Das Verhältnis der Niederländer zur Monarchie

Alles in Orange

Der Jahrestag der Krönung der niederländischen Königin ist eine Demonstration des Hedonismus. Dabei ist die Frage »Republik oder Monarchie« durchaus noch von politischer Relevanz.

Wasserwerfer, Heckenschützen und ein Riesenaufgebot der Aufruhrpolizei »Mobile Einheit«: Das Zentrum der Hauptstadt glich einer Festung, als Königin Beatrix am 30. April vor 28 Jahren den Thron bestieg. Unter der Losung »Keine Woh­nung, keine Krönung« hatten Kraker das geplante Volksfest zu Ehren der neuen Königin zum Podium für einen landesweiten Hausbesetzungstag gemacht. Dafür bekamen sie Unterstützung von den Autonomen bis zur Chefredaktion der Zeitung Volkskrant, die schrieb: »Allzu oft hat Oran­jegetöse wie eine Decke über gesellschaftlichen Konflikten gelegen.« An Königin Beatrix’ Krönungs­tag sollte das anders werden. Am Ende ging der »Krönungsaufruhr« mit stundenlangen Straßenschlachten, Plünderungen und dem Abwurf von 4 400 Tränengasgranaten als schwerster Riot des Landes in die Geschichte ein.
Nichts erinnert heute an diese Zustände, wenn sich am 30. April, dem Krönungsfeiertag, viele Plätze der großen Städte wie jedes Jahr in Open Air Festivals verwandeln, mit einer unabsehbaren Reihe von Flohmarktständen, die zur Feier des Tages keine Genehmigung brauchen. Vom Banker bis zum Baggerfahrer tummeln sich alle auf Booten, angetan mit orangefarbenen Klamotten und Perücken, der Farbe des niederländischen Königshauses Oranje. Ausländische Touristen sehen darin oft das Klischeebild der fröhlichen, freisinnigen Holländer, die es sogar verstünden, ihrem Royalismus einen lässigen Anstrich zu geben. Dabei ist die Party am Geburtstag der 2004 verstorbenen Königinmutter Juliana eine apolitische Veranstaltung: Den meisten Menschen dient der Tag als Vorwand für einen planmäßigen Exzess mit Bier und Drogen. Das zur Schau gestellte Orange ist eher Folklore als eine Demon­stration monarchistischer Gesinnung.
Das hier zelebrierte Primat der Party über die Politik folgt einem der Hauptargumente, das Befürworter konstitutioneller Monarchien vorbringen: Dem Königshaus komme vor allem eine repräsentative Funktion zu – politische Einflussnahme sei dagegen ausgeschlossen. Dass dies in den Niederlanden keinesfalls zutrifft, wird die republikanische Bewegung nicht müde zu betonen.

Vor allem die Rolle des Königshauses bei der Regierungsbildung steht in der Kritik. In geheimen Gesprächen lotet die Monarchin mit den Fraktionsvorsitzenden mögliche Koalitionen aus, um dann einen Informateur mit der Leitung der weiteren Verhandlungen zu beauftragen. Ferner ist sie – nicht stimmberechtigte – Vorsitzende des Staatsrats, der dem Kabinett zur Seite steht, unterzeichnet die vom Parlament verabschiedeten Gesetze und trifft den Ministerpräsidenten wöchentlich zum »vertraulichen Meinungsaustausch«. Die Macht der Oranjes liegt damit in informellen Grauzonen. Dass es mit Heimlichkeiten zugeht, ist den Monarchisten ein liebenswertes Ritual, ihren Gegnern jedoch Grund zum Miss­trauen.
Eine Forderung der Republikaner ist daher, »Pa­lastgeheimnisse« durch offene Parlamentsdebatten zu ersetzen. Allerdings, so räumt Manon van der Garde von der monarchiekritischen Gruppierung Nieuw Republikeins Genootschap ein, könnte dies auch schon die Maximalforderung sein, denn Umfragen ergeben immer wieder eine deut­liche Mehrheit für den Fortbestand der Monarchie. »Eine Republik ist zurzeit politisch nicht mach­bar, also muss man sehen, was möglich ist. Und das ist die Modernisierung der Oranjes.« Mit deren Beschränkung auf eine rein »zeremonielle Funktion« sei auf dem Weg zu einer starken republikanischen Strömung schon viel gewonnen, davon ist van der Garde, der Fraktionsvorsitzende der Amsterdamer Sozialdemokraten, überzeugt.

Von einer solchen Bewegung träumte einst auch die Sozialistische Partei (SP). Zwei Forderungen ihres alten Grundsatzprogramms machten aus den volkstümlichen Rebellen dennoch Bürgerschrecks: der Austritt aus der Nato und die Ab­schaf­fung des Königshauses. In den neunziger Jah­ren entledigte sich die aufstrebende Partei, die inzwischen mit 20 Prozent der Wählerstimmen rechnen kann, ihrer beiden alten Forderungen. Resigniert stellt der Fraktionsvorsitzende der SP, Jan Marijnissen, fest, dass »eine seriöse Debatte über den Bestand der Monarchie nicht möglich« sei, während sein Parteikollege, der Senator Ronald van Raak, nach Gründen für die gestiegene Popularität der königlichen Familie sucht. Fündig wurde er bei Maxima, der argentinischen Frau des niederländischen Thronfolgers Willem-Alexander. Ihre Biographie sorgte vor Jahren für Auf­sehen, weil ihr Vater Mitglied der argentinischen Militärjunta war. Inzwischen gilt sie noch vor der Königin als beliebtestes Mitglied des Hauses Oranje – was für die These spricht, dass die monarchistische Gesinnung der Bevölkerung vor allem an persönliche Sympathien gebunden ist.
Zweifel an dieser Theorie entstehen jedoch durch die Enthüllungen der Volkskrant-Journalistin Anet Bleich, die im Februar eine Biographie über den ehemaligen sozialdemokratischen Premierminister Joop den Uyl veröffentlicht hat. Darin bestätigt sie Gerüchte, dass der Chef des vermeintlich linkesten Kabinetts, das die Niederlande je hatten, in den siebziger Jahren dem Parlament brisante Informationen vorenthielt. Prinz Bernhard, der Gatte der damaligen Königin Ju­liana, war in einen Korruptionsfall um den Kauf von Kampfflugzeugen vom US-amerikanischen Hersteller Northrop verwickelt. Da ihm wegen eines ähnlichen, als »Lockheed-Affäre« bekannten Bestechungsfalls ohnehin ein Strafverfahren drohte, hätte ihn ein weiterer Skandal mit einem Bein ins Gefängnis gebracht – was wiederum den Rücktritt der Königin sowie das Ausscheiden ihrer Tochter aus der Erbfolge unvermeidlich gemacht hätte. Die daraus resultierende Staatskrise hätte wohl nicht nur die Oranjes den Thron, sondern auch den Uyl das Amt gekostet. Denn die traditionell antimonarchistische Sozialdemokratie musste in ihren schwierigen Beziehungen zum Königshaus schon immer vor dem Unmut der konservativen Oranje-Vereinigungen auf der Hut sein.
Wenn man sich nun wieder zum Besäufnis zu Beatrix’ Ehren an der Gracht trifft, ist all das längst vergessen. Arie R. wird dann allerdings nicht mit von der Partie sein. Der ehemalige Matrose wurde im März zu vier Monaten Gefängnis verurteilt, weil er die Königin öffentlich eine »Scheiß­hure« genannt hatte. Bereits im vergangenen Sommer war ein anderer Mann wegen Majestäts­beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt worden.