Die Telekom soll Betriebsräte überwacht haben

Echelon in Bonn

Die Telekom soll rund 60 Personen, darunter etwa ein Dutzend Betriebsräte überwacht haben.

»Erleben, was verbindet«. Je mehr Details zu den Überwachungsmaßnahmen der Telekom bekannt werden, desto mehr Assoziationsmöglichkeiten tun sich auf, wenn man den Werbeslogan des Konzerns liest. Mit der Begründung, man habe Firmengeheimnisse schützen und Informanten aus dem Umfeld des Aufsichtsrats ausfindig machen müssen, wurden Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, Gewerkschafter, Journalisten, Angestellte und sogar Kinder der Betreffenden abgehört. Derzeit geht man von rund 60 Personen aus, die möglicherweise nicht nur über Mobil­tele­fone, sondern auch über ihre Festnetzanschlüsse bespitzelt wurden.

Es läuft, wie es immer läuft. Die Verdächtigen leugnen ihre Verantwortung, die Schuld wird hin und her geschoben (wenn nötig), oder man entschuldet sich gegenseitig (wenn möglich). Außergewöhnlich ist es in solchen Fällen auch nicht, sich an nichts zu erinnern, großzügig zu vergessen, gequält in die Kamera zu gucken und zu sagen: »Nee, keine Ahnung, was da los war, kann ich mir nicht erklären.«
Die Telekom ist mittlerweile Europas größtes Telekommunikationsunternehmen und Deutsch­lands größtes Unternehmen überhaupt, und das nicht nur hinsichtlich der sich ehemals zum allergrößten Teil in Staatsbesitz befindlichen Sach­an­lagen. Im Geschäftsjahr 2007 hat sie immerhin einen Umsatz von 62,5 Milliarden Euro erwirtschaftet. Hauptanteilseigner sind die Bundesrepublik (mit 14,83 Prozent), die KfW Bankengruppe (16,87 Prozent) und die US-amerikanische Black­stone Group (4,5 Prozent). Der größte Teil der Aktien (63,91 Prozent) befindet sich im Besitz von – vollkommen machtlosen – Kleinaktionären. Noch immer hat das Unternehmen mit den massenhaften Klagen dieser sich betrogen fühlenden Anleger zu kämpfen.
Dass die Telekom heutzutage über die technischen Möglichkeiten verfügt, Personen abzuhören, ist alles andere als ein Wunder. Wären Unternehmen nicht damit beauftragt, genau solche Möglichkeiten zu schaffen, wäre auch der »Große Lauschangriff« noch ein Zukunftsprojekt. Die Forderung von Politikern bis zur CDU nach mehr Kontrolle ist daher eher hilflos. Ein Unternehmen, das der Maxime der Profitmaximierung unterworfen ist, wird dieser mit allen nötigen Mitteln nachgehen. Die Skandale um Siemens, VW und Deutsche Post und andere lassen darauf schließen, dass ohnehin kein Konzern dieser Größenordnung ohne Maßnahmen auskommt, die sich am Rande der Legalität bewegen.

Jürgen Sonnenbrodt, der Vorsitzende des Braunschweiger Ortsvereins von Verdi und Angehöriger des Betriebsrats der Telekom-Tochter Spezial (einem Callcenter), sagte zu seiner Überwachung: »Ich gehörte nie zum Aufsichtsrat, hatte kein Wissen aus dem Aufsichtsrat und verfügte darum auch nie über konzernrelevante Informationen.« Die wahrscheinlichste Erklärung: Er wurde abgehört, weil er Betriebsrat ist.
Frank Bsirske kommentierte, die Telekom habe Methoden angewendet, die mit denen der Stasi vergleichbar seien, denn das kommt immer gut. Wesentlich ergiebiger war jedoch die Bemerkung, die Vorstellung sei unerträglich, »dass unsere Vertreter in Tarifverhandlungen Managern gegenübersitzen, die möglicherweise Aufträge erteilt haben könnten, deren Telefonverkehr auszuwerten und zu protokollieren«. In Zeiten bröckelnder Flächentarifverträge, prekärer Beschäftigungsverhältnisse, Mitgliederschwund, gekaufter konkurrierender Gewerkschaften und armseliger Tarifabschlüsse hat es gerade noch gefehlt, dass Betriebsräte und Gewerkschaftschefs abgehört werden.
Der Skandal bietet einen kleinen Ausblick auf die Zukunft, in der mit Überwachungsmaßnahmen in weit größerem Maßstab zu rechnen sein wird. Die Möglichkeiten der Informationstech­nologie sind da durchaus noch ausbaufähig. Bei der Telekom wissen sie das am besten. Rufen Sie doch die Service-Nummer an und erkundigen sich dort. Falls Sie einen Angestellten erreichen und nicht stundenlang mit Computerstimmen sprechen müssen.