Energieunternehmen suchen in Deutschland nach Erdöl

O’zapft wird

Der Anstieg des Ölpreises macht es möglich: Energieunternehmen wollen in Deutschland wieder vermehrt nach Erd­öl bohren. Doch Fachleute bezweifeln den ­Erfolg.

Leigh A. Hooper hat Grund zur Freude. Während Autofahrer an den Tankstellen verzweifeln, kurbeln die weltweit steigenden Ölpreise sein Geschäft an. Vor drei Jahren übernahm der deutsche Unternehmer von Bad Homburg aus die ­Activa Resources Ltd. im US-Staat Texas und machte dort große Gewinne mit der Ölförderung. Nun kommt Hooper zurück. Ausgerechnet in Deutschland will er sich auf die Suche nach dem Rohstoff machen. Denn auch hierzulande soll sie sich dank der Rekordpreise wieder lohnen.
Im April hat Hooper die Lizenz vom Bayerischen Wirtschaftsministerium erhalten, im Süden des Bundeslandes nach Erdöl zu suchen. Es wird nicht lange dauern, bis er fündig wird. Dass in der Region Öl lagert, ist seit Jahrzehnten bekannt. Es sind meist kleine, alte Felder, auf die andere Unternehmen bereits in den achtziger Jahren gestoßen sind und die nicht vollständig leergepumpt wurden. In Deutschland ist es wegen der geologischen Verhältnisse sehr aufwändig, nach Öl zu bohren. Das Feld nahe der Ortschaft Kingsau wurde gar nicht erst angezapft. Das möchte Hooper ausnutzen. »Dort hat nie jemand gefördert, weil Mitte der Achtziger der Ölpreis auf rund zehn Dollar gesunken ist. Damals hat sich das nicht gelohnt.« Das hat sich ge­ändert. Der Leiter von Activa glaubt, schon bei einem Preis von 50 Dollar pro Barrel gewinnbringend fördern zu können.

Auch andere Unternehmen hoffen auf steigende Gewinne aus deutschem Erdöl. So hat die Kasseler Wintershall AG eine so genannte Explorationsbohrung für diesen Herbst im bayerischen Aitingen angesetzt, wo das Unternehmen bereits seit Ende der siebziger Jahre Öl fördert. Das bestehen­de Feld soll erweitert werden. So wurden allein in Bayern in diesem Jahr bereits zwei neue Konzessionen für die Suche nach Erdöl vergeben. Zum Vergleich: So viele wurden dort insgesamt zwischen 1984 und 2008 ausgestellt.
Auch nach Gas wird derzeit wieder verstärkt gesucht. In Niedersachsen, wo mit Abstand die größte Menge an Öl und Gas in Deutschland gefördert wird, wurden in den vergangenen Monaten vier neue Konzessionen für die Suche nach beiden Rohstoffen erteilt. »Die für die Exploration genehmigte Fläche nimmt Jahr für Jahr zu«, sagt Michael Pasternak vom Niedersächsischen Landesamt für Geologie. Auch er sieht einen Zusammenhang mit dem derzeit hohen Ölpreis.
Leigh A. Hooper hofft, in Bayern sogar auf gänz­lich neue Vorkommen zu stoßen. Er hält den Boden in Deutschland für »unterexploriert«. Ver­besser­te Messverfahren wie die »3-D-Seismik« könnten die Gesteinsschichten genauer abbilden als ältere. Michael Pasternak glaubt nicht an neue Entdeckungen: »Echte weiße Flecken gibt es in Deutschland nicht.« Diese Einschätzung teilen auch seine Fachkollegen vom Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe.
Da verwundert es nicht, dass zahlreiche Testbohrungen auf vieles treffen, nur nicht auf Öl. Dem Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewin­nung (WEG) zufolge blieben alle sechs Bohrungen, die im vergangenen Jahr auf der Suche nach Öl- und Gasfeldern durchgeführt wurden, ohne Erfolg. Zwar wird derzeit wieder häufiger gesucht – dafür aber weniger gefunden, trotz besserer Technik. »Eine Goldgräberstimmung gibt es nicht«, sagt der Verbandssprecher Hartmut Pick. Neue Firmen wie Activa seien die Ausnahme.

Es sind die großen Öl- und Gasförderunternehmen wie RWE Dea, Wintershall oder Exxon Mobil, die den deutschen Markt beherrschen. Vor allem in Norddeutschland und im Alpenvorland stehen ihre Bohrtürme. Etwa 3,5 Millionen Tonnen Erdöl werden dort im Jahr gefördert. Im Vergleich zum Verbrauch ist das allerdings eine verschwindend geringe Menge. Nur drei Prozent des jährlichen Mineralölbedarfs in Deutschland werden aus dem Inland gedeckt, wie Daten des WEG bele­gen. Beim Erdgas liegt der Anteil bei immerhin rund einem Fünftel.
Wenn derzeit neues Öl gefunden wird, dann meist in der Nähe alter Felder, die nicht komplett ausgebeutet wurden. Unternehmen haben dort zum Teil ihre Bohrtürme einfach abgebaut, als die Preise sanken. Manchmal ist es auch einfach Glück, das zum Öl führt. Während einer Boh­rung für ein Erdwärmekraftwerk nahe der Stadt Speyer im Jahr 2006 wurde eher zufällig ein Ölfeld entdeckt. Der französische Konzern Gaz de ­France führt in dem Gebiet nun Probebohrungen durch.
Doch es dauert häufig viele Jahre, bis tatsächlich Öl gefördert werden kann. Die aufwändigen seismischen Messungen, die Verhandlungen mit den Geländebesitzern und die eigentliche Boh­rung können durchaus zehn Jahre Zeit in Anspruch nehmen und mehrere Millionen Euro kos­ten. Wie sich in dieser Zeit der Ölpreis entwickelt, kann niemand mit Sicherheit vorhersagen. Auf ein so niedriges Niveau wie in den Achtzigern wird er jedenfalls nicht mehr fallen.
Außerdem müssen die Bohrwerkzeuge in Deutschland sehr weit ins Gestein vordringen. Das Öl liegt bis drei Kilometer tief. Noch dazu ist auf seine Qualität kein Verlass. In der wichtigsten Förderregion Niedersachsens wird der Roh­stoff mit über 95 Prozent Wasser aus der Erde gepumpt. Beide Flüssigkeiten zu trennen, erhöht den Aufwand zusätzlich. Im niedersächsischen Emlichheim, einer der ältesten deutschen Ölförderstätten, konnte Wintershall nur mit großem Aufwand die jährlichen Förderquoten aufrecht­erhalten. Seit Anfang der Achtziger wird heißer Dampf in das unterirdische Feld gepresst, um den Öldruck künstlich zu erhöhen. Normalerweise lohnt es sich für einen Förderer nur, etwa ein Drit­tel eines Feldes auszubeuten, weil die träge Flüssigkeit schnell an Druck verliert.
Doch auch solche Maßnahmen konnten nicht verhindern, dass die Förderung in Deutschland zurückgeht. Im ersten Quartal dieses Jahres lag die Ölproduktion dem WEG zufolge fast zehn Pro­zent niedriger als noch ein Jahr zuvor. Falls es kei­ne größeren Überraschungen mehr gibt, werden die deutschen Quellen nach Berechnungen des Niedersächsischen Landesamts für Geologie in ungefähr 13 Jahren leergepumpt sein.

Die Energiekonzerne geben sich gelassen. »Bei dem hohen Ölpreis können wir aus bestehenden Feldern länger fördern als bisher geplant. Das schafft neue Reserven«, sagt der Verbandssprecher Pick. Die Fachleute aus Niedersachsen glauben allerdings nicht, dass sich die bestehenden Vorräte dadurch deutlich erhöhen lassen. Wenn die bekannten Felder versiegen, bleibt nur die Möglichkeit, noch tiefer liegende anzubohren. Das dürfte sich aber noch nicht einmal bei den derzeitigen Ölpreisen rechnen. Denn die Bohrfirmen, die ihr Gerät an die Ölsucher vermieten, verdienen derzeit ebenfalls so gut wie seit Jahren nicht mehr. Sie haben ihre Preise einfach der Entwicklung angepasst.
Doch Leigh A. Hooper lässt sich nicht verunsichern. Er sieht ein sicheres Geschäft mit dem Öl in der süddeutschen Erde und gibt sich auch mit kleinen Mengen zufrieden. »Die großen Ölförderer interessieren sich nicht für Felder mit wenigen Millionen Barrel. Für kleinere Unternehmen wie uns sind sie aber hochlukrativ«, sagt er. In den USA war er mit dieser Idee offenbar erfolgreich. Bei Produktionskosten von etwa 20 Dollar pro Barrel konnte der Vorstandsvorsitzende von Ac­tiva die Ware für teilweise 110 Dollar verkaufen. Da ist es egal, woher das Öl kommt und wie lange es noch fließt.