Die Serben wählen ein neues Parlament

Europa steht zur Wahl

Am Wochenende wird in Serbien ein ­neues Parlament gewählt. Nach der An­erkennung des Kosovo ist die Sympathie für Europa bei vielen Wählern gesunken.

Es ist ein schmutziger Wahlkampf. »Lügner« und »Krimineller« sind Standardvokabeln in den Auseinandersetzungen der serbischen Politiker in den Tagen vor der Wahl am kommenden Sonntag. Auch Schlägereien zwischen Anhängern der Parteien sind keine Seltenheit. Die Polarisierung ist dabei kaum verwunderlich. Denn Ser­bien steht am 11. Mai vor einer Richtungsentschei­dung.
Herbeigeführt hat die vorgezogenen Neuwahlen der bisherige Premierminister Vojislav Kos­tunica von der nationalkonservativen Demokra­tischen Partei Serbiens (DSS). Seit der Unabhängigkeitserklärung der Kosovo-Albaner im Februar beschuldigt er seinen bisherigen Koalitionspartner, die pro-westliche Demokratische Partei (DS) von Präsident Boris Tadic, das Kosovo nicht energisch genug zu »verteidigen«. Mit dem Argument, er habe das »Vertrauen in Tadic verloren«, kündigte Kostunica die Zusammenarbeit auf.
Umstritten war dabei vor allem die Frage der Beziehungen zur EU. Tadic will den Kurs einer Integration Serbiens weiter verfolgen, obwohl die meisten EU-Staaten die Unabhängigkeit des Kosovo unterstützen. Ende April hat er ein Assoziierungsabkommen Serbiens mit der EU unterschrieben. Dagegen fordert Kostunica als Vor­bedingung für eine Annäherung Serbiens an die EU, dass diese den serbischen Anspruch auf das Kosovo ausdrücklich akzeptiert. Das ist frei­lich unrealistisch. Kostunica will damit der EU praktisch den Rücken kehren.
Unterstützung erhalten die beiden Kontrahenten von außerhalb. In einem veröffentlichten Brief versicherte Russlands scheidender Präsident und künftiger Premierminister Wladimir Putin am Wochenende Kostunica ausdrücklich seiner Unterstützung in der Kosovo-Politik. Die EU hingegen unterstützt Tadic.

Angesichts der Auseinandersetzung zwischen Kostunica und Tadic werden neue politische Allianzen möglich. Der »demokratische Block«, der am 5. Oktober 2000 Slobodan Milosevic stürzte, scheint endgültig der Vergangenheit anzugehören. Ins Spiel kommt hingegen die nationalistische Serbische Radikale Partei. Bisher stellte sie die größte Parlamentsfraktion. Eine Regierung konnte sie aber nicht bilden, weil sie keine Koalitionspartner fand. Das scheint sich nun zu ändern. Denn Kostunicas Abwendung von der DS ist mit einer demonstrativen Öffnung gegenüber den Radikalen verbunden.
Eine zentrale Frage ist nun, ob Radikale und DSS am 11. Mai zusammen auch eine Mehrheit bekommen werden. Meinungsumfragen geben ihnen knappe Chancen. Aber selbst wenn sie dies verfehlen, könnte es zu einer Koalition der nationalistischen Kräfte kommen. Denn auch die Sozialistische Partei Serbiens des ehemaligen Präsidenten Slobodan Milosevic wird sicher wieder ins Parlament einziehen. Zumindest in der entscheidenden Kosovo-Frage steht sie an der Seite der Radikalen und der DSS. Ein »pa­trio­tischer Block« unter Einschluss der Sozialisten würde über eine komfortable Mehrheit verfügen.
Auch für das Kosovo werden die kommenden Wahlen entscheidend sein. In den serbischen Landkreisen der Provinz sollen neben den Par­la­ments­wahlen auch die Kommunalwahlen durch­geführt werden, wie im restlichen Serbien. Falls dies tatsächlich gelingt, könnte die Kosovo-Regierung in Pristina kaum mehr behaupten, sie habe die Unabhängigkeit durchgesetzt. Der 11. Mai könnte so auch im Kosovo zu einer Wende ins Ungewisse führen.