgehört, weil die Sicherheitskräfte mir auf den Fersen waren. Als ich nach ein paar Monaten gemerkt habe, dass sie mich nicht vergessen, wusste ich, dass es für meine Sicherheit egal ist, ob ich blogge oder nicht, und habe wieder angefangen. Die ägyptischen Blogger sind so etwas wie Paris Hilton geworden. Alle reden über uns, dabei haben wir gar nichts zu sagen. Wir haben keine Idee, die wir verfolgen. Es ist ganz nett zu wissen, dass es Leute gibt, die einem zuhören. Aber das ganze Ding wurde psychotisch, als wir für andere Leute zur Ikone und zum Role Model wurden, obwohl wir nur ein paar Schnipsel ins Netz stellten. Und dazu kommt, dass andere Leute uns für ihre Zwecke benutzen. Beispielsweise im Fall des zu vier Jahren Haft verurteilten Bloggers Abdel Karim Suleiman. Plötzlich tauchte ein Flugblatt »Free Karim« auf, indem sein Fall skandalisiert und zu Spenden aufgerufen wurde. Weder haben Abdel Karims Anwalt noch seine engsten Freunde je Kontakt zu diesen Leuten gehabt, noch hat Karim je einen Cent von ihnen bekommen. Das ist also eine ganz dreckige Geschichte. Gleichzeitig kann man diese Leute nicht wirklich angreifen, weil sie die einzigen sind, die nach wie vor dafür sorgen, dass der Fall weiterhin in der Öffentlichkeit bleibt.

Wie gefährlich ist es derzeit für Blogger in Ägypten?

Sehr gefährlich, aber darüber denke ich nicht nach. Abdel Karim kann froh sein, dass er nicht umgebracht wurde. Hier gibt es Leute, die Botschaften in Brand gesetzt haben, nur weil sie glauben, dass der Prophet durch Karikaturen beleidigt worden sei. Das, was Abdel Karim geschrieben hat, war mehr als eine Karikatur. Technisch gesehen waren es Hassreden. Er verglich Ariel Sharon mit dem Propheten Mohammed und kam zu dem Ergebnis, dass Sharon der bessere Mensch sei.

Du hast im Mai vorgeschlagen, eine internationale politische Organisation zu gründen, die sich für den Schutz der Blogger und das Recht auf Redefreiheit einsetzt. Was ist daraus geworden?

Viele Leute haben mir ihre Unterstützung versprochen. Aber als es ernst wurde, haben sich die meisten nur als Schwätzer und Heuchler erwiesen. Am meisten haben sich Leute aus der amerikanischen Rechten für eine solche Organisation interessiert. Ich will aber nicht, dass die Organisation als rechts etikettiert wird. Ich habe gehofft, dass sich für das Recht auf Redefreiheit auch Linke einsetzen würden. Aber die Linke hat es abgelehnt, mit mir zusammenzuarbeiten, obwohl es nur um die Verteidigung eines Grundrechts geht.

Warum?

Weil die Linke immer demselben Muster folgt. Sie schließen Bündnisse mit Leuten, die denselben Gegner haben, und die Linke hält die USA für ihren schlimmsten Feind. Und deshalb unterstützt sie lieber die Muslimbruderschaft als eine Organisation, der ein prozionistischer und pro­amerikanischer Sandmonkey angehört.

Unterstützen Linke die Muslimbruderschaft, weil sie glauben, dass ein Bündnis mit ihnen zum Sturz der Mubarak-Regierung führen könnte?

Ja. Viele Linke setzen sich für die Anerkennung der Muslimbruderschaft als Teil der ägyptischen Nation ein. Natürlich wollen die Linken keine islamistische Regierung. Es ist eine Sache, sie in ihren Grundrechten zu unterstützen, es ist jedoch eine andere, ihnen zu erlauben, das Land zu regieren. Trotzdem gibt es vor allem Londoner Sozialisten, die es für richtig halten, gegen den amerikanischen Imperialismus die Muslimbrüder zu unterstützen. Und die nehmen diese Hilfe dankbar an und betrügen die Linken.

Weil die Hoffnung vieler Reformisten auf eine moderate Muslimbruderschaft falsch ist?

Ja. Die Muslimbrüder sind keine Lösung. Sie sind weder für die Demokratie noch für gleiche Rechte. Anfang Oktober haben sie ihr politisches Programm veröffentlicht. Darin sagen sie explizit, dass das Amt eines Ministers oder des Präsidenten in Ägypten weder von einem Christen noch von einer Frau besetzt werden kann und dass ein islamischer Rat zur Überwachung der Regierung gebildet werden sollte. Das klingt nicht nach Demokratie, sondern eher wie die Army of Islam.

Die Hoffnung auf moderate Muslimbrüder kommt daher, dass es zwei Fraktionen gibt. Der moderate Teil präsentiert sich auf der Homepage www.ihwanweb.com. Er gibt der Muslimbruderschaft ein freundliches Image, auf das im Übrigen auch Teile des amerikanischen State Department hereinfallen. Einer von Ihwanweb ist Ibrahim al-Hudaiby. Er übersetzt alle Reden von Mohammed Mahdi Akef, dem obersten Führer der Muslimbrüder. Das, was Akef sagt, und das, was übersetzt wird, sind zwei völlig verschiedene Sachen. Alle wissen, dass die richtige Übersetzung die sofortige Einstellung jeglicher internationaler Unterstützung zur Folge hätte.

In Ägypten gab es dieses Jahr zahlreiche Proteste gegen die Regierung. Wird die ägyptische Gesellschaft demokratischer?

Nein. Die Leute, die angefangen haben, über Demokratie im Nahen Osten zu debattieren, haben diese Debatte mit der Situation im Irak verknüpft. Sie sind der Meinung, wenn im Irak die Etablierung der Demokratie erfolgreich verläuft, ist die Demokratie auch ein Modell für Ägypten. Klappt es im Irak nicht, hat die Demokratie im Nahen Osten nichts zu suchen. In Staaten wie der Ukraine reichte die demonstrative Forderung nach freien Wahlen für eine Revolution. In Ägypten nicht, da die Ägypter glauben, die Forderung nach freien Wahlen sei eine amerikanische Verschwörung gegen ihr Land.

Dafür haben im Verlaufe des Jahres ägyptischen Arbeiter ihre Forderungen lautstark artikuliert. In Textil-, Zement- oder Nahrungsmittelfabriken wurden etliche Streiks organisiert und eine unabhängige Gewerkschaft gefordert.

Ja, die Arbeiter sind jetzt das große Ding in Ägypten. Und das Tolle an ihnen ist, dass sie sich, ganz so wie die Internetblogger, vernetzen, dabei aber nicht beim Reden stehen bleiben. Die Regierung hat sie lange Zeit ignoriert. Das geht jetzt nicht mehr, denn die Arbeiter können eine Menge Probleme schaffen. Obwohl ich nicht auf der Seite der Sozialisten stehe, unterstütze ich die Arbeiter. Ihre Gehälter sind miserabel, und nicht mal die bekommen sie ausgezahlt.