»Outsourced«

Käseeckenhüte für zwei Dollar

Ein US-Callcenter wird nach Indien outgesourct. Jungregissuer John Jeffcoat hat aus diesem Stoff ein hübsches Globalisierungsmärchen gemacht.

Die Wirtschaftskomödie ist ein Filmgenre, das zwar nicht allzu oft bemüht wird, meist aber Rendite abwirft – zumindest für das Publikum, das ins Kino findet. Irrwitzigkeiten am Arbeitsplatz haben ihre feste Position im Filmalltag, man denke an Charlie Chaplin, Billy Wilder oder Ken Loach. Dabei geht es um die Primärerfahrung, die jeder macht, der gewillt ist, seine Bröt­chen selbst zu verdienen: Bei der Arbeit geht es meist um alles andere, bloß nicht um Arbeit.
Die individuellen Lösungsansätze der Arbeitnehmer schlagen im Kino oft genug komödiantische Funken, etwa bei der Bewältigung finanzieller, hierarchischer oder bürokratischer Hindernisse. Chaplin trickst die Vorarbeiter aus, Wilders Boss in »Eins, Zwei, Drei« muss den Kom­­munisten in eine kapitalistische Führungskraft verwandeln. Und Loachs prekäre Arbeiter kompensieren ihre Arbeitsunfälle mit Esprit.
Die Transformationen der Arbeitsgesellschaft, wie sie unter dem Stichwort Globalisierung bekannt sind, konnten sich in der Komödienbranche noch nicht richtig niederschlagen. Der globalisierungskritische Film steckt in der Dokumentarfilmbranche fest, wo er keine schlechten Ergebnisse bringt. Oft genug gleitet er aber auch aufs Heulsusenniveau hinab.
Intelligente Spielfilmvarianten sind hingegen noch selten, sieht man mal von der eindimensionalen Variante Marke »James Bond« ab. Inso­fern ist John Jeffcoats »Outsourced – Auf Umwe­gen zum Glück« kein schlechter Versuch, mehrere Aspekte der Internationalisierung von Arbeitsprozessen in den Fokus zu nehmen – auch wenn ein Film, der das Schlagwort Outsourcing im Titel führt, eigentlich rund zehn Jahre zu spät dran ist.
Mit Outsourcing ist die Auslagerung relevanter Betriebsteile zunächst in andere Firmen, dann in so genannte Billigproduktionsländer ge­meint. Der Umweg zum Glück führt in diesem Fall nach Gharapuri in Indien – als Station des teilabgewickelten Callcenter-Leiters Todd (Josh Hamilton) aus Seattle, der uramerikanische Kitschpro­dukte – z.B. Weißkopfseeadler aus Plas­tik und Brandeisen, mit denen man sei­ne Ini­tialen im Steak verewigen kann – am Telefon verkloppt. Seine Abteilung wird dichtgemacht, Todds letzter Auftrag ist der Wiederaufbau seiner Arbeitsstelle im Hinterland von Mum­bai. Inder sprechen schließlich auch Englisch, und zwar so schlecht wie Amerikaner, nur mit anderem Akzent. Die Personalkosten werden sich jedenfalls um 90 Prozent verringern. Todds Job besteht nun darin, die Belegschaft und seinen Nachfolger zu trainieren und aus ihnen echte Telefonseelenverkäufer zu machen.
Die Anreise ist beschwerlich und mit ortsüblichen Klischees gepflastert: Durchfall hervorrufendes Trinkwasser, Kühe auf der Straße, ganz Indien als öffentliche Toilette, Strom direkt vom Mast, sechsarmige Liebe.
Die Callcenter-Baracke steht zwar schon – und manchmal sogar unter Wasser, wenn der Bauer nebenan seine Felder flutet –, aber die jungen indischen Telefonisten haben keinen Be­zug zu dem USA-Scheiß. Steaks grillen? Im Büro steht das heilige Rind herum.
Bisschen einfältig zuweilen das Ganze, aber womöglich plastischer als der Globalisierungsatlas aus dem Hause Le Monde diplomatique.
Vielleicht sollte man einer Komödie ihre leicht seichten Witze auch nicht vorwerfen: Echte High­lights bieten sich etwa beim Thema Culture Clash in Sachen Liebe: Natürlich ist es Callcenter-Agentin Asha (Ayesha Dharker) strengs­tens verboten, sich mit Todd privat he­rum­zu­trei­ben. Liebe ist Familiensache, Asha ist längst einem Inder als Ehefrau versprochen. Was nicht heißt, dass sich in einer kleinen Firma keine erotischen Lösungen finden ließen – »Ferien in Goa« nennt Asha ihren vorehelichen Ausflug mit Todd in die Kamasutra-Suite. Und das ist doch ein guter Name für ein amouröses Abenteuer.
Dass sich der Amerikaner in eine Inderin verknallen würde, war zu erwarten. Ohne Liebe kein Lachen, ohne Lachen keine Komödie. Asha telefoniert sich gleich ins Herz des bürokratischen Kapitalisten Todd, tanzen wie im Bollywood-Film kann sie auch ganz toll – das indische Kino ist der nächste Aspekt weltweiten Wirtschaftens. Derzeit beeinflusst es das westliche Kino, in einem Film über die USA und Indien kommt man nicht mehr an Bollywood vorbei.
Eine Art Bollywoodisierung erfährt dann auch der Manager Todd, der zunehmend lockerer wird, sich sozusagen zum bunten Vogel des internationalen Wirtschaftslebens mausert. Ganz wörtlich: Obwohl die Hauswirtin ihn morgens noch warnt, vor die Tür zu gehen, gerät er mit den Büroklamotten mitten ins Holi-Fest. Es wird in Indien gefeiert, um den Frühling zu begrüßen, indem man mit Farbe aufeinander wirft.
Insgesamt beschreibt Regisseur Jeffcoat die Folgen des Karawanen-Kapitalismus als eher po­sitiv. Kritische Anmerkungen zum Globalisierungsthema bringt »Outsourced« eher beiläufig an. »Jeder kauft seine Produkte so billig wie möglich – am besten made in China –, aber niemand akzeptiert, dass die Firmen ihre Arbeitsplätze in Billiglohnländer wie China oder Indien verlegen«, sagt zum Beispiel Asha.
Es mag zwar was dran sein: Die Auslagerung in Schwellenländer bringt der dort ansässigen Bevölkerung in gewissem Maße ökonomische Verbesserungen. Aber Internationalisierung der Arbeit bedeutet nicht den großen Spaß, auch wenn das gemeinsame Ziel, die Erwirtschaftung des Profits, verhindert, dass man sich gegenseitig an die Gurgel geht.
Der Film zeigt einem nebenbei, wie man eine Firma leitet, und so etwas kann ja schnell mal auf einen zukommen. Mit dem Erfolg wird es jedenfalls erst etwas, wenn der Boss sich auf die Stärken seines Teams besinnt und auch mit dessen Schwächen umzugehen versteht. Dass der indische Callcenter-Agent zwar für ein US-Unternehmen arbeitet, aber ein Englisch mit indischem Akzent spricht, muss kein Nachteil sein. Jedenfalls dann nicht, wenn man dem Kunden am anderen Ende der Leitung klipp und klar sagt, dass man nicht in den USA, sondern in Indien sitzt. Kunden, die das nicht gut finden, weil sie meinen, dass dadurch amerikanische Arbeitsplätze verloren gehen, werden am Telefon in Sachen Weltwirtschaft beraten: »Ich kann Sie gut verstehen, und ich gebe Ihnen jetzt eine Telefonnummer eines Unternehmens, das die gleichen Produkte ausschließlich mit amerikanischen Arbeitskräften produziert. Allerdings kostet dort der Käseeckenhut 200 Dollar und bei uns nur zwei.«
Todds indische Mitarbeiter lieben Kitsch. Also wünschen sie sich nichts sehnlicher, als die Ramschartikel, die sie am Telefon verkaufen, auch auf ihren Schreibtisch stellen zu können. Nach und nach versteht der Manager, wie seine Leute ticken: Wer sein Team gut kennt, wer alle seine Aspekte, Stärken und Schwächen zu schät­zen und anzuzapfen weiß, wird auf jeden Fall Erfolg haben, so schreibt es Autor George Wing eins zu eins aus der modernen Managementliteratur ab und ins Drehbuch hin­ein. Ist die Belegschaft glücklich, ist es der ganze Betrieb, diese Formel könnten sie sich auch bei Lidl bzw. der Bundesagentur für Arbeit mal hinter die Ohren schreiben.
Dass das Callcenter beileibe keine Idylle ist, dass der Tross unter Umständen ganz schnell weiterziehen kann, verschweigt der Film nicht. Es ist bekannt, dass Firmenteile auch bei guter Profitrate dicht gemacht werden können. Da ist es auch mit dem Komödienstoff ganz schnell vorbei, wenigstens in der vorliegenden Machart. Indien geht China erobern, da wird es noch mal 90 Prozent billiger. Wie sagen die Leute zu Todd, als er indischen Boden betritt? »Guten Tag, Mister Tod.« Das Glück, zumal das kapitalistische, kennt seltsame Umwege.

»Outsourced – Auf Umwegen zum Glück«. USA 2006. Regie: John Jeffcoat. Start: 10.4.