Der Stauffenberg-Film »Operation Walküre«

Der Walküren-Guide

Endlich kommt Tom Cruises NS-Widerstandsdrama in die Kinos. Worauf man jetzt achten muss.

Tom Cruise (»Tage des Donners«) hat einen neuen Film gedreht. Er heißt »Operation Walküre« und zeigt die Geschichte der Männer des 20. Juli, die ein Attentat auf Adolf Hitler durchführten, damit aber leider scheiterten. Über dieses Thema gibt es Filme wie Sand am Meer. Allerdings bisher ohne Tom Cruise. Dass Hollywoods prominentester B-Film-Darsteller einen so wichtigen Mann spielt, hat natürlich alle überrascht. Und so waren die Zeitungen voll mit Geschichten rund um die Filmproduktion. Denn damit alles echt wirkt, wurde auch an Originalschauplätzen in Deutschland gedreht. Zum Beispiel dem Bundesfinanzministerium. Das steht nämlich original in Berlin! Und diente früher als was gleich: NS-Reichsluftfahrtministerium? Die Berliner können sich glücklich schätzen, in so viel wichtiger Geschichte zu wohnen.
Im historisch noch aufgeladeneren Bendler-Block wurde auch gedreht. War das ein Theater: Drehgenehmigung, ja oder nein? Denn Tom Cruise soll der wichtigste Mann der Geldsekte Scientology sein – mit dem Titel eines »Operierenden Thetans« der Stufe sieben. Wer will den schon reinlassen. Die Drehgenehmigung gab es aber dann doch. Allerdings versaute das Kopierwerk alle Bilder. Ergo musste alles nochmal gedreht werden.
In Deutschland vergleichen sich die Scientologen gern mit den Juden. Die seien ebenso wie sie auch wegen ihrer Religion verfolgt worden. Hierzulande fallen die Scientologen vor allem durch Immobiliengeschäfte auf bzw. damit, dass sie ihre »Stresstests« auf der Straße anbieten. Sie machen viel mit Drogenentzug.
Was muss das für ein Gott sein, der seinen Schäfchen befiehlt, Häuser zu besitzen? Und warum rauchen die Typen, die den Stresstest anbieten, unablässig?

Der Held
Claus Graf von Stauffenberg (1907–1944) wird in Deutschland als Held verehrt. Denn er war der einzige deutsche Widerstandskämpfer im Nationalsozialismus. Der deutsche Landadlige hat Hitler ganz allein mit einer Niederlage besiegt. Kommunisten, Weiße Rosen, Rote Kapellen, Georg Elser und die Rote Armee sind bei weitem nicht so bedeutend, was die Bekämpfung der braunen Pest angeht. Ein schwieriges Thema! Selbst heute tun sich die Deutschen noch schwer, den Nationalsozialismus zu bekämpfen.

Augenklappe
Stauffenberg war bei der deutschen Armee. Im Film heißt die Armee »Wehrmacht«. Die Wehrmacht hatte vor allem eines: einen großen Haufen Panzer. Die waren in Divisionen einsortiert. Bei der 10. Panzer-Division in Nordafrika war Stauffenberg. Bei einem Tiefflieger-Angriff verliert er ein Auge, die rechte Hand und zwei Finger der linken. Man glaubt es kaum, aber: In »Operation Walküre« hat Tom Cruise dieselben Verletzungen!
Na, das passt ja mal wieder. Wenn der Mann zum Hitlergruß gezwungen wird, wird, kein Witz jetzt, im Kino gelacht. Weil Tom Cruise ein wenig wie Dr. Seltsam in Stanley Kubricks gleichnamigem Film wirkt.

Das Attentat
Man fragt sich ja eigentlich seit Jahren: Warum haben die Männer des 20. Juli nicht einfach eine Maschinenpistole genommen und Adolf Hitler umgelegt? Warum dieser komplizierte Attentatsplan? Warum – aus heutiger Sicht am effektivsten – kein Selbstmordattentat? Alle Beteiligten waren doch Töten gewöhnt, schließlich waren sie Soldaten. Hinterher werden doch sowieso alle umgebracht … Immerhin aber hätte man der Welt ein Jahr Nationalsozialismus erspart.

Musik
Es ist die allerverrückteste Szene in »Operation Walküre«: Familie Stauffenberg sitzt zu Hause und hört Wagner. Die Kinder spielen Zweiter Weltkrieg. Dann kommt der Bombenangriff. Musik zu Ende, alle in den Luftschutzkeller. Eine Bombe schlägt in der Nachbarschaft ein. Das Stauffenberg-Haus wackelt mit. Wer wackelt noch? Das Grammofon. Die Nadel springt zurück auf Anfang. Was gibt’s auf die Ohren? Na, »Ritt der Walküre« natürlich. Wer’s glaubt …

Walküre
Was zum Henckel ist überhaupt eine »Walküre«? Ein weibliches Gefolgsgeisterwesen von Götterchef Odin. Bei Wagner sind es neun Schwestern.
Musikalisch wird’s am Schluss des Films auch noch mal: Auf Wunsch Hitlers werden die Widerständler mit Klaviersaiten stranguliert.

Hitler
Überhaupt: Hitler. Wie ist es möglich, dass jede Rolle bis ins kleinste Detail perfekt besetzt ist, nur der deutsche Diktator ist ein Komplettausfall? Der Schauspieler David Bamber versucht sich am Weltkriegsgefreiten. Man kann annehmen, dass er noch nie ein Bild von Hitler gesehen hat – er wirkt, als wundere er sich die ganze Zeit über diesen angeklebten viereckigen Schnurr­bart. Dabei kann es hier nur einen geben: Bruno »The Untergang« Ganz.
Oder aber: Der Film bringt noch eine andere Option ins Spiel. Denn die ganze Zeit muss man an gefräßige Außerirdische denken, weil der Darsteller des Generals Olbricht, Bill Nighy, so sehr dem Synthetik-Menschen Bishop aus der Raumschiffparasiten-Reihe »Alien« gleicht, auch wenn der von Lance Henriksen gespielt wird.

Theorie
Ganz klar: Der nächste Hitler muss vom intergalaktischen Reptil gespielt werden – zumal viele Leute immer noch glauben: Die Nazis kamen aus dem Weltraum und haben die Deutschen überfallen. »Operation-Walküre«-Regisseur Bryan Singer hat zuvor »Superman returns« gedreht. Da müsste ein »Stauffenberg-is-back«-Film allemal drin sein. Nicht zu vergessen der Kino-Trailer für den Stauffenberg-Film. Dort wird hervorgehoben, dass dies ein Film der Macher, Achtung, jetzt kommt’s: von »Die üblichen Verdächtigen« und »X-Men« sei.
Und in der Tat: Es handelt sich ja um einen Film über die üblichen verdächtigen Haken-X-Men.

Die Darstellung der anderen
Carice van Houten spielt in »Operation Walküre« Frau Stauffenberg. Sie ist die Freundin von ­Sebastian Koch. Der spielt zwar nicht mit, war aber Hauptdarsteller in Florian Henckel von Donnersmarcks Film »Das Leben der anderen«. Hat Koch sonst noch was damit zu tun? Ja: Er spielte kürzlich in einem Film von Jo Baier selbst den berühmten Attentäter. In einem Film von Paul Verhoeven mit dem Titel »Black Book« wiederum haben sich van Houten und Koch kennen gelernt. Dort spielt Koch einen lieben SS-Offizier und van Houten eine Widerstandskämpferin.

Das deutsche Publikum …
… ist vorher schon verrückt gewesen und braucht diesen Film eigentlich gar nicht. Sofern es bei der FAZ arbeitet, glaubt es, dass dieser Film »das Bild von Deutschland in der Welt auf Jahrzehnte prägen« wird. Hm. Eigentlich dauert es derzeit nur vier Monate, bis ein Kinofilm auf dem DVD-Grabbeltisch landet. Und dort so viel kostet wie zuvor die Kinokarte. So billig ist Widerstand zu haben. Florian Henckel von Donnersmarck (»Das Leben der anderen«) behauptet, für Deutschland sei der Film wichtiger »als zehn Fußball-Weltmeisterschaften« – was weiß der Mann, was wir nicht wissen? Und wenn der Film floppt?

Wertung
Für den Durchschnittsbesucher ist der Film leicht ermüdend. Aus dem hervorragenden Geschichtsunterricht an deutschen Schulen wissen wir ja schon, wie der Film ausgeht. Auch wenn wir nicht dabei waren, wir sind schließlich die Wider­stands-Enkelkinder. Wir können Nachsicht üben. 50 Prozent der Weltbevölkerung denkt ohnehin: Adolf Hitler ist der deutsche Bundeskanzler.
Aufgrund der Qualität des genannten Geschichtsunterrichts ist der Prozentsatz in Deutschland nur unwesentlich höher.

»Operation Walküre« (USA 2008). Regie: Bryan Singer,
D: Tom Cruise, Carice van Houten etc. Start: 22. Januar