Der neue gute Onkel

Manchmal drängt sich der Verdacht auf, die SPD veranstalte regelmäßig am Anfang der Woche eine Verlosung. Alle Lose gewinnen, bis auf eins. Wer die Niete zieht, muss den »guten Onkel« geben, eine Woche lang. Das Thema, bei dem der Verlierer eine soziale Ader mimen muss, ist nicht vorgegeben. So sucht sich jeder eines aus, zu dem er meint, etwas sagen zu können, das schlau und sozial klingt.
Franz Müntefering wollte seinerzeit schon für die »kleinen Leute« den Kapitalismus bändigen und schimpfte auf »Subventionsheuschrecken«. Kurt Beck verliert so regelmäßig beim Spiel »Guter Onkel«, dass ihm schon nichts Konkretes mehr einfällt und er in seiner Verzweiflung gleich ganz Europa sozialer machen will. »Das soziale Europa muss das zentrale Zukunftsprojekt der europäischen Sozialdemokratie sein«, sagte der Parteivorsitzende vorige Woche.
Diese Woche hat Sigmar Gabriel die Karte gezogen. Für ihn, der für sich selbst mit dem Slogen »Kraftvoll. Sozial. Gerecht« wirbt und seit langem hauptberuflich in der Politik tätig ist, war es ein Leichtes, das passende Thema zu finden. Angesichts der weiteren Erhöhung des Erdgaspreises um geschätzte 40 Prozent noch in diesem Jahr sprach er von Sozialtarifen für Energie, wie es sie in anderen Ländern bereits gebe, und fragte, »warum das bei uns so schwer umsetzbar ist«. Den Gaspreis vom Ölpreis zu entkoppeln, forderte er auch, aber das taten fast alle. Und wahrscheinlich war er neidisch auf den Kollegen aus der CDU, der sagen durfte: »Wir müssen darauf achten, die Lasten für die Leistungsträger dieser Gesellschaft nicht immer weiter in die Höhe zu treiben.«
Der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor­sicherheit, der ansonsten die Hände voll zu tun hat, mit so genannten Reststrommengen, Laufzeitverlängerungen und Strommengenübertragungen zu jonglieren, hat sich dennoch wacker geschlagen. Und eine Woche geht auch schnell vorbei. Als nächster ist wohl wieder Kurt Beck dran.