Monopole und Preisabsprachen in Deutschland

Der Trend geht zur Tochter

Ob Tchibo und Dallmayr, Chanel und L’Oréal oder Haribo und Ritter – wöchentlich fallen die Namen anderer Unternehmen, wenn es um vermutete oder erwiesene Preisabsprachen geht.

50 Jahre alt ist das Bundeskartellamt geworden und hat sich im Jahr seines Jubiläums gleich mehrfach unbeliebt gemacht. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) brachte es soeben gegen sich auf, als es die freie Übertragung von Bundesligaspielen forderte. Verluste in Milliardenhöhe befürchten die Fußballfunktionäre beim Handel mit den Übertragungsrechten. Die Kartellbehörde genehmigte vergangene Woche nur unter Auflagen, dass der Rechtehändler Sirius des Medienunternehmers Leo Kirch die Rechte an den Bundesliga­spie­len zentral vermarktet. Sie verlangt, dass die Höhepunkte der Samstagspiele weiterhin vor 20 Uhr im öffentlich-rechtlichen oder freien privaten Fernsehen ausgestrahlt werden.
Das Verhältnis zwischen dem Kartellamt und der Vermarktungstruppe der Bundesligavereine ist ohnehin eher angespannt, seit Beamte des Bun­deskriminalamts auf Veranlassung des Kartellamts im Februar die Geschäftsräume des DFB und der DFL durchsuchten, um Belege für illegale Absprachen zu finden.

Häufig ist die Behörde dagegen in letzter Zeit durch widersprüchliche Entscheidungen aufgefallen. Es schien, als sei man angesichts des in der Bevölkerung wachsenden Unbehagens über steigende Verbraucherpreise und das dreiste Geschäftsgebaren der Konzernvorstände einerseits darum bemüht, sich als Kontrollbehörde gegen Monopolstrukturen und Preisabsprachen hervor­zutun, wolle aber andererseits keinen Konzern ernsthaft einschränken.
So wurde etwa im Juli die Fusion von Edeka und Tengelmann mit der Auflage genehmigt, 379 der 2 900 Plus-Filialen abzustoßen. Es fällt schwer nachzuvollziehen, was die »Wettbewerbshüter« dazu bewogen hat, wenn man sie an ihrem eigenen Anspruch misst. Derzeit verfügen die sechs größten Lebensmittelkonzerne, Aldi, Lidl, Edeka, Tengelmann, Rewe und Metro, in Deutschland bereits über einen Marktanteil von etwa 90 Prozent. Die Fusion von Edeka und Plus verstärkt diese Marktkonzentration noch.
»Edeka hat bereits angekündigt, die gestiegene Einkaufsmacht einzusetzen, um die Lieferanten stärker im Preis zu drücken«, sagte dazu Marita Wiggerthale von der entwicklungspolitischen Organisation Oxfam Deutschland. Zuvor schon stuften die Lieferanten die Einkaufsmacht von Edeka als »ziemlich heftig« ein. Die Leidtragenden der gestiegenen Marktmacht seien kleine und mittlere Lieferanten und die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Produzentenländern.
Auch sonst gab es einiges zu tun in den vergan­genen Monaten. Immerhin verhängte das Kartellamt Bußgelder gegen namhafte Kosmetik­her­steller, denen Preisabsprachen nachgewiesen werden konnten. Solche Auseinandersetzungen sind zahlreicher geworden, weshalb sich die Kon­zerne immer häufiger durch die Forderungen der Behörde belästigt fühlen.
Der Grund dafür ist, dass der Trend zu monopo­listischen Machtzusammenballungen und Kapitalkonzentration in den vergangenen Jahren deut­lich zugenommen hat. Kein Wunder, dass das Kapital die Behörde, die de facto nie etwas anderes als eine Alibifunktion hatte, um effektiv zu verhindern, dass Konzerne wirklich zerschlagen werden, immer mehr als Altlast aus den Zeiten des so genannten rheinischen Kapitalismus zu em­pfinden scheint. Man plant bei den Konzernen längst in größeren Dimensionen. Interessant dürf­te es beispielsweise werden, wenn im Bankensektor die Fusion von Dresdner Bank, Commerzbank und Postbank zustande kommt, über die seit Monaten spekuliert wird.

Wie es mit dem Trend zum Monopol aussieht, zei­gen die Berichte einer anderen Institution. Alle zwei Jahre untersucht eine vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung ernannte Monopolkommission den Stand der Kapitalkonzentration in der Bundesrepublik. Wie alle von der Bundesregierung bestellten wirtschaftswissenschaftlichen Gutachterkommissionen macht die Monopolkommission vor allem Lobbypolitik: für die Privatisierung der Bahn, gegen die Vorschläge der EU-Kommission zur Entflechtung der Energiewirtschaft, für die Privatisierung des »Krankenhausmarktes«. Dass die Kommission als neoliberaler Think Tank fungiert und, ganz im Sinne der Regierung, eher staatliche Monopole und »Wettbewerbshindernisse« im Auge hat als die ökonomische Machtkonzentration der großen Konzerne, sollte also nicht verwundern. Der vor wenigen Wochen erschienene 17. Hauptbericht der Kommission enthält dennoch einige interessante Details.
Die aktuelle Untersuchung für die Jahre 2006 und 2007 zur gesamtwirtschaftlichen Bedeutung von Unternehmensgruppen für alle Wirtschaftsbereiche zeigt, dass 6,3 Prozent der Unternehmen in Deutschland einer Gruppe angehören. Die­se vereinen rund 66 Prozent der Umsätze und 53 Prozent der Beschäftigten auf sich. Besonders hoch sind die Anteile der Unternehmensgruppen in den Bereichen Bergbau, verarbeitendes Ge­werbe, Energie und Wasserversorgung, Verkehr und Nachrichtenübermittlung.

Für Deutschland wurden die extremen Konzen­trationsgrade, Abhängigkeiten und die wachsende Macht der Konzerne bereits durch den vorigen Bericht der Monopolkommission gestützt. Von den 3,3 Millionen handelsgerichtlich erfassten deut­schen Einzelbetrieben sind über eine Million Tochtergesellschaften. Ihre überwiegende Mehrheit unterliegt einer beherrschenden Kontrolle, die vielfach über mehrere Beteiligungsstufen und -ketten ausgeübt wird. Unter den rund 50 000 Unternehmen des produzierenden Gewerbes mit 20 und mehr Beschäftigten gehören über die Hälfte kontrollierten Gruppen an, die über 80 Prozent aller Umsätze auf sich vereinigen. Von rund 38 000 Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe gelten zwar 54 Prozent als unabhän­gig. Sie repräsentieren jedoch nur 26,5 Pro­zent aller Beschäftigten und einen Anteil am Gesamt­umsatz von 18,2 Prozent. Kurz: Mehr als 80 Pro­zent der industriellen Produktion in der BRD – die im internationalen Vergleich als stark von mit­telständischen Betrieben geprägt gilt – ist in die Konzernwirtschaft eingebunden.
»Der Konzentrationsgrad beträgt in einigen Wirtschaftsbereichen das Zwei- bis Dreifache der bisherigen amtlichen Angaben«, stellte die Monopolkommission zusammenfassend bereits vor drei Jahren fest. Wenn das Bundeskartellamt al­so seit einiger Zeit immer mehr Übernahmeanträ­ge auf den Tisch bekommt, die auf die Bildung monopolistischer Machtblöcke hinauslaufen, ist das eben auch ein Ergebnis dieser Entwicklung. Und es ist die logische Konsequenz der herrschen­den Ideologie, nach der es prinzipiell kein Problem darstellt, wenn sechs große Energiekonzerne den Markt untereinander aufteilen, solange sie irgendwie noch miteinander konkurrieren.