Neue Visionen

Eigentlich müssten sich die Regierungschefs der G8-Staaten bei der globalisierungskritischen Bewegung bedanken. Denn vor allem deren Aktivitäten haben sie es zu verdanken, dass sie sich in beschaulichen Kurorten statt in hektischen Großstädten treffen dürfen. In Japan sorgen 20 000 Polizisten dafür, dass die Politiker in der Abgeschiedenheit der Kleinstadt Toyako nicht gestört werden. Zur Eröffnung des Gipfels am Montag demons­trierten 150 Menschen, am Wochenende hatten sich im nahe gelegenen Sapporo etwa 5 000 versammelt. Lästiger waren wohl die hochrangigen Nörgler. UN-Gene­ral­sekretär Ban Ki-moon und Jakaya Kikwete, Präsident Tanzanias und derzeit Vorsitzender der Afrikanischen Union, erinnerten an die Zusagen, die Entwicklungshilfe zu erhöhen. So hatte die Bundesregierung in den siebziger Jahren versprochen, 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe aufzuwenden. Derzeit sind es 0,37 Prozent.
Von ihrem liebsten Hobby werden sich die Regierungschefs wohl nicht abbringen lassen, neue Versprechen werden vor allem im Bereich der Nahrungsmittelhilfe erwartet, während die Weltbank auf das Geld wartet, das beim Gipfeltreffen über die Ernährungskrise zugesagt wurde. Es darf auch weiter geträumt werden. »Wir haben gemeinsam eine langfristige Vision«, hieß es im vergangenen Jahr in der Abschlusserklärung. Die Regierungschefs wollten die »Emissionen von Treibhausgasen verlangsamen, stabilisieren und schließlich erheblich verringern«. Die »neue, gemeinsame Vision«, die José Manuel Barroso, Präsident der Europäischen Kommission, propagiert, sieht eine Reduzierung der Emissionen um 50 Prozent bis zum Jahr 2050 vor. Da alle Gipfelteilnehmer dann bereits tot oder senil sein werden, kann sie auch niemand mehr an das Versprechen erinnern. js