Krise der parlamentarischen Linken in Polen

Links und demokratisch getrennt

Der wichtigste Zusammenschluss der parla­mentarischen Linken in Polen, LiD, existiert nicht mehr. Linke Projekte gelten vielen Polen weiterhin als diskreditiert.

Es ist die größte Krise der parlamentarischen Lin­ken seit 1989: Das Wahlbündnis Linke und Demo­kraten (LiD), der wichtigste politische Zusammen­schluss sozialdemokratischer, postkommunistischer und liberaler Parteien und die dritte große politische Kraft neben Bürgerplattform (PO) und Recht und Gerechtigkeit (PiS), gibt es nicht mehr. Der Vorsitzende Wojciech Olejniczak hat Ende März die Auflösung verkündet. Seine Entscheidung ist in der polnischen Presse scharf kritisiert worden.
Er war der erste Vorsitzende einer Partei der parlamentarischen Linken, der nicht der ehemaligen Staatspartei PZPR (Vereinigte Polnische Arbeiterpartei) angehört hatte. Er galt als »neues Gesicht« in der Politik, als eine Person, der man zutraute, die Linke zu reformieren und zu ver­eini­gen. Diese Einschätzung hat sich inzwischen grund­legend geändert. In den Medien heißt es nun, Olejniczak sei ein schwacher Konformist, der leicht zu beeinflussen sei und nur an seine Kar­riere denke. Er schreibe seine Reden nicht selbst, sondern lasse sie von Slawomir Sierakowski verfassen, dem 28jährigen Chefredakteur der linken Zeitschrift Krytyka Polityczna (Politische Kritik), um die sich eine Gruppe gleichen Namens formiert hat.
Trotz aller Gerüchte steht in Polen die Frage im Vordergrund, warum es nach 18 Jahren Demo­kratie nur starke rechtskonservative und konservativ-liberale, aber keine starken linken Parteien gibt. Auffällig ist etwa, dass Umfragen zufolge Menschen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, mehrheitlich für die rechtskonservative PiS von Jaroslaw Kaczynski votieren und nicht für linke Parteien. Dazu muss man wissen, dass die ideologischen Unterschiede zwischen den Parteien, die es in Westeuropa seit Jahrzehnten gibt, in Polen nicht gelten. Charakteristisches Merk­mal der Politik in Polen ist, dass Programme weniger zählen als die Vergangenheit und die Bio­graphien der Parteivorsitzenden und der Mitglieder.
Das im Jahr 2006 gegründete Bündnis LiD bestand aus vielen größeren und kleineren Parteien, die zwei wichtigsten waren der Bund der Demokratischen Linken (Sojusz Lewicy Demokratycznej, SLD) und die Demokratische Partei (Partia Demo­kratyczna, PD). Es ist schwierig, sich zwei unterschiedlichere Parteien vorzustellen.

Der SLD, dem auch Olejniczak angehört, änderte seit 1989 zwar mehrmals seinen Namen, dennoch gilt er als Nachfolgepartei der ehemaligen Staatspartei PZPR. Und das ist ein wichtiger Grund dafür, dass viele Menschen mit linksliberaler Über­zeugung sich eher für die PiS entscheiden. Die PiS propagiert ebenfalls Programme zur Unterstützung der Armen, aber – und das ist für viele ihr wichtigster Pluspunkt – sie hat keine kommu­nistische Vergangenheit. Die Anhänger des SLD sind vor allem ehemalige einfache Mitglieder der kommunistischen Staatspartei. Und diese sind überwiegend Gegner politischer Reformen.
Die andere Partei, die für das Wahlbündnis LiD bestimmend war, ist die Demokratische Partei. Sie wurde von bekannten politischen Aktivisten gegründet, von denen die meisten aus der ehemaligen antikommunistischen Opposition stammen wie Bronislaw Geremek, Marek Edelman oder Tadeusz Mazowiecki. Diese Personen werden in der polnischen Gesellschaft geschätzt, aber offensichtlich fällt es ihnen schwer, ihren guten Ruf für politische Erfolge zu nutzen. Die meisten von ihnen verstehen sich als Liberale, aber ein aussagekräftiges Programm haben sie nicht.

Die Gündung des Bündnisses war LiD der erste Versuch, die postkommunistischen Spaltungen zu überwinden und eine neue Linke in Polen zu schaffen. Zu Beginn herrschte Aufbruchstimmung, da viele Menschen wirklich daran glaubten, der Zusammenschluss könnte ein neuer Anfang für die polnische Linke sein. Sehr schnell wurde aber deutlich, dass kein gemeinsames Programm vorhanden war. Stattdessen stellte sich heraus, dass das Bündnis allein aus rivalisie­renden Interessengruppen bestand. Das einzige, was sie gemeinsam hatten, war der Name. Das Bündnis bestand sehr schnell ausschließlich aus sich gegenseitig bekämpfenden und streitenden Fraktionen. Bei den Parlamentswahlen im Ok­tober kam es auf 13 Prozent.
Olejniczak lud kurz nach dem Ende des Bündnisses einige Politiker der Demokratischen Partei ein, in den SLD zu wechseln. Was er dagegen ka­tegorisch ablehnt, ist ein erneutes Bündnis aus mehreren Parteien. Inzwischen behauptet er, die Demokratische Partei sei für einen solchen Zusammenschluss einfach zu liberal gewesen. »Wir müssen ein erfolgreiches Programm zur Bildung eines Sozialstaats in Polen vorlegen«, sagte er in einem Interview der Tageszeitung Gazeta Wyborcza. Es ist aber nicht klar, ob dieser Plan in einer Partei mit so vielen Reformgegnern verwirklicht werden kann. Im August soll ein Parteitag des SLD stattfinden. Dann wird sich zeigen, ob Olejniczak noch der Vorsitzende sein wird oder nicht.