Das Kopftuch soll an türkischen Universitäten wieder verboten sein

Richtiges falsch gemacht

Das türkische Verfassungsgericht hat entschieden, dass das Kopftuchverbot an den Universitäten weiterhin bestehen soll. Es hat damit eine frauenfeindliche, aber demokratische Entscheidung des Parlaments gekippt.

Türkische Universitäten bleiben zunächst von Kopftüchern frei, und das ist auch gut so. Weniger positiv zu bewerten ist dagegen die Art und Weise, wie dies durchgesetzt werden musste. Das türkische Verfassungsgericht, eine Institution, die vor allem mit Richtern besetzt ist, die der kemalistischen Opposition nahe stehen, hat am Donnerstag voriger Woche die anders lautende Gesetzesänderung aufgehoben. Diese wurde vom Parlament, in dem die streng islamisch ausgerichtete AKP die Mehrheit hat, in einem demokratischen Verfahren Ende März beschlossen. Ein Schritt in Richtung schleichender Aufhebung des laizistischen Staatsprinzips, das in der türkischen Verfassung verankert ist?
Auch das. Aber vor allem ein Schritt in die Richtung, den Druck auf Frauen zu erhöhen, die sich nicht dem Gebot der Verschleierung beugen wollen. Es ist leichter, sich dem Kopftuch zu widersetzen, wenn es sowieso nicht erlaubt ist, als sich in einer anderen Situation gegen die geballte (Argumentations-) Macht der familiären und befreundeten Befürworter der Verschleierung durchzusetzen. Da darf man sich nichts vormachen.
Frauen, die kein Kopftuch oder keinen Schleier tragen, geraten dann ganz schnell in den Verdacht, ungläubig, unrein, im schlimmsten Fall Huren zu sein, die es wagen, vor der Ehe ihre Jungfräulichkeit aufs Spiel zu setzen. Welche Frau hat schon Lust dazu, als Hure betrachtet zu werden und sich auch noch der Gefahr auszusetzen, zu »Freiwild« zu werden? Was schnell damit einhergeht, sind weitere Beschränkungen, institutionell untermauert oder auch nicht. Auch Lehrer in Deutsch­land klagen: keine Teilnahme an Klassenfahrten, der Sport- und Schwimmunterricht wird gestrichen, nicht zu reden vom Sexualkundeunterricht.
Das Verfassungsgericht hat nicht mit den Rechten der Frauen argumentiert, sondern begründete die Beibehaltung des Kopftuchverbots an den Universitäten damit, dass die Regierung »gegen die säkularen Grundwerte der Republik gehandelt habe«. Demnach wäre der Parlamentsbeschluss verfassungswidrig. Verfassungswidrigkeit ist wiederum das entscheidende Argument im drohenden Verbotsverfahren gegen die Regierungspartei AKP, das dem Verfassungsgericht vorliegt.
Nicht nur, dass es von Seiten der AKP bereits Überlegungen gibt, eine neue Partei zu gründen oder Neuwahlen anzustreben, die der Partei neusten Umfragen zufolge noch mehr Stimmen – bei der vorigen Wahl waren es 47 Prozent – bescheren könnten. Vielleicht werden islamische oder islamistische Parteien irgendwann die Mehrheit haben und dann das Land kurzerhand mit Hilfe der bestehenden Institutionen in ein islamisches Regime verwandeln. Es wurde ihnen ja oft genug vorgemacht, wie man unliebsame politische Konkurrenten fernhält und die eigenen Vorstellungen durchsetzt.
In der AKP gibt es bereits Überlegungen, das Verfassungsgericht zu entmachten und zu reformieren. Wenn die AKP im nächsten Parlament eine Zweidrittelmehrheit hätte, könnte sie dies alles zu ihren Gunsten verändern. Damit säße sie dann am Hebel der Macht.