Wartet mal!

Ist etwas geschehen? Hat wer was bemerkt? Wenn wir uns nach links drehen, hat sich dort etwas verändert? Und rechts, ist dort vielleicht irgendeine Anomalie zu bemerken? Die Antwort lautet: nein. Der letzte linke Student ist verwirrt. Mehr noch: er ist verdaddert. Da hat Robert Kurz einmal voll recht, und das Kapital ist zerplatzt wie eine Seifenblase und die ganzen anglo-imperialistischen Wall-Street-Gangster sind um ihre Ersparnisse gebracht, und dann das! Niemand: feiert. Niemand: tanzt. Im Berliner Zeitungsviertel: startet niemand die Revolution! In den kommunistischen Parteien: werden keine Generalstreiks beschlossen. Ja, nicht einmal in Palästina: wird in die Luft geschossen! Warum? Hat der letzte linke Student den Zusammenbruch des Kapitalismus nur geträumt? Schnell kneift sich der letzte linke Student in den Arm. Au: das tut weh. Folglich: ist er wach. Folglich: ist der Kapitalismus flöten gegangen.
Doch: wo man geht und steht: nur Kapitalismus. Nun lehrt Baudrillard: nicht alles, was ist, ist. Vieles ist auch eine Illusion. Und es lehrt wieder die Aufklärung: hinter jeder Illusion steht jemand, der sie gemacht hat. Und wer macht die Illusion? Das klärt sich, wenn man mit Lenin fragt: wem nützt es? Und wem nützt es? Schnell setzt sich der letzte linke Student an seinen Schreib­tisch und schreibt ins besondere Notizbuch. Er schreibt: »Der Kapitalismus ist tot, täuscht uns aber vor, dass er lebt. Das muss er tun. Denn sonst kommt Junkerland in Bauernhand, und Freiheit und freie Liebe usw. usf. sind da. Das aber wird bald so weit sein.« Das schreibt der letzte linke Student. Und weiß: jetzt heißt es nur warten. Daher wartet der letzte linke Stu­dent. Und auch wir legen die Hände in den Schoß und lassen’s mal kommen, wie’s kommt!