Die Pasdaran arm machen

Nach der Verschärfung der US-Sanktionen gegen die iranischen Revolutionsgarden wird darüber diskutiert, ob die Bemühungen der USA, den wirtschaftlichen Druck auf das Regime in Teheran zu erhöhen, nur einen symbolischen Wert haben oder ob sie das richtige Mittel sind, um das iranische Atomprogramm zu bekämpfen. Entscheidend für eine Lösung im Atomstreit wäre allerdings eine Änderung in der Politik der wichtigsten Handelspartner des Iran, insbesondere Deutschlands. von andré anchuelo

Die Verschärfung der Sanktionen sei wichtig, um Irans Streben nach Nuklearkapazitäten und um seiner Unterstützung des Terrorismus zu begegnen, erklärte das State Department in Washington am Donnerstag der vergangenen Woche. An diesem Tag hatte die US-Regierung beschlossen, die iranische Revolutionsgarde, neun mit ihr ver­bundene Unternehmen sowie drei staatliche Ban­ken und acht iranische Einzelpersonen unter besondere Restriktionen zu stellen. Während der Staatssekretär im US-Außenamt, Nicholas Burns, dies als »wirkungsvollen Maßnahmen­katalog« bezeichnete, betonten zahlreiche westliche Medien vor allem den »symbolischen Charakter« der Maßnahme.

Bereits vor den jüngsten US-Sanktionsbeschlüssen hatte sich gezeigt, dass die Politik von Präsident Mahmoud Ahmadinejad in Teheran sehr umstritten ist. Am vorletzten Wochenende war Ali Larijani, der iranische Chefunterhändler im Atomkonflikt, zurückgetreten, offenbar nach einem heftigen Streit mit Ahmadinejad – aus »privaten Gründen«, wie es offiziell hieß. Mit Said Jalili, bisher stellvertretender Außenminister, wurde ein enger Vertrauter Ahmadinejads zu seinem Nachfolger ernannt.

Was darauf folgte, ist für ein Land, das zuweilen als »totalitäres System« beschrieben wird, jedenfalls ungewöhnlich. In einer Erklärung prie­sen 183 Abgeordnete die »lobenswerten Leistungen« Larijanis in den vergangenen zwei Jahren. Der frühere Außenminister Ali Akbar Velajati, der als Vertrauter des »Revolutionsführers« Ayatollah Ali Chamenei gilt, kritisierte, schuld an La­ri­janis Rücktritt sei »die Unbeherrschtheit der Verantwortlichen« gewesen und nicht die genannten »privaten Gründe«. Sogar Chamenei, der als »Revolutionsführer« in der staatlichen Hierarchie noch über Ahmadinejad steht und üblicherweise darauf bedacht ist, öffentlich eine gewisse Neutralität gegenüber den verschiedenen Frak­tionen im Staatsapparat zu wahren, bekundete indirekt sein Missfallen. »Ich unterstütze die Regierung. Aber das heißt nicht, dass ich mit allem einverstanden bin, was sie tut.« Schließlich wurde gemunkelt, dass auch Außenminister Manuchehr Mottaki aus Ärger über den Präsidenten seinen Rücktritt erwäge, was sich bislang allerdings nicht bestätigte. Diese Reak­tio­nen wurden sogar von iranischen Medien als »politisches Beben« bezeichnet.

In der Praxis sah der Personalwechsel dann recht kurios aus. Drei Tage nach seinem Amtsantritt traf Jalili in Rom auf Javier Solana, den außenpolitischen Repräsentanten der EU. Anwesend war dabei auch Larijani als, wie es offiziell hieß, Vertreter von Ayatollah Chamenei im iranischen Nationalen Sicherheitsrat, dem für die Militär- und Atompolitik zuständigen Organ des iranischen Staats. So stand schließlich Larijani am Ende des Treffens im Mittelpunkt der Medien­aufmerksamkeit, während sein Nachfolger kaum wahrgenommen wurde.

Möglicherweise noch bedrohlicher für Ahmadinejad ist aber die Tatsache, dass Anfang September mit Hashemi Rafsandschani sein größter Rivale zum Vorsitzenden des einflussreichen »Ex­pertenrats« – des Gremiums, dem die Kontrolle und Wahl des obersten religiösen Führers im Iran obliegt – gewählt wurde. Rafsandschani war bereits von 1989 bis 1997 Präsident und scheiterte 2005 beim Versuch, in dieses Amt zurückzukehren.

Zwar finden diese Machtkämpfe vor dem Hintergrund des steigenden Sanktionsdrucks aus den USA statt. Doch es wäre falsch zu vermuten, dass sich hinter den unterschiedlichen Positionen grundlegende Differenzen verbergen. Vielmehr sind sich alle Beteiligten über die wichtigsten Interessen einig: das Streben nach Atomwaffen, die Vernichtung Israels und den weltweiten Export der so genannten islamischen Revolution. Gestritten wird bloß darüber, welche Strategie die richtige sei, um diese Ziele zu erreichen. Und da hat Larijani tatsächlich seinen Job gut gemacht. Indem er seinen Kontrahenten aus den USA, Russ­land, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland immer wieder – mehr oder weniger glaubwürdig – Kompromissbereitschaft andeutete, konnte er die Verhandlungen in die Länge ziehen und dadurch Zeit gewinnen für das Vorantreiben des Atomprogramms.

Doch angesichts der Tatsache, dass der Iran die letzten drei Resolutionen des UN-Sicherheitsrats nicht befolgte, begannen die USA im Sommer, den Ton zu verschärfen. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Reportage aus dem arabischen Emirat Dubai, die Mitte Oktober in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschien. In Dubai, dem Hauptumschlagplatz für iranische In- und Exporte, könnten die Iraner alles kaufen, nur, »als Folge der Sanktionen«, werde alles teurer, wird ein iranischer Geschäftsmann zitiert. Der Mechanismus, der dahintersteckt ist der: Wer mit dem Iran Handel treibt, bekommt Ärger mit den USA – bis hin zu Millionenstrafen. Deswegen, so der Autor, ließen sich immer weniger Banken auf das Business mit dem Iran ein, die Geschäfte für iranische Firmen würden somit immer teurer. »Die amerikanischen Finanzsanktionen wirken also«, lautete das Fazit.

Mit dieser Strategie ist die US-Regierung jetzt den nächsten Schritt gegangen. Die iranische Revolutionsgarde war dabei ein wichtiges Ziel. Nicht nur, weil sie an dem beteiligt ist, was die USA dem Iran vorwirft: Atomrüstung, Bewaffnung und Ausbildung von Terrororganisationen, unter anderem der Hamas und der Hisbollah, Unterstützung schiitischer Aufständischer im Irak. Sie ist auch an so gut wie an allem beteiligt, was die wirtschaftliche Stärke des Iran ausmacht. Dazu zählen die Ölindustrie, die Bankenbranche, die Verwaltung des neuen Teheraner Flughafens sowie die Erschließung neuer Gas­felder.

Die Revolutionsgarde, auch Pasdaran genannt, wurde während des Umsturzes 1979 als Khomeini-treue paramilitärische Truppe neben dem regulären Militär gegründet, mittlerweile hat sie sich längst zu einer eigenständigen Armee entwickelt. Sie verfügt über eine eigene Marine und Luftwaffe, und auch die Raketenstreitkräfte des Iran unterstehen ihr. Die Eliteeinheiten der Garde, die Al-Quds-Brigaden, operieren für den Export der islamischen Revolution auch im Ausland. Im Krieg zwischen Iran und dem Irak in den acht­ziger Jahre erlangten die Basidschi-Milizen der Garde traurige Berühmtheit, als sie massenhaft meist aus »freiwilligen« Kindersoldaten bestehende Selbstmordkommandos entsandten, um beispielsweise Minenfelder zu räumen.

Schon damals war Ahmadinejad Mitglied dieser Bewegung, die Zehntausende iranische Kinder auf direktem Weg ins Paradies beförderte. Seit seiner Präsidentschaft ist der gesellschaftliche Einfluss der Pasdaran viel größer geworden. Mehr als die Hälfte der Minister des gegenwärtigen Kabinetts gehört der Revolutionsgarde an, Schät­zungen zufolge kontrolliert die Garde inzwischen über 30 Prozent der iranischen Wirtschaft. All die­se Organe sollen mit dem neuen Erlass der US-Regierung von internationalen Finanztransaktio­nen abgekoppelt werden, die Al-Quds-Brigaden sollen zudem als Terrororganisation geächtet werden.

An dieser Stelle ist der Iran verwundbar, allerdings können die Amerikaner in der Sache keinen großen Druck ausüben. US-amerikanische Firmen machen ohnehin schon lange kaum noch Geschäfte mit dem Iran. Weitere amerikanische Sanktionen wären höchstens Nadelstiche, aber keine existenzielle Bedrohung für die iranische Wirtschaft. Insofern liegen die Be­obach­ter, die in dem US-amerikanischen Beschluss eher einen »symbolischen Charakter« erkennen, nicht falsch. Denn »amerikanische Sanktionen treffen den Iran nicht – deutsche täten es durchaus«, wie es in einem Kommentar des Tagesspiegel in der vergangenen Woche zu lesen war. Deutschland ist der größte westliche Handelspartner des Iran. Wohl deshalb wehrt man sich in Berlin besonders gegen einschneidende Maßnahmen, könnten sie doch die erfolgreiche Handelsbilanz ein wenig verhageln. Da Deutschland der wichtigste Lieferant der iranischen Industrie ist, erscheint aber das Argument, bei einem deutschen Rückzug würden Russland und China in die Bresche sprin­gen, fadenscheinig. Schließlich kann man deutsche Maschinen schlecht mit chinesischen Ersatz­teilen am Laufen halten.

So muss als letztes Mittel einmal mehr die deut­sche Friedensliebe herhalten. Man dürfe die iranischen Verhandlungspartner nicht mit einsei­tigen Handlungen verärgern, so die bestechende Logik der Sanktionsgegner, sonst könne die Situation eskalieren – derweil die Mullahs weiter an den Zentrifugen schrauben, um atombomben­fähiges Material zu gewinnen. Angesichts der Entschlossenheit der USA und Israels, sie daran zu hindern, bevor es zu spät ist, stellt die israelische Tageszeitung Haaretz in einem Leitartikel nüchtern fest: »Diejenigen, die wirtschaftlichen Druck auf den Iran verhindern wollen, machen die Anwendung von Militärgewalt wahrscheinlicher.«