¡Viva España!

Fünf Monate vor der spanischen Parlamentswahl hat Rosa Díez, eine ehemalige prominente Sozialdemokratin, die Partei UPD gegründet. Im Gründungsmanifest werden die Kategorien »links« und »rechts« als überholt gewertet und stattdessen nationale Symbole gepriesen. von gaston kirsche

Zu den bombastischen Tönen der Scorpions zog sie in den großen Saal des Theaters im Madrider Stadtteil Casa del Campo ein: Rosa Díez, eine ehe­malige Europa-Abgeordnete des sozialdemokratischen Psoe, die im August auf einer Pressekonferenz aus ihrer Partei austrat. Begleitet wurde sie von dem Philosophieprofessor Fernando Savater, dem Leiter der bekannten Schauspielgruppe Els Joglars, Alberto Boadella, und dem Schriftsteller Mario Várgas Llosa.

Auf der karg dekorierten Bühne hingen die spa­nische Flagge und die der EU. Außerdem befand sich dort ein Stehpult verziert mit einem bislang unbekannten Signet: Auf magentafarbenem Untergrund stand upd, unión, progreso y democracia (Einheit, Fortschritt und Demokratie). 700 Spa­nier waren gekommen, um bei der Gründungsveranstaltung der neuen Partei UPD dabei zu sein.

Viele von ihnen kennen sich als Mitglieder der Organisation »Basta Ya«, die aus Protest gegen die Eta gegründet wurde. Nach jedem Anschlag protestiert »Basta Ya« vor den Rathäusern, insbesondere im Baskenland, aber auch in anderen Regionen Spaniens. Auch Mikel Buesa war bei der Parteigründung dabei. Sein Bruder, ein bekann­ter Politiker des Psoe, war von der Eta erschossen worden. Buesa trat vom Vorsitz einer Organisation für Eta-Opfer zurück, um in der UPD mit­zuwirken.

Rosa Díez erklärte den Tag der Parteigründung, den 29. September, zum »historischen« Datum. Die UPD sei entstanden, »um die Demokratie in Spanien zu erneuern, mit demselben Mut, mit dem einst ›Basta Ya‹ gegründet wurde«. Die Einheit Spaniens sei bedroht und müsse gegen die Separatisten aus dem Baskenland und Katalonien verteidigt werden. Die neue linke Tageszeitung Público schrieb dazu, Díez kopiere den Diskurs der Konservativen Volkspartei (PP), um ihre Partei zu präsentieren.

Der PP betont derzeit unentwegt seine spanisch-nationalistische Programmatik, unter anderem mit der Kampagne »Wir sind Spanien«. Die Wahlen am 9. März will die Partei vor allem mit natio­nalistischen Parolen gewinnen.

Der Artikel in Público führte zu einer erregten De­batte, 200 Leser posteten Beiträge zu dem Vor­wurf, die UPD versuche, mit den Parolen der Volks­partei zu punkten. Einige Schreiber behaupteten, der Patriotismus der UPD sei etwas völlig anderes als die rechten Parolen des PP, die meisten äu­ßerten sich aber sehr kritisch.

Tatsächlich verteidigten die Redner während der Parteigründungsveranstaltung ohne Einschränkung nationale Symbole: Ein starker, zentralistischer Staat Spanien wurde gefordert, die Autonomierechte der Regionen wurden als viel zu weitgehend kritisiert. Díez gab sich in ihrer frenetisch bejubelten Rede sehr patriotisch: »Die Fahne repräsentiert unsere Verfassung, unsere Rechte. Sie ist nicht nur ein Stück Stoff, und ich habe sie auf zu vielen Begräbnissen gesehen von Leuten, die ihr Leben gaben, um unsere Rech­te zu verteidigen.«

In den Applaus mischte sich der Ruf »Viva España!« – der alte Schlachtruf der spanischen Rechten. Den Plan von Juan José Ibarretxe, dem Ministerpräsidenten der baskischen Region, am 25. Oktober 2008 ein Referendum abzuhalten, in dem die Basken darüber abstimmen sollen, ob sie weiter zu Spanien gehören wollen, bezeichnete Díez als »Beleidigung«, »Verrat«, »Beschimpfung« und »Herausforderung für Spanien«.

Der Leiter der Schauspieltruppe Els Joglars, Albert Boadella, entwarf in seiner Rede das Szenario einer bedrohten Nation. Für Boadella ist der ideologische Gegensatz zwischen links und rechts obsolet: »Ich habe keine Hemmungen, ›Vi­va España!‹ zu rufen. Ist das nun rechts oder faschistisch?«

Auch im Gründungsmanifest der UPD, das der Philosophieprofessor Fernando Savater verfasst hat, wird die politische Zuordnung »links versus rechts« als überholt abgetan: »Um dieses falsche Dilemma zu vermeiden, bevorzugen wir es, von Progressivität zu reden anstatt von links und rechts.« Die Herleitung dafür ist simpel: »Wenn wir von links und rechts reden, geht es uns dabei nicht um den spanischen Bürgerkrieg, nicht um den Zweiten Weltkrieg, nicht um die russische oder die französische Revolution, sondern um die konkreten Parteien, welche diese Etiketten heute verwenden.«

Offensichtlich ist es für eine neue Partei wie die UPD, die sich progressiv gibt, nicht möglich, sich für ein starkes zentralistisches Spanien einzusetzen, ohne die historischen Tatsachen zu verdrängen. Sicherlich ist es richtig, dass sich Katalonien und das Baskenland abschotten und soziale Ungleichheit und Konkurrenz zwischen den Regionen existieren. Gleichzeitig ist es auch möglich, sich auf die durch Francos Militärputsch zerschlagene spanische Republik zu berufen, als einen föderalen Staat mit regionaler Selbstverwaltung und sozialen Rechten, die im Staatsgebiet für alle garantiert sind.

Um diese Fahne und ihre Symbolik geht es der neuen Partei von Díez, Boadella und Savater aber nicht, wenn sie zur Verteidigung der Staatssymbole aufrufen. Sie verteidigen die Fahne der konstitutionellen Monarchie, die 1975 an die Stelle des Franco-Regimes getreten ist und dessen Fahne in abgewandelter Form weiter benutzt.

Die Kritik von Díez’ und Savaters neuer Partei an der vermeintlich fehlenden Repression gegen Separatisten im Baskenland und in Katalonien dürfte im kommenden Wahlkampf vor allem bewirken, dass die sozialdemokratische Regierung von Ministerpräsident José Luis Zapatero und seine Partei Psoe weitere Beweise dafür erbringen, dass sie hart genug gegen Separatisten durch­greifen. Der seit dem 5. Oktober inhaftierte Parteivorstand von Batasuna (Jungle World 42/07) wird dies wohl ebenso zu spüren bekommen wie zwölf Separatisten aus Katalonien, die angeklagt sind, Fotos des spanischen Königs verbrannt zu haben.

Díez und Savater bezeichnen die Eta als Terrorgruppe, der es nur ums Morden gehe, lehnen jeden Dialog mit der Gruppe ab und erklären den Separatismus zum rein polizeilichen Problem. Der Psoe wird sich dem Druck der neuen Partei stellen müssen. Profitieren davon wird vor allem der konservative PP.