»Die Extremisten wurden isoliert«

Ilan Mor, Gesandter Israels
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Die israelische Regierung hat den Nahost-Gipfel in Annapolis als Erfolg bezeichnet. Der Gesandte und geschäftsführende Botschafter Israels in Deutschland, Ilan Mor, sieht vor allem in der Anwesenheit so vieler arabischer Staaten bei der Konferenz ­einen großen Fortschritt. interview: ivo bozic

Bei dem Gipfel in Annapolis wurde über die vielen strittigen Fragen wie Jerusalem, Flüchtlinge und den Grenzverlauf nicht diskutiert. Worin liegt der Erfolg des Treffens?

Zuerst einmal ist es ein Erfolg, dass dieses Treffen überhaupt stattgefunden hat. Solange wir miteinander reden, schießen wir nicht aufeinander. Punkt Zwei ist, dass wir in Annapolis die ganze arabische Welt gesehen haben, einschließlich Saudi-Arabien und Syrien. Das ist ein posi­tives Zeichen für uns alle und ein Zeichen gegen­über den Extremisten, denen man damit gezeigt hat, dass sie isoliert sind. Drittens: Nachdem sich die Arabische Liga bereit erklärt hat, nach Annapolis zu kommen, hat die Hamas bestürzt und schockiert reagiert. Als ich das gesehen habe, habe ich spontan gesagt: Das ist ein Pluspunkt sowohl für Abu Masen (Mahmoud Abbas, d. Red.) und Ehud Olmert als auch für die ganze arabische und westliche Welt. Die Tatsache, dass es die Extremisten bestürzt, dass die ganze arabische Welt bereit ist, sich mit Israel an einen Tisch zu setzen, ist ein Gewinn für uns alle, ein wichtiger Schritt in Richtung Normalisierung zwischen Israel und der arabischen Welt.

Solange die Hamas in Gaza herrscht, kann es weder einen einheitlichen palästinensischen Staat geben noch wird der Terror gegen Israel ein Ende nehmen. Wie kann das Problem Hamas gelöst werden?

Wir betrachten den Gaza-Streifen als einen Teil der Palästinensischen Autonomiebehörde, und es ist daher die Aufgabe von Abu Mazen und Salam Fay­yad, den Terrorismus zu bekämpfen. Die Palästinenser haben sich verpflichtet, den ersten Teil der Road Map in die Tat umzusetzen. Es ist daher für Abu Mazen und seine Leute an der Zeit, gegen die Hamas aktiv zu werden und den Terrorismus zu un­terbinden. Die Hamas spielt eine sehr destruk­tive Rolle, sowohl für die Israelis als auch für die Palästinenser.

Bedeutet das in der Konsequenz eine Aufrüstung der Fatah durch Israel und die westliche Welt, damit sie die Hamas eines Tages militärisch besiegen kann?

Über Aufrüstung sprechen wir nicht. Die palästinensische Behörde ist unserer Meinung nach der Hamas militärisch durch und durch gewachsen. Wie und wann sie aktiv wird, ist eine Frage der Politik. Die Palästinenser müssen selber entscheiden, wann ihrer Meinung nach der richtige Zeitpunkt ist, ihre Aufgabe zu erfüllen und die Ha­mas zu bekämpfen. Meiner Meinung nach war es schon an der Zeit.

Ist es eine Option, zunächst über einen Paläs­tinenserstaat ausschließlich auf dem Territorium der Westbank zu verhandeln und Gaza vorerst auszuklammern?

Nein. Wir betrachten Gaza als Teil eines zukünf­tigen palästinensischen Staates. Daher müssen wir die beiden Teile als eine Einheit verstehen.

Wurde auf der Konferenz oder vorher über das Problem Hamas geredet?

Ich bin nicht dabei gewesen in Annapolis. Was wir auf dieser Konferenz wollten, war, einen neuen Anstoß für Verhandlungen zu geben. Das haben wir mit geschafft. Es gibt einen Zeitrahmen – zwischen zwölf und 13 Monaten –, und es gibt einen Termin für den Anfang der Verhandlungen. Das ist ein großer Erfolg. Was die Hamas betrifft, ebenso wie alle Details – ist es zu früh, darüber zu reden. Jede Frage, die sich mit dem Endstatus beschäftigt, ist eine »Mine« für sich. Jerusalem ist sehr kompliziert, die Grenze sowieso, die Flücht­lingsfrage ist hochkompliziert. Man muss erst mal eine gewisse ruhige und stabile Situation schaffen für beide Seiten. Das ist die Bedingung, um über diese heiklen Themen zu verhandeln.

Man kann den Eindruck gewinnen, als sei es bei dem Treffen in Annapolis weniger um die Lösung des israelisch-palästinensischen Kon­flikts gegangen als vielmehr um eine möglichst wirkungsvolle Isolierung des Iran und der Hamas und Hizbollah. Ist das die Priorität im Moment?

So direkt war das nicht das Ziel des Treffens, aber es ist ein positives Nebenprodukt. Die Tatsache, dass der Iran und die Hamas nicht dabei waren, Syrien und Saudi-Arabien aber doch, zeigt, dass viele arabische und muslimische Länder eine zunehmende Angst vor dem Iran wegen dessen Atom­programm und Hegemoniebestrebungen haben. Damit, dass sie nach Annapolis kamen, wollten sie auch ein Signal gegen die Politik des Iran setzen.

Was ist für Israels Sicherheit wichtiger: ein Friedensabkommen mit den Palästinensern oder eine westlich-arabische Formierung gegen den Iran?

Sowohl als auch. Ich denke, es ist beides mitein­ander verbunden. Es stimmt, dass der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern nicht der einzige Konflikt im Nahen Osten ist. Es ließe sich eine lange Liste von Konflikten und militä­rischen Auseinandersetzungen in der Region auf­stellen. Wir glauben daran, dass parallel zu unseren Verhandlungen mit den Palästinensern eine Normalisierung der Beziehungen mit der arabischen Welt herbeigeführt werden kann. Das muss auch gar nicht an die »große Glocke« gehängt werden, das kann leise und inoffiziell geschehen. Die arabischen Länder verstehen heute mehr als je zuvor, dass ihr Erzfeind nicht Israel ist, sondern der Iran.

In diesem Prozess ist Saudi-Arabien zu einem mächtigen Faktor geworden. Damit erhöht sich die Möglichkeit der Saudis, Druck auf Israel und die USA auszuüben. Auch die USA machen zunehmend Druck auf Israel. Hat sich die Ausgangslage für Israel wirklich verbessert?

Wir verspüren keinen Druck aus den USA. Wir un­terhalten eine grundsätzliche Freundschaft und eine strategische Partnerschaft mit den USA. In diesem Rahmen kann es auch mal Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten geben. Aber von Druck kann man nicht sprechen. Die USA versuchen, gemeinsam mit den Palästinensern und uns, das Verfahren wiederzubeleben und zu beschleunigen, ohne dabei auf der anderen Seite die Sicherheitsinteressen Israels aus dem Auge zu verlieren. Und die Saudis verstehen, dass eine Einigung zwischen den Israelis und Palästinensern einen positiven Effekt für die Stabilisierung der Nahost-Region haben könnte. Daher möch­ten sie das beschleunigen. Letztlich werden wir uns aber weder von den Saudis noch von den Amerikanern die Politik aus den Händen nehmen lassen. Israel wird seine Politik selbst bestimmen, denn die Folgen, positive wie negative, werden schließlich auch die israe­lischen Bürgerinnen und Bürger tragen müssen.

Gewisse Widerstände in der Bevölkerung sind abzusehen.

Gewiss ist die innenpolitische Situation Olmerts in Israel nicht so einfach, aber sie ist auch nicht dramatisch. Man kann sich auf die grundsätzliche Bereitschaft der israelischen Gesellschaft zur Unterstützung der Regierung verlassen, wenn die zu treffenden Entscheidungen vernünftig und ausgewogen sind. Die Regierung wird die Bevölkerung überzeugen müssen, dass sie alles getan hat, um zur bestmöglichen Lösung zu kommen. Dann wird sie auch die Unterstützung bekommen. Die Lösung wird ja keine Überraschung sein, sie liegt auf der Hand: nämlich die Zwei-Staaten-Lösung. Die große Mehrheit der israelischen Bevölkerung ist von der Zwei-Staaten-Lösung grund­sätzlich überzeugt.

Überraschenderweise haben ja auch Vertreter der syrischen Regierung an dem Gipfeltreffen teilgenommen. Wie deuten Sie dieses Zeichen?

Die Syrer wissen, dass ihre Interessen mit denen des Westens und nicht mit denen der Extremisten korrespondieren. Die Tatsache, dass der stellvertretende Außenminister Syriens nach Annapolis gekommen ist, zeigt, dass sie eine Entscheidung getroffen haben, insofern, als dass sie sich bei den »Guten« und nicht bei den »Bösen« verorten. Das bedeutet auch eine Isolierung der Hizbollah. Die Extremisten haben gehofft, dass Israel isoliert würde, die Realität ist eine andere. Israel gehört zu der so genannten gemäßigten Grup­pe aus arabischen und muslimischen Ländern und der westlichen Welt, die Angst vor dem Iran hat und den Frieden haben möchte – fast um jeden Preis.

Wird Israel diesem möglichen Trend Syriens entgegenkommen und Verhandlungen über den Golan anbieten?

Es ist jetzt zu früh, darüber zu reden. Momentan liegen unsere Prioritäten bei den Palästinensern. Die Syrer wissen genau, was sie tun müssen, um sich einen Platz am Tisch zu sichern. Sie sollten sich im Libanon konstruktiv verhalten. Wir haben kein Interesse an einer Destabilisierung im Libanon. Auch die anhaltende Unterstützung Syriens für palästinensische terroristische Gruppen muss beendet werden. Dass Syrien eine Gegenkonferenz terroristischer Organisationen abgelehnt hat, ist ein positives Zeichen.

Kann der Iran den Friedensprozess sabotieren?

Das destruktive Potenzial des Iran und der Organisationen, die er unterstützt, ist vorhanden. Es ist an uns, den Israelis, Palästinensern und der arabischen Welt, alles daran zu setzen, das zu unterbinden. Wir werden nicht zulassen, dass uns der Iran und diese Terrororganisationen diktieren, wie der Prozess verlaufen wird.