Fenster zum Meer

Platte Buch von heike runge

Das Buchcover zeigt eine junge Frau im Trägerkleidchen am Strand, und der Klappentext verspricht eine Geschichte »voller Zauber und Poesie«. Doch was Aliza Olmert in ihrem Roman »Ein Stück vom Meer« schildert, ist eine bedrückende Kindheit aus den Pioniertagen des Staates Israel. Aus der Sicht des fünfjährigen Mädchens erzählt der Roman von der schmerzhaften Erfahrung, in einem fremden Land inmitten einer Familie von Überlebenden aufzuwachsen. Das Buch der 1946 in Eschwege geborenen Aliza Olmert, die sich in Israel als bildende Künstlerin längst einen Namen gemacht hatte, als sie mit der Wahl Ehud Olmerts zur First Lady wur­de, trägt autobiographische Züge. Aus dem Nach­­kriegsdeutschland wandert die Überlebendenfamilie nach Israel aus und bekommt im armen Manschi-Viertel die erste Wohnung zugeteilt, Meerblick inklusive. Baden gehen darf das Mädchen nie. Zu gefährlich, findet die Mutter. Sich um die Tochter zu ängstigen und sie vom Leben fernzuhalten, ist Anuschkas Art und Weise, das Kind zu lieben. Auch das Mädchen sorgt sich um die melancholische Mutter. Es entwickelt seine eigenen Strategien, um deren ständige Angst zu besänftigen. Zum Beispiel durch lautes Pfeifen. »Ich mache mir Sorgen um ihre Sorgen und gebe ihr ein Zeichen, dass ich noch lebe.« Für die Schriftstellerin Lizzie Doron, die selbst viele Bücher über die Traumatisierung der zweiten Generation geschrieben hat, ist das Buch von Olmert wie »ein Fenster in das Haus des Nachbarn«, durch das man schauen kann und die eigenen Erfahrungen gespiegelt bekommt.

Aliza Olmert: Ein Stück vom Meer. Aufbau, Berlin 2007, 368 S., 19,95 Euro