Über den Weltfinanzgipfel der G20-Staaten in Washington

Revolution ausgefallen

Der Weltfinanzgipfel in Washington im Rahmen der G20 endete ohne konkrete Entscheidungen.

Die Erwartungen waren hoch vor dem Weltfinanzgipfel, der am Freitag und Samstag in Washington abgehalten wurde. »Nach dem historischen Finanzgipfel in Bretton Woods vor 64 Jahren soll der G20-Weltfinanzgipfel in Washington ähnlich Revolutionäres anstoßen«, vermeldete DPA. Insbesondere Frankreich und Deutschland nahmen den Mund voll, auch wenn sie unterschiedliche Masterpläne ausgearbeitet hatten. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy, zugleich EU-Ratspräsident, wollte den IWF zu einem globalen Finanzpolizisten ausbauen, wobei nur unklar blieb, wer das bezahlen sollte. Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen war mit ihrem auf den Exportweltmeister Deutschland zugeschnittenen »Issing-Plan« für den Gipfel »auf Konfrontationskurs zu Frankreich und den USA gegangen«, so Spiegel online.
Eingeladen nach Washington waren neben den Chefs der G 8-Staaten plus Russland auch die aufstrebenden Schwellenländer wie China, Brasilien, Saudi-Arabien oder Indien – die G20-Staaten, darüber hinaus die internationalen Institutionen: die UN, der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und das Forum für Finanzstabilität, dessen Name derzeit einen seltsam ironischen Beiklang hat.
»Während von den Amerikanern der Vorrang nationaler Regulierungen betont wird, befürworten die Europäer durchwegs supranationale Vorschriften«, umschrieb die NZZ elegant einen der vielen Interessenkonflikte, der in Washington auftauchte. »Doch warum sollte die Welt (den europäischen Vorschlägen, C.K.) folgen, wenn Europa kein Beispiel gibt?« fragte die FAZ. »Auch in der EU gibt es einen Wettlauf um möglichst laxe Aufsichten (…) Aber sie will alle Banken unter eine Weltaufsicht stellen.«
Es ist noch nicht einmal klar, ob das G20-Format – das »Ende der Hegemonie des Westens«, so euphorisch das Luxemburger Wort – Zukunft hat. »Verschiedene europäische Politiker wiesen darauf hin, dass, so begrüßenswert der Einschluss der Schwellenländer sei, das Recht auf Teilnahme auch die Pflicht enthalte, Verantwortung für die weltwirtschaftliche Entwicklung zu nehmen«, hieß es in der NZZ. Diese »Pflicht« bedeutet im Klartetxt: Zahlt gefälligst für die Krisenlösung! Wie die Washington Post diskret andeutete: »China und die Golfstaaten gehören zudem zu den wenigen Ländern, die genügend Finanzreserven haben, um Mittel für den IWF und andere Finanzinstitutionen bereitzustellen.« Solche Finanzspritzen haben China und die Golfstaaten in Washington natürlich nicht zugesagt, sind sie doch mit ihren eigenen Krisenprozessen vollauf beschäftigt. In den Vereinigten Arabischen Emiraten implodiert derzeit der Immobilienmarkt, in China schließen in der Region von Kanton Tausende der vom Export abhängigen Spielzeugfabriken, es fanden bereits Revolten entlassener Arbeiter statt.
So kam es in Washington, wie es kommen musste. »Konkrete Entscheidungen auf das nächste Jahr vertagt«, resümierte die NZZ. Die Post-Bretton-Woods-Revolution ist ausgefallen, weil es unmöglich ist, die sich in der Krise noch verschärfende Weltmarktkonkurrenz der Nationalstaaten zugunsten einer idyllischen globalen Wirtschaftszusammenarbeit aufzulösen.
Auch ein Herzenswunsch des deutschen Establishments ging nicht in Erfüllung. In der Welt war am 15. November zu lesen: »So sehr die Deutschen ihren multilateralen Ansatz vorantreiben wollen, so klar ist ihnen auch, dass die USA noch lange ein dominanter Akteur sein werden, auf den die Welt nicht verzichten kann – und auch nicht sollte.« Nicht einmal auf Barack Obama ist Verlass. Er werde »die Interessen der Wall Street vertreten«, hieß es gleichlautend in der FAZ und der WAZ. Warum nur nicht die deutschen?