Superhelden, die wir lieber mögen als Batman

Sie fliegen wieder

Batman kehrt zurück. Die neue Verfilmung »The Dark Knight« schlägt alle Rekorde der sowieso schon erfolgreichen Comic-Verfilmungen und startet diese Woche in den deutschen Kinos. Gibt es da noch Superhelden, von denen wir lieber die Welt retten ließen?

Mein Superheld: Hellboy
Hellboy rettet die Welt ganz einfach: indem er sich weigert, sie zu zerstören.
Ursprünglich wurde der rote Dämon mit den gestutzten Hörnern nämlich von den Nazis und deren eso-faschistischen Bundesgenossen als Vorbote der Apokalypse auf die Welt geholt. Doch Hellboy hält nichts davon, sich Schicksal und Bestimmung qua Geburt vorschreiben zu lassen. Er entscheidet sich gegen die Urkraft des Bösen und für Schokoriegel, Zigarren und Dosenbier, gegen das Völkische und für das US-ame­rikanische Staatsbürgerschaftsmodell. Selbstredend ist »Big Red«, wie ihn seine Freunde nen­nen, aktiver Antifaschist. Seine Faschismusanalyse (»Ach, Kacke!«) mag ein bisschen hinter der von Indiana Jones (»Nazis! Ich hasse diese Typen!«) zurückbleiben, nicht aber sein Engagement.
Wie fast alle Superhelden sind Hellboy und seine Freunde soziale Außenseiter, aber im Gegensatz zu den kuscheldemokratischen X-Men biedern sie sich nicht ständig der Mehrheits­gesellschaft an, um zu beweisen, dass sie zu den Guten gehören. Nein, Hellboy macht sein Ding. Natürlich droht solch urmännliches Rebellentum ins Reaktionäre zu kippen. Aber keine Bange, beim kryptofaschistischen Mythos vom wilden Mann macht Hellboy nicht mit: Lieber kastriert er sich (wie am Ende von Teil 1) durch Enthornung kurzerhand symbolisch selbst. Wer die Welt vor dem Aufklärungsverrat retten will, muss eben bei sich anfangen.
Natürlich verwickelt man sich dabei als Höllen­sohn in so manchen Widerspruch, denn nicht alle Höllenwesen sind böse und nicht alle aufge­klärten Gegenwartsmenschen gut. In der Filmfortsetzung »Hellboy II – Die goldene Armee« muss Big Red sich notgedrungen und ein wenig melancholisch fragen, was für eine Kackwelt er da eigentlich dauernd rettet. Und das wird nicht im bildungsbürgerlichen »Ach-je, alles-voller-Grautöne-hier«-Stil dargereicht, sondern als waschechte Dialektik von Rationalität und Mythos. Natürlich gibt es hier gut und böse, Men­schen und Monster, und natürlich ist das alles kräftig durchmischt und macht es unserem Helden nicht immer leicht, sich für das Richtige zu entscheiden.
Trotzdem: Ich habe Vertrauen und würde mich und meine Welt sofort von Hellboy retten lassen. Der bestaussehende Superheld der Comic- und Filmgeschichte verfügt nämlich nicht nur über einen ordentlichen Hau, sondern auch über ein gesundes kritisches Urteilsvermögen. Spätestens im Oktober kann man sich einmal mehr davon überzeugen, wenn Teil zwei der Hellboy-Saga in die deutschen Kinos kommt. Und wer bis dahin nicht warten will, sollte sich mal die Comicvorlage von Mike Mignola zu Gemüte führen – die ist nämlich visuell nicht weniger beeindruckend als Guillermo del Toros fantastische Filmbilder. Und wer behauptet, dass Schauwerte beim Weltretten keine Rolle spielen, hat noch nie einen echten Helden dieses Fachs bei der Arbeit gesehen.
jakob schmidt

Mein Superheld: der Supermensch
Es geschah im Jahr 1949, da brachten Tick, Trick und Track ins Haus von Donald Comic­hefte mit einem Helden namens »Supermensch«, der of­fen­sichtlich die übermenschlichen Fähigkeiten von Superman (springt über Wolkenkratzer) mit der detektivischen Meisterschaft von Batman verband (weshalb er im Original auch »Super Snooper« heißt). Donald bekommt natürlich wieder seine Wut und verbietet den Kindern die verderbliche Lektüre. Aber dann wird Donald selber … Wer sonst könnte ein wirklicher Supermensch werden als mein Freund, die Ente im Matrosenanzug. Spätere Verwandlungen von Donald in Superhelden sind im übrigen mehr oder weniger mau, mies und mechanisch.
georg seeßlen

Mein Superheld: der Silver Surfer
Anfangs durfte der Silver Surfer nur eine Ne­ben­rolle spielen. Er taucht zum ersten Mal als Gaststar bei den Fantastischen Vier auf und überbringt den Erdlingen eine recht unerfreu­liche Botschaft von seinem Chef, einem gewissen Galactus. Der Bursche nährt sich von Planeten und bekundet offen, dass er sich nicht um Kollateralschäden kümmert. Nach dem Austausch diverser Hiebe, Feuerbälle und Energiestöße besinnt sich der Silver Surfer, verbündet sich mit den Fantastischen Vier und rebelliert gegen seinen Chef. Galactus rückt ab, er feuert den Silver Surfer und hindert ihn durch eine Barriere am Verlassen der Erde.
In dieser erstmals 1966 veröffentlichten Parabel wird die destruktive Gewalt der kapitalistischen Produktionsweise durch die Rebellion des Individuums, das jedoch erst durch seine Teilnahme am kollektiven Kampf eine wirkungs­mächtige …
Na gut, seien wir ehrlich. Superhelden bedienen kindliche und pubertäre Allmachtsfantasien. Da Männer bekanntlich nie ganz aus der Pubertät herauskommen, bewahren sie sich eine gewisse Zuneigung zu den Superhelden, die ihnen früher Trost spendeten. Und der Silver Surfer ist etwas Besonderes, nicht der interstellare Che Guevara, aber immerhin ein Rebell. Die meisten Superhelden sind nicht nur spießige Verfechter von Law & Order, sondern auch im persönlichen Leben (die meisten verbergen ihre Identität) sehr brav. So lernt Peter Parker (die Spinne) immer fleißig und ist höflich zu Autoritätspersonen.
Der Silver Surfer hingegen verbirgt nie, wer er ist, und er weiß, wann es notwendig ist, »Nein« zu sagen. Er ist eingesperrt in einer Welt, deren überwiegend dümmliche Bewohner ihm zu­meist mit Unverständnis und Hass begegnen. In eben dieser Lage fühlte ich mich als Teenie, und daran hat sich eigentlich wenig geändert. Überdies ist der Silver Surfer der Superheld mit dem schlimmsten Liebeskummer (Beziehungsprobleme haben sie alle), denn die Barriere hindert ihn daran, seine Shalla Bal wiederzusehen. Shalla Bal – allein der Name regte zum Träumen an. Wenn man Liebeskummer hat, ist es im Übrigen tröstlich zu wissen, dass es wenigstens ein Wesen im Universum gibt, dem es noch schlechter geht.
Da der Silver Surfer erst 1968 zum eigenständigen Superhelden erhoben wurde, nahmen die Zeichner psychedelische Elemente in ihren Stil auf. Man konnte den Silver Surfer daher auch noch zu den ersten Joints lesen. Dann begann man sich allerdings zu fragen, ob die Verwandlung in ein silbernes Energiewesen, so nütz­lich sie im Kampf mit anderen Superhelden ist, dem Liebesleben nicht abträglich sein könnte, falls er seine Shalla Bal doch einmal wieder­ sehen sollte.
jörn schulz