Fuck!

Sehr geehrter Herr Iggy Pop. Vor ein paar Monaten sind Sie 61 Jahre alt geworden. Sie haben ein Alter erreicht, in dem nicht wenige den Alltag in einem ein wenig gemächlicheren Tempo bestreiten. Da dürfte man es Ihnen als der sich in den vergangenen 40 Jahren bereits zu genüge als cool erwiesen habenden Punkrampensau, die Sie sind, nicht übel nehmen, wenn auch Sie die Dinge insgesamt ein wenig geruhsamer angehen ließen und sich etwa der Rosenzucht oder vergleichbar entspannten Vorruhestandsbeschäftigungen widmeten. Doch nichts da! Sie sind Iggy Pop.
Dafür, dass Sie, ein beängstigend frisch wirkender Ausbund an Virilität, bei Ihrem Konzert in Berlin vergangene Woche grimassenschneidend in ebenso exhibitionistischer wie ekstatischer Weise, ja, wie ein tollwütiges Karnickel über die Bühne turnten und hopsten, dass Sie sich im Fünfminutenabstand genussvoll mit liter­weise Wasser übergossen, dass Sie sich plötzlich wie ein Pubertierender vollrohr und kopfüber ins Publikum warfen, dass es Ihnen offensichtlich vollkommen gleichgültig war, dass Ihnen der Hosenbund Ihrer durchnässten Jeans wiederholt auf die Höhe Ihres Oberschenkels rutschte, dass Sie 30 Sekunden Ihres Auftritts ausschließlich zu dem schönen Zweck nutzten, in freier Improvisation die beiden hübschen und die Gesamtsituation auf der Welt überaus treffend beschreibenden Worte »Shit« und »Fuck«, die man ja nie oft genug sagen kann, ins Mikro zu bellen, dass Sie heftige Kopulationsbewegungen an Ihrem Verstärker vollführten, dass Sie auch sonst in keiner Weise mit erfindungsreichen obszönen Gesten jeglicher Art sparten und dass auch sonst nichts an Ihnen auf den geringsten Anflug eines Schamgefühls hindeutete, kurz: dafür, dass Sie sich da auf der Bühne keinen Deut anders benommen haben als ein übermütiger Siebzehnjähriger, der zu viel Koks erwischt hat, dessen Eltern übers Wochenende verreist sind und der sichtlich ein außerordentliches Vergnügen an der ganzen Situation empfindet, dafür möchte ich mich ganz herzlich bei Ihnen bedanken.