Am deutschen Wesen soll die Uno genesen

Deutschland hat einen neuen Versuch gestartet, einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu ergattern. kommentar von jan langehein

Regierungen, die auf diplomatischem Wege ihre Macht vergrößern wollen, fallen selten mit der Tür ins Haus. Entsprechend kommt der neueste Versuch der Bundesregierung, einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu erringen, als freundliches Angebot der Mitarbeit daher, nicht als ener­gisch vorgetragener Machtanspruch.

Natürlich will Deutschland damit seiner Rolle als Großmacht gerecht werden, die es seit der Wiedervereinigung für sich beansprucht. Aber so wird das nicht formuliert. Statt dessen forderte Angela Merkel (CDU) bereits im September vor der UN-Vollversammlung eine Reform des Sicherheitsrats mit der Begründung, dass er »nicht mehr die Welt von heute widerspiegelt« – als wäre es darum jemals gegangen in diesem Club, der in erster Linie als Ins­tanz der checks and balances der alten Atommächte konzipiert ist. Mit geradezu alt­ruistischem Gestus sagte die Kanzlerin: »Deutschland ist bereit, auch mit der Übernahme eines ständigen Sicherheitsratssitzes mehr Verantwortung zu übernehmen.« Nicht nur die USA ließen damals wenig Zweifel daran, dass sie von diesem Vorschlag nichts hielten.

Not macht bekanntlich erfinderisch, und so nimmt Deutschland bei seinem neuesten Versuch, das Vetorecht zu erlangen, einen Umweg über Zypern. Der Mittelmeerstaat durfte ein Papier vorlegen, das nach Angaben der »Tagesschau« »unter deutscher Mithilfe« entstanden ist. Es enthält den Vorschlag, den Sicherheitsrat von 15 auf 22 Mitglieder aufzustocken. Einen der sieben neuen Sitze soll Westeuropa erhalten. Da Frankreich und England bereits vertreten sind, gehört nicht viel Phantasie dazu, Deutschland als Aspiranten auf diesen Sitz auszumachen. Ziel des Vorschlags sei es, wie könnte es anders sein, »die Zusammensetzung des Sicherheitsrats den neuen politischen Verhältnissen im 21. Jahrhundert anzupassen«.

So euphemistisch derartige Blüten der Diplomatensprache klingen – die Außenpolitiker der »Berliner Repu­blik« setzen sie keineswegs nur als Mittel ein, um von ihren Interessen abzulenken, sondern nehmen sie auch ein Stück weit ernst. Deutschland will mehr Macht im Sicherheitsrat, aber man glaubt offenbar auch daran, auf diese Weise Gutes für die Welt tun zu können. In der deutschen Wahrnehmung kommt der Zweck des Sicherheitsrats letztlich seinem Missbrauch gleich. Die Großmächte verfolgen dort ihre je eigenen, politischen Interessen und tarieren sie untereinander aus.

Die Deutschen sähen den Sicherheitsrat dage­gen lieber als eine Vorstufe zur Weltregierung gemäß Immanuel Kants »Zum ewigen Frieden«. Jenseits der nationalen Interessen soll er sich die abstrakt-allgemeinen Ideale der UN-Charta aufs Panier schreiben: den Frieden, das Völkerrecht, die Mensch­heit. Und wer sollte das besser gegen die Partikularisten durchsetzen als das durch seine Kriege vom Nationalismus geheilte Deutschland?

Weil der Sicher­heitsrat eben keine Weltregierung ist und es ihm an Souveränität fehlt, braucht es darin eine Nation, die ihre Interessen mit denen der Menschheit identifiziert. Und so soll schließlich am deutschen Wesen dann doch die Welt genesen.