Kündigung eines Ein-Euro-Jobbers

Billig, billiger, qualifiziert

Die Berliner FAU fordert die Wiedereinstellung eines entlassenen Ein-Euro-­Jobbers. Der Fall offenbart die Absurdität der angeordneten »Qualifizierungsmaßnahmen«.

»Ketten- und Meldehunde des Amtes«, mit denen Erwerbslose gegängelt werden, sind Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften (BQS) für Lars Röhm von der Berliner FAU. Sie seien »aktiv mitverantwortlich dafür, dass Erwerbslose zunehmend mit Leistungssanktionen in ein prekäres Leben getrieben werden«. Bestätigt sehen sich die Anarchosyndikalisten durch den Fall des Berliners Oliver W., der im Herbst eine ABM-Stelle in einer Reinickendorfer Holzwerkstatt antreten musste. 900 Euro monatlich erhielt er für das Bauen von Nistkästen. Doch Oliver W. bemängelte nach eigenen Angaben den Zustand der Sägeblätter und legte sich mit einem Kollegen an, der sich abfällig über Polen und Türken geäußert haben soll. Am 23. November 2008 wurde ihm von der Gemeinnützigen Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft ZIM fristlos gekündigt. In der Folge wurde ihm nach Informationen der FAU außerdem das Arbeitslosengeld II um 30 Prozent gekürzt.

Die Kündigung sei rechtens und müsse nicht begründet werden, erklärte die Geschäftsführerin der ZIM, Karin Stöckner, der Presse, schließlich habe sich Oliver W. noch in der Probezeit befunden. Der wiederum beriet sich mit der FAU und zog schließlich mit rund 20 Freunden und Anarchosyndikalisten, die seine unverzügliche Wiedereinstellung forderten, vor die Reinickendorfer Holzwerkstatt.
Zwar blieb die ZIM stur, aber die FAU Berlin lancierte eine Pressekampagne. Und die soll weiter gehen, teilte die Gewerkschaft zur Jahreswende mit. Den Fall Oliver W. hält sie für einen guten Anlass, sich die Zusammenarbeit zwischen den Jobcentern und den Trägern von Beschäftigungs- bzw. Qualifizierungsmaßnahmen genauer anzuschauen – jenen unzähligen Einrichtungen, die davon profitieren, dass Erwerbslose in Arbeits­beschaffungsmaßnahmen oder so genannte Ein-Euro-Jobs (offiziell: »Mehraufwandsentschädigungsstellen«) gesteckt werden.
Insbesondere soziale Einrichtungen aus dem grünen oder linksliberalen Spektrum taten sich bislang damit hervor, bei den Jobcentern die entsprechenden Anträge einzureichen. So genannte Bildungsträger, die für die Einstellung und die Weiterbildung der »Ein-Euro-Jobber« zuständig sind, vermehrten sich in den vergangenen Jahren stark. Und so machen langzeitarbeitslose Köche den europäischen Computerführerschein, lernen Migranten Deutsch und Deutsche Wirtschaftsenglisch oder Gastronomenfranzösisch. Der Sinn des einen oder anderen Kurses wurde zumindest von den Pädagogen angezweifelt, die sich an den in die Maßnahmen Gezwungenen abarbeiten müssen. In der Regel unterrichten sie – mit dem Wissen der Jobcenter – auf Hono­rar­basis für 15 bis 17 Euro brutto pro Stunde, durchaus aber auch mal für 13 Euro. Die Träger haben sich aus der Sozialpartnerschaft gestohlen und teilen den ­Pädagogen häufig erst am Tag vor dem geplanten Beginn eines Kurses mit, dass er nicht zustande gekommen sei.

Das Ganze ist eine einzige Absurdität: Die Jobcenter bewilligen den Antrag desjenigen Trägers, der am billigsten »qualifiziert«, der wiederum drückt die »Qualifizierer«, also die Lehrer und Ausbilder, auf das gerade noch von ihnen akzeptierte Honorarniveau, um doch noch daran zu verdienen. Kein Wunder, dass die Qualität der »Qualifizierung«, über deren Sinn und Zwangs­charakter ohnehin zu reden wäre, jedem vernünftigen pädagogischen Konzept Hohn spricht.
Bekannt wurde ein Fall, in dem Kursteilnehmer »Mr. Bean« im Fernsehen anschauen mussten, weil der Dozent nicht erschienen war. Eine Dozentin aus Berlin-Kreuzberg berichtete, dass Teilnehmer eines »Trockenbau«-Lehrgangs Pappmachéwände konstruieren und wieder einreißen mussten. Auch sei es vorgekommen, dass über 40 Personen in einem Deutschkurs saßen.
Was den Fall Oliver W. angeht, so scheint er den Beteiligten über den Kopf gewachsen zu sein. Die ZIM ist unter der auf ihrer Homepage angegebenen Mailadresse nicht mehr zu erreichen. Und Oliver W., mehrfach um eine Stellungnahme gebeten, reagiert nicht. Das ist sein gutes Recht – bloß schlecht für die Pressekampagne.