Die US-Botschaft in Berlin und das deutsch-amerikanische Verhältnis

New home, sweet home

Die US-Botschaft am Brandenburger Tor ist fertig und bereit für den Einzug der Diplomaten. Hämische Urteile über das Gebäude spiegeln das gegenwärtige Verhältnis zwischen Deutschen und Amerikanern wider.

Mit den Worten »Hässlich, aber sicher« überschrieb Welt online einen Artikel, in dem der ehemalige Berliner Staatssekretär Hans Stimmann die Architektur der neuen US-Botschaft verriss. Miriam Böttger fragte auf der Website des ZDF diesbezüglich: »Provinztankstelle oder Flughafen­hotel?« Das gesamte Gebäude sei »bezugs- und charakterlos« und sage aus: »Ich habe Angst, ich bin massig, kommt bloß nicht rein zu uns.« Der Berliner Tagesspiegel sieht in dem Neubau eine »Banalität des Designs«, ein »Dutzendbauwerk mit allerlei Versatzstücken, doch ohne innere Fol­gerichtigkeit«. Die FAZ interpretiert die »Botschaft dieser Botschaft« als »eine Mischung aus Hysterie und Nostalgie«. Mit dem Gebäude »knallt Amerika eine durchschnittliche Provinzverwaltungszentrale aus New Jersey an den Pariser Platz, die den Deutschen zeigt, wie große Teile von Amerika halt gerade aussehen; schlecht verarbeitet, verängstigt, nostalgisch, heruntergekommen«.

Kurz nach der Wiedervereinigung fiel die Entscheidung, die Botschaft der Vereinigten Staaten wieder am Brandenburger Tor anzusiedeln. Wobei »wieder ansiedeln« eigentlich falsch ausge­drückt ist. Wegen des Verlaufs der Geschichte blieb die Botschaft am Pariser Platz mehrere Diplomatengenerationen lang unerreichbar. Die USA hatten das Grundstück im Jahr 1931 für ihre Botschaft gekauft, aber danach kaum nutzen können. An einen sofortigen Einzug war zu der Zeit nicht zu denken, da das vorhandene Gebäude durch einen Brand beschädigt worden war. Auch hatte die Regierung in Washington wegen der Großen Depression zunächst andere haushaltspolitische Prioritäten als die Instandsetzung.
Während der Zeit des Nationalsozialismus wollte man dort zunächst auch nicht investieren, bis die von Albert Speer groß angelegte Umgestaltung der Stadt Berlin den Umzug der bisherigen US-Botschaft nötig machte. Als das Botschafts­gebäude am Pariser Platz restauriert war und zum Einzug bereit stand, fehlte der Botschafter. Denn er war nach der Pogromnacht vom 9. November 1938 aus Deutschland abgezogen worden. Bis zur Kriegserklärung 1941 blieb die Vertretung ohne Chefrepräsentanten, und danach gab es erst recht keinen Grund, sich in Deutschland in Diplomatie zu üben.
Nach dem Krieg wurde die Gegend um das Brandenburger Tor bekanntlich zum Grenzgebiet und das beschädigte ehemalige Botschaftsgebäude Ende der fünfziger Jahre abgerissen. Für gut 30 Jahre blieb das Gelände ungenutzt. Bis das Brachland östlich der Mauer nach 1989 plötzlich zur ersten Adresse Berlins avancierte.

Im Jahr 1995 erfolgte eine öffentliche Ausschreibung nach den strengen Maßgaben des Bebauungs­plans der Stadt für den Pariser Platz. Das kalifornische Architekturbüro Moore Ruble Yudell erhielt den Zuschlag, die ursprünglich mit 180 Millionen Dollar veranschlagte Residenz zu errichten. Um 40 Millionen Dollar kürzte der republikanisch geführte Kongress später den Bau­etat. Als Folge der Autobombenattentate auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania 1998 erließ die US-Regierung deutlich strengere Bauvorschriften für ihre Botschaftsgebäude in aller Welt. Unter an­derem sollte künftig ein Sicherheitsabstand zwischen dem Botschaftsgebäude und der nächsten Straße gewährleistet sein. Auch sollten bautechnische Maßnahmen die Gebäude gegen solche An­schläge wappnen.
Danach hätte der Plan einer Botschaft am Brandenburger Tor eigentlich aufgegeben werden müssen. Statt sich jedoch an die eigenen Vorschriften zu halten, entschied das amerikanische Außenministerium, an dem Projekt festzuhalten. Dafür wurden die Baupläne wegen des gewachsenen Sicherheitsbedürfnisses geändert. Wo es nicht anders ging, machte die US-Regierung Zugeständnisse an den Berliner Senat. So wird es, entgegen den US-amerikanischen Richtlinien, keine Wachhäuser auf dem Pariser Platz geben.
Dennoch wird vermutlich im kollektiven Gedächtnis hierzulande eher der Zank der vergangenen Jahre mit der Berliner Landesregierung haften bleiben.

Am 4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, wird erstmalig ein US-Botschafter am Pariser Platz seine Arbeit aufnehmen. Am nächsten Tag wird es eine Party geben. Trotz allem. Denn nach der jüngsten Pew-Studie haben nur 31 Prozent der Deutschen eine positive Einstellung zu den USA. Der noch amtierende Präsident George W. Bush erhält seit Jahren in Umfragen besonders niedrige Werte. Nur 14 Prozent der Bevölkerung haben etwas für ihn übrig – in den USA genießt Bush immerhin eine doppelt so hohe Zustimmung. Nach Jahren der Kriege und sonstiger umstrittener Politik der US-Regierung ist das deutsch-amerikanische Verhältnis abermals an einem Tiefpunkt angelangt. Unter den deutschen Linken dürften die Umfragewerte sogar noch tiefer liegen als im Rest der Bevölkerung.
Das könnte sich bald ändern. Über 80 Prozent der Deutschen setzen ihre Hoffnung in die Wahl des Senators Barack Obama zum US-Präsidenten. Sollte das geschehen und sollten die Demokraten wie erwartet ihre Mehrheit im Kongress deut­lich vergrößern – und tatsächlich ernsthafte Bemühungen für einen außenpolitischen Neubeginn unternehmen –, könnte die Stimmung nächstes Jahr schon ganz anders sein. Vielleicht verbessert schon der Besuch Obamas in Berlin, der Berichten zufolge noch für diesen Juli geplant ist, das deutsch-amerikanische Verhältnis.
Noch überschlagen sich die Kritiker in ihrem Bemühen, die neue US-Botschaft in ein schlechtes Licht zu rücken, und finden plötzlich erstaunlich freundliche Worte für die anderen Gebäude des Ensembles, das das Brandenburger Tor umgibt. Besonderes Lob gilt dem angrenzenden Gebäude der DZ-Bank mit seinen großen Fenstern und der aufgebrochenen Fassade. Auch die daneben liegende Akademie der Künste mit ihrer kalten Glasfassade wird über die Maßen gelobt. Streng genommen verstoßen beide Gebäude mit ihren zum großen Teil aus Glas bestehenden Fassaden gegen die Anfang der neunziger Jahre vom Berliner Senat für den Platz beschlossenen Gestaltungsregeln, während man sich mit der US-Botschaft ironischerweise eher daran zu halten versuchte.
Überhaupt sieht man, wenn man sich auf dem Pariser Platz oder im Regierungsviertel umsieht, fast nur misslungene Bauten aus den vergangenen 20 Jahren. Die Mischung aus sandsteinfarbener Restauration und repräsentativem Eurokitsch ist eine Strafe fürs Auge. Sollte das Berliner Stadtschloss wie geplant wieder aufgebaut werden, wird es noch schlimmer in der Gegend. Da wünscht man sich geradezu mehr New Jersey und weniger Neue Mitte.