Schwarz sehen

Wie gefiele Ihnen das folgende Szenario? Sie haben, als Sie gestern mit der Straßenbahn unterwegs waren, in der Eile versehentlich vergessen, einen Fahrschein zu lösen. Ein Kontrolleur erscheint, packt Sie brutal und wirft Sie »in eine rätselhaft anmutende Vorrichtung«. Sie verlieren das Bewusstsein und erwachen später verwirrt im Dunkeln in einem kargen Zimmer, von dem Sie nur erfahren, dass es sich um den »Aufwachraum für Schwarzfahrer« handelt. Die Frau, die den Raum betritt, betrachtet Sie »unverhohlen als eine Art Ungeziefer« und sagt: »Ich bin gehalten, Sie darauf hinzuweisen, dass Sie beim nächsten Mal nicht so einfach davonkommen. Die Transportgesellschaft ist ermächtigt, Wiederholungstäter sehr streng zur Rechenschaft zu ziehen und gegebenenfalls zu exekutieren.«
Glauben Sie mir: Wenn es einen Ort auf der Welt gibt, an dem Sie nie und nimmer leben wollen, ist es der Kopf Eugen Egners. Liest man seine finster-grotesken Erzählungen, die dem Geschehen von Alpträumen nachempfunden sind und, was die beklemmende Atmosphäre angeht, die sie wachrufen, stark an die literarischen Welten von H.P. Lovecraft oder Franz Kafka erinnern, wird einem schmerzhaft bewusst, dass es sich bei 90 Prozent der Druckerzeugnisse, die hierzulande die Regale der Buchhand­lungen verstopfen, um sterbensödes Geschreibsel handelt. Übrigens … Jetzt, wo Sie gerade hier sitzen und diesen Text lesen, könnte es nicht schaden, wenn Sie sich mal umdrehen: »Schob sich da nicht etwas Wulstiges, Deformiertes in den Türspalt?«

Eugen Egner: Schmutz. Edition Phantasia, Bellheim 2008, 175 Seiten, 17 Euro