Blei im Blut

Mit Volksabstimmungen wehren sich in Peru immer mehr Gemeinden gegen Bergbauprojekte. Der wichtigste Sektor der Wirtschaft ist für gravierende Gesundheits­probleme und Umweltschäden verantwortlich. von knut henkel

Sapalache, Ayabaca und Pacaipampa heißen die drei kleinen Städte im Norden Perus, deren Namen der peruanische Präsident Alan García so schnell nicht vergessen wird. Dort, im hintersten Winkel des Landes, kurz vor der Grenze zu Ecuador, hat sich die Bevölkerung gegen das Bergbauprojekt Río Blanco entschieden, zu dem García erklärt hatte, es sei »von nationalem Interesse«. Ein Kupferbergwerk sollte auf einem 6 400 Hektar großen Terrain entstehen, und das britisch-chinesische Konsortium hinter dem Großprojekt wollte rund 800 Millionen US-Dollar in die Mine investieren.

Consulta vecinal (nachbarschaftliche Befragung) heißt das Instrument, das in Peru schon einmal für Schlagzeilen sorgte. 2002 stimmte die Bevölkerung von Tambogrande gegen die Aufnahme des offenen Tagebaus am Rande der kleinen Stadt, die nur eine knappe Autostunde von Ayabaca entfernt liegt. Francisco Ojeda, der ehemalige Bürgermeister und eine Symbolfigur des Widerstands, war in den vergangenen Jahren immer wieder in der Region unterwegs, um die Erfahrungen weiterzugeben. Und er war erfolgreich damit. »60 Prozent der Wahlberechtigten nahmen Mitte September trotz des schlechten Wetters, der langen Anfahrtswege und der Anfeindungen der Referendumsgegner an der Abstimmung teil«, berichtet Susanne Friess vom katho­lischen Hilfswerk Misereor. Mehr als 92 Prozent der Wähler aus Sapalache, Ayabaca und Pacaipampa stimmten gegen das Bergbauprojekt.

Vor allem Regierungsvertreter hatten sich in der Vergangenheit immer wieder gegen die consul­ta ausgesprochen. So beschuldigte Produk­tions­minister Rafael Rey internationale Nicht­regie­rungs- und Umweltorganisationen, die Bevölkerung in der Region aufzuwiegeln. García wähnte »kommunistische Umstürzler« am Werk und droh­te ausländischen Geistlichen, die sich den Protesten angeschlossen haben, mit Ausweisung.

Der Bergbau bildet den wichtigsten Sektor der peruanischen Wirtschaft. Rund 62 Prozent der Exporte entfallen auf ihn, und über sieben Milliarden US-Dollar wollen internationale Bergbaukonzerne in den kommenden vier Jahren in Peru investieren.

Allerdings bringt der Bergbau nicht nur die meisten Devisen, er ist auch für eine ganze Reihe von Umweltskandalen verantwortlich. »Ein wesentlicher Grund, weshalb die Widerstände gegen die Neuansiedlung von Minen zunehmen«, so Michael Pollman, Umweltexperte des Deutschen Entwicklungsdienstes. In Sapalache, Ayabaca und Pacaipampa hat sich die Bevölkerung für den Anbau von Biokaffee und anderen Produkten entschieden und für den Schutz der lokalen Artenvielfalt.

Der Biologe Fidel Torres Guevara kämpft seit Jahren für den Schutz der Region, in der es Nebel- und Trockenwälder mit einzigartiger Tierwelt gibt. »Dass hier überhaupt Bergbaukonzessionen vergeben wurden, ist unverantwortlich«, klagt er. Nur zu gut weiß er, unter welch dubiosen Umständen die Verträge in den letzten Wochen der Fujimori-Diktatur zustande kamen. Doch die Unternehmen drängen in die Region.

Der Regierung ist das nur recht. Sie will Geld einnehmen, und dazu greift García auch schon mal zu parlamentarischen Tricks. Wenige Tage nach dem Referendum in Ayabaca und den an­deren Städten präsentierten García und Premier­minis­ter Jorge del Castillo eine neue Gesetzesvorlage. Demnach sollten zunächst 20 Bergbauprojekte zu »Angelegenheiten von nationalem Interesse« erklärt und unverzüglich realisiert werden. Darunter befand sich auch das Bergbauprojekt Río Blanco, gegen das die Bevölkerung eben erst abgestimmt hatte. »De facto will die Regierung versuchen, uns zu enteignen«, klagte Carlos Martínez Solano. Doch dazu wird es vorerst nicht kommen, denn vom Parlament wurde García vorerst an seinem Vorhaben gehindert. Die Gesetzesvorlage scheiterte am Montag vergangener Woche am Widerstand der Parla­men­tarier.

Das ist ein Erfolg für die streitbaren Gemeinden, die oft vom progressiven Teil der katholischen Kirche und von nationalen wie internationalen Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam oder Fian unterstützt werden. Ein Rückhalt, ohne den auch ein Urteil des Interamerikanischen Gerichts­hofs für Menschenrechte kaum zustande gekommen wäre. Mit ihm wurde der peruanische Staat dazu verurteilt, die Bevölkerung der Bergbaustadt La Oroya vor der latenten Vergiftung durch die Emissionen einer Schmelzhütte zu schützen. Die Betroffenen leben mit Bleikonzentrationen im Blut, die die Grenzwerte der WHO um das Drei- bis Neunfache übersteigen. Eine in Peru seit Jahren bekannte Tatsache, die unter anderem dazu geführt hat, dass der Widerstand gegen den Bergbau in anderen Regionen spürbar zugenommen hat. Daraus gelernt haben die Verantwortlichen in Lima jedoch nichts, wie das Beispiel Río Blanco zeigt.