Die Rückkehr der Sozialisten
Es klingt unglaublich, aber es ist wahr. In Serbien sitzen seit Montag vergangener Woche die Erzfeinde der neunziger Jahre in einer Regierungskoalition: Die pro-westliche Demokratische Partei (DS) hat mit der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS) ein politisches Bündnis geschlossen. Die Erben des 2003 ermordeten Zoran Djindjic zeigen sich in freundlicher Umarmung mit den Anhängern des 2006 in Untersuchungshaft in Den Haag gestorbenen Slobodan Milosevic.
Und es kommt noch toller: Es handelt sich nicht um ein reines Zweckbündnis. Demokraten und Sozialisten wollen eine »Versöhnungsdeklaration«, ein gemeinsames programmatisches Dokument unterzeichnen. Der Vorsitzende der DS und amtierende Staatspräsident, Boris Tadic, fordert ein »Ende der alten Grabenkämpfe«. Eine »neue Zeit« solle beginnen. Denn abgesehen von allen Konflikten der Vergangenheit verfügten Demokraten und Sozialisten doch über ein »gemeinsames Wertesystem«. Zusammen solle in Zukunft für ein »soziales und demokratisches Serbien« gestritten werden.
Das Bündnis ist eine Überraschung für die meisten Serben. Denn die Milosevic-Sozialisten galten bisher als fester Bestandteil des »patriotischen Blocks«. Nach den Wahlen am 11. Mai hätten sie rechnerisch mit der Serbischen Radikalen Partei und der Liste des bisherigen Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica eine Koalition bilden können. Dass sie sich nach wochenlangen Debatten für die Demokraten entschieden haben, ist auf den zweiten Blick aber nicht so erstaunlich.
Denn tatsächlich hat sich die serbische Gesellschaft in den vergangenen Jahren verändert. Die DS ist nach der Ermordung des Deutschland freundlich gesonnenen Djindjic unter der Führung von Tadic wesentlich nationalistischer geworden. Der Präsident lässt keine Gelegenheit aus zu betonen, dass er das Kosovo als Bestandteil Serbiens betrachtet. Die Sozialisten andererseits haben nach dem Sturz des nationalpopulistischen Milosevic in der Opposition die sozialen Themen neu entdeckt. Ihren Wahlkampf führten sie mit den Versprechen, Arbeitsplätze zu schaffen, ein kostenloses Bildungs- und Gesundheitssystem zu etablieren und die Renten zu erhöhen.
Die neue Regierung wird zwar nur wenige dieser Versprechen auch einlösen, und sicher werden die Funktionäre in erster Linie ihre persönliche soziale Frage lösen und den Staatshaushalt als Selbstbedienungsladen betrachten. Dennoch ist die neue Regierung zu begrüßen, denn die Entscheidung der Sozialisten verhindert einen drohenden Rückfall in die neunziger Jahre. Ein Regierungsbündnis unter Führung der rechtsextremen Serbischen Radikalen Partei (SRS) wäre im Kosovo auf direkten Konfrontationskurs gegangen. Mit unabsehbaren Folgen.
Positiv ist die neue Regierung vor allem auch aus geschichtspolitischer Sicht zu bewerten. Mit der Abwahl des klerikal-nationalistischen Kostunica verschwindet der Protagonist der Rehabilitierung der monarchistischen und antikommunistischen Tschetnik-Bewegung aus dem Zweiten Weltkrieg von der politischen Bühne. Das Erbe der Partisanenbewegung wird jetzt wieder stärker zur Geltung kommen. Denn trotz aller Verbrechen, die unter Milosevic in serbischem Namen begangen wurden, muss man den Sozialisten zumindest eines zugute halten: Sie haben immer am Antifaschismus festgehalten. Als im Dezember 2004 das Gesetz zur Rehabilitierung der Tschetniks verabschiedet wurde, stimmte die SPS als einzige Partei dagegen.