Autonome Nationalisten haben eine Homepage der NPD gehackt

Pack schlägt sich

Auch unter Kameraden gibt es Krach: So genannte Autonome Nationalisten haben eine Homepage der NPD gehackt. Denn die Partei wünscht keinen »schwarzen Block« auf ihrer Demonstration. Der Parteivorstand sieht die NPD von einem Kon­flikt mit Autonomen Nationalisten ­bedroht.

Lange hatte die NPD den Konflikt verbergen können, der in der von ihr beherrschten rechten ­Szene besteht. Doch Anfang April wurden die Me­dien auf ihn aufmerksam: Unmittelbar vor einer Demonstration von Neonazis in Weimar hack­ten so genannte Autonome Nationalisten (AN) die Homepage des Weimarer Kreisverbandes der NPD, um gegen den Verhaltens- und Kleidungskodex zu protestieren, den die Partei vor der Kund­gebung ihren Anhängern verordnet hatte. Anstelle der weiß und rot gestalteten Internetseite befand sich auf schwarzem Hintergrund plötzlich die Schlagzeile: »Wir lassen uns nicht verbieten!« Unter ihr erläuterten die Hacker ihre For­derungen: Schwarze Einheitskleidung sei Selbstschutz und infolgedessen ein Recht, für das man kämpfen werde, »egal ob das einigen Parteibonzen passt«. Der Angriff auf die Seite der Weimarer NPD sei als »deutliches Zeichen« zu verstehen, man werde sie nur dann wieder freischalten, »wenn die NPD auf ihrer Versammlung keine Freien Kräfte ausschließt«. Über der gehackten Seite prangte das dem Antifa-Logo entlehnte Zeichen der »Nationalen Sozialisten – Bundesweite Or­ganisation«, unter ihm die Parole: »Wie die Fahne, so der Block!« Die schwarze Fahne war gemeint. Die Aktion gegen die NPD in Weimar war die bislang wohl aufsehenerregendste Kampfansage der Autonomen Nationalisten, deren »schwarze Blöcke« mit ihrem militanten Auftreten die Partei schon lange stören. Mit schwarzen Kapuzenpullovern und Windjacken, mit Sonnenbrillen, Baseballmützen und Halstüchern erinnern die De­mons­trationen der AN tatsächlich an die der autonomen Antifa. Schwarze Fahnen, Handschuhe und aufwändig gestaltete Fronttransparente mit antikapitalistischen Parolen vervollständigen das Bild. Anders als bei der Antifa steht die schwarze Fahne allerdings nicht für den anarchistischen Anspruch, sondern als Symbol für die verbotene Hakenkreuzfahne, und der »Sozialismus«, der auf den Transparenten und in Sprechchören gefordert wird, ist der Nationalsozialismus der NSDAP. Inhaltlich dürfte die NPD mit den Forderungen der AN keine Probleme haben, auch in ihrem Programm finden sich seit längerem immer of­fener artikulierte nationalsozialistische Ideen, und der in den neunziger Jahren vorherrschende Streit über einen »Kampf um die Straße« oder einen »Kampf um die Parlamente« ist seit langem zugunsten einer Doppelstrategie entschieden. Was für Streit sorgt, ist die Taktik beim »Kampf um die Köpfe«: Die zur Schau gestellte Militanz der AN passt nicht zu dem Image einer inhaltlich zwar nationalrevolutionären, in der äußeren Erscheinung aber seriösen deutschen Familienpartei, das die NPD anstrebt. »Das auf außenstehende Be­trachter beängstigende und damit abstoßende Äußere ist nach unserer Auffassung kein Ausdruck revolutionären Handelns«, heißt es in fragwür­digem Deutsch in einer Erklärung, die der NPD-Bundesvorstand im Sommer vergangenen Jahres verabschiedete. Kommt es im Umfeld von Aufmärschen zu Gewalt, versucht die Partei, stets das Bild zu vermitteln, ihre eigene, selbstverständlich als völlig harmlos zu betrachtende Demonstration sei von der Polizei bzw. von der Antifa im Auftrag des Staates grundlos überfallen worden. Anlässlich einer Reihe letztlich verbotener NPD-Aktionen zum G8-Gipfel in Heiligendamm hieß es zum ­Beispiel über die linken Autonomen: »Sie machen jene Drecksarbeit, die man offiziell nicht erledigen kann. Was zu verhindern nicht möglich ist, überlässt man den schwarzen Schlägertruppen.« Das macht deutlich, warum die »schwarzen Blöcke« der AN dem Parteivorstand nicht ins Konzept passen. Eine Mittlerposition zwischen den Autonomen Na­tionalisten und der NPD nehmen Ka­me­rad­schaf­ten wie die »Freien Nationalisten Neuss« ein. Sie sind sich mit der Partei einig darüber, dass die Übernahme linker Symbole abzulehnen ist. Andererseits verteidigen sie jedoch den »schwarzen Block« als Demonstrationsform, das einheitlich schwarze Erscheinungsbild sei wegen Fernseh­kameras und Antifa-Fotografen nötig. Überdies ermögliche ein einheitliches Auftreten auch, Polizeiabsperrungen zu durchbrechen und »dadurch die Willensstärke und das Durchsetzungsvermögen von uns Nationalisten« zu unterstreichen. Auch widersprechen die Neonazis aus Neuss der Sorge der NPD, ein »schwarzer Block« verschre­cke die Bürger. Sie machen sich für einen »optischen Pluralismus« stark: »Spricht es die Jugend nicht vielmehr an, wenn bspw. der Metal-Head oder der locker gekleidete Skater im Demonstrationszug seinesgleichen entdeckt? Oder aber der Nationalist im Stil des ›Bürokaufmanns‹ mit dabei ist?« Doch diese vermeintlichen Argumente reichten offenbar nicht aus, um die Weimarer NPD von ihrem Versuch abzuhalten, den »schwarzen Block« auf ihrer Demonstration Anfang des Monats zu verbieten. Besonders pikant ist dabei die Tatsache, dass der Kreisverband das Verbot nur implizit politisch begründete, sich in erster Linie jedoch auf die Auflagen des Ordnungsamtes berief. Der üblichen Verbotsliste, die das Tragen von Springer­stiefeln und Jacken mit verbotenen Aufnähern untersagte, fügte die Weimarer NPD einfach ihren eigenen Verbotskatalog hinzu. Er schloss mit der Ankündigung, dass Personen, die gegen diese Auflagen verstießen, vom parteieigenen Ordnerdienst nicht zur Demonstration zugelassen würden. Untersagt wurde es, Kapuzen, Halstücher und Sonnenbrillen zu tragen, in geschlossenen Blöcken aufzutreten und die Faust beim Skandieren von Parolen zu heben. Eine kurze politische Begründung lieferte die Partei dann doch: »Die Veranstalter wünschen keine Kopie von typischen Verhaltensformen der militanten Antifa.« Unumstritten ist diese harsche Abgrenzung selbst innerhalb der NPD-Führung nicht. Schließlich konterkariert diese Politik den Integrationserfolg aus dem Herbst 2004, als es der NPD gelang, mit Thomas Wulff und Thorsten Heise zwei prominente Anführer der »Freien Kameradschaften« in den Vorstand zu holen und so ein Bündnis mit vielen »Freien Kräften« einzugehen. Auch wenn längst nicht alle Kameradschaften den Autonomen Nationalisten zuzurechnen sind, stellen sie bei den Aufmärschen doch häufig einen bedeutenden Teil der Demonstranten. Und dieser Umstand macht die Abgrenzung gegen die AN zum Gegenstand einer parteiinternen Auseinanderset­zung. Die Strategie des Bündnisses mit den »Freien«, lange als Durchbruch auf dem Weg zu einer rechten »Einheitsfront« gefeiert, könnte sich so im nachhinein als problematisch erweisen: Was lange ein Streit zwischen den Kameradschaften einerseits und der NPD andererseits war, geht nach einigen Jahren relativer Eintracht nun wieder los – dieses Mal aber als Streit innerhalb der NPD. Nach Angaben von Spiegel-Online fürchtet der NPD-Fraktionsvorsitzende im sächsischen Landtag, Holger Apfel, »ein paar hundert Idioten« – gemeint sind die AN – könnten die NPD bedrohen, weil sie Gründe für ein neuerliches Verbotsverfahren lieferten. Der Parteivorsitzende Udo Voigt sei von Vorstandskollegen bereits gewarnt worden: »Das Auseinanderbrechen der Partei« sei nur noch »eine Frage der Zeit«. Darauf zu hoffen, dafür scheint es allerdings noch deutlich zu früh zu sein. Dem rechten Szenekrieg per Internet, De­monstrationsauflagen und Vorstandsbeschluss ist bislang kein offener Konflikt auf der Straße ge­folgt. Und selbst in Weimar demonstrierte die NPD schließlich nicht allein, sondern unter der Beteiligung der »Freien Kameradschaften« – und die Homepage des Kreisverbands Weimar ist auch wieder zugänglich.