Digitale Ich-Maschine
Die Schärfe, mit der die Krise der Popmusik diskutiert wird, ist sicherlich auch von den gegenwärtigen Auswirkungen der Wirtschaftskrise beeinflusst. Die »Krise« und die sie begleitenden und befeuernden Rhetoriken drängen zur Tat, sie treiben zur Intervention, sie erzeugen und erhöhen den gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Druck. So werden derzeit verschiedene Erzählungen der Krise getestet. Slavoj Zizek hat kürzlich zu Recht darauf verwiesen, dass vieles davon abhängt, wie die Finanzkrise »symbolisiert wird, welche ideologische Deutung oder Geschichte sich durchsetzen und die allgemeine Wahrnehmung der Krise bestimmen wird«. Denn: »Wenn der normale Lauf der Dinge auf traumatische Weise unterbrochen wird, ist das Feld offen für einen ›diskursiven‹ ideologischen Wettbewerb.«
Wie ein Einsatz in einem solchen »ideologischen Wettbewerb« aussehen kann, konnte man am 16. Januar in der New York Times nachlesen. Dort wurde John Kennedy, der Vorsitzende der International Federation of the Phonograpic Industry (IFPI), zitiert: »Wir behaupten nicht, bisher auch nur eine entscheidende Schlacht gewonnen zu haben, noch viel weniger den Krieg. Die Leute müssen dazu gezwungen werden zu kaufen, anstatt es sich gratis, for free, zu holen. Und das wird nicht mit ihrer eigenen Zustimmung passieren.«
Die IFPI ruft also, wie so viele Lobbyistenverbände der Wirtschaft in diesen Tagen, den Staat an. Dieser wird aufgefordert, härter gegen die »Musikpiraterie« vorzugehen, denn angeblich seien 40 Milliarden Songfiles im Jahr 2008 »illegal« über Tauschbörsen heruntergeladen worden. Regulierung und neue Gesetzesentwürfe seien nach dem Vorbild Großbritannien und Frankreich notwendig, wo die Provider auf staatliche Weisung hin für den einzelnen User eine Zugangssperre verhängen können, wenn dieser drei Mal wegen eines »illegalen« Tauschs von Songfiles ermahnt worden ist.
Mit bemerkenswerter Deutlichkeit lassen Worte wie die des IFPI-Vorsitzenden auf Phantasien ebenso wie auf Realitäten des Regierens schließen – eines Regierens im Modus der Abwehrschlachten und Unterwerfungskriege auf allen relevanten polizeilichen und juristischen Ebenen, von der Betonung des legalen Besitzes an geistigem Eigentum bis zur Behauptung der »Illegalität« des Zugriffs auf Daten, die eine digitale Netzwerktechnologie verfügbar macht.
Diese Kämpfe um Eigentumsansprüche und Freiheitsverlangen mit ihren regulatorischen, strafenden und exkludierenden ebenso wie mit ihren rebellischen und vermeintlich tauschwertkritischen Praktiken sind eine erste und unmittelbar einsichtige Dimension jener Audio-Gouvernementalität, die hier verhandelt werden soll.
Michel Foucault verstand unter dem Begriff der Gouvernementalität» die aus den Institutionen, den Vorgängen, Analysen und Reflexionen, den Berechnungen und den Taktiken gebildete Gesamtheit, welche es erlaubt, diese recht spezifische, wenn auch sehr komplexe Form der Macht auszuüben, die als Hauptzielscheibe die Bevölkerung, als wichtigste Wissensform die politische Ökonomie und als wesentliches technisches Instrument die Sicherheitsdispositive hat.« Foucault verband mit dem Gedanken dieser »Gesamtheit« namens Gouvernementalität den Übergang von Gesellschaften absolutistischer Souveränität zu solchen der Regierung im europäischen 17. und 18. Jahrhundert:
»Während der Zweck der Souveränität in ihr selbst liegt und sie aus sich selbst in der Form des Gesetzes ihre Instrumente zieht, liegt der Zweck der Regierung in den von ihr geleiteten Dingen. Diesen Zweck wird man in der Vervollkommnung, Maximierung oder Intensivierung der von der Regierung geleiteten Vorgänge zu suchen haben, und an die Stelle der Gesetze werden als Instrumente der Regierung verschiedene Taktiken treten.«
Diese Formel einer gouvernementalen Logik geht bei Foucault auf die Geschichte des Wortes »regieren« (gouverner) zurück, in der unterschiedliche Semantiken der Führung und Anleitung von Menschen eingewoben sind: des Pastorats, also der Führung der Individuen und der Gemeinde durch einen Hirten/Priester; des »geistigen Führens«; oder der äußeren ebenso wie der selbst erzeugten Anleitung zum Handeln.
Den Begriff »Audio« habe ich gewählt, weil er mir geeignet scheint, jenen ökonomischen, kulturellen und technologischen Strukturwandel begrifflich nachzuvollziehen, der beispielsweise auf die Chiffre der »Digitalisierung« gebracht wird. Im Unterschied zu »Musik« kann mit »Audio« zum einen die Verbindung zum Hörsinn und damit zur menschlichen Physiologie und der körpergebundenen Wahrnehmung hervorgehoben werden. Zum anderen hat sich »Audio« als terminus technicus etabliert, mit dem alle akustisch-auditiven »Anwendungen« in technologischen Dispositiven der Produktion und Rezeption von Klang ausgestattet werden. Auch ist »Audio« eigentlich nie allein, sondern immer schon integriert, eingebettet in technische, aber auch ökonomische und kulturelle Systeme und Medienverbünde, so heißt es nicht etwa »Musik-Stream«, sondern »Audio Stream«.
Viel selbstverständlicher als es bei einem anderen Begriff, nämlich dem des »Sound« der Fall ist, geht »Audio« Hand in Hand mit »visuell«. Im Unterschied zu »sound« und zu den Diskursen über »soundscapes« und »sound cultures« fehlt bei »Audio« nicht nur die immer wieder geäußerte emphatische Betonung der Autonomie von Sound, sondern auch jede Referenz auf eine etwaige Natürlichkeit der Quellen von Klang und Geräusch. Statt einer solchen ökologischen Dimension enthält »Audio« dafür die Perspektive des Subjekts. Als erste Person Präsens Singular des lateinischen »audire« (hören) ist »audio« gewissermaßen ich-gebunden, eine Chiffre der zunehmenden Unauflöslichkeit des Psychischen und Maschinischen, aber auch der zunehmenden Entkopplung von Geschichte (Musik) und Zeit (Audio).
Meine Hypothese wäre, dass sich mit der Bedeutung und dem Gebrauch des Begriffs »Audio« immer mehr solche Prozesse verbinden, die darauf zielen, Musik und Sound in Information zu verwandeln und damit deren Konvertierbarkeit und Ökonomisierbarkeit zu steigern. Das heißt, »Audio« ist immer schon etwas anderes, potenziell immer schon in eine andere Sprache, einen anderen Code übersetzt.
Ein Beispiel: Für sein inzwischen legendäres Cover des Albums »Unknown Pleasures« von Joy Division bediente sich der Designer Peter Saville einer Grafik, die eine Radiowelle visualisiert. Man könnte dieses Coverdesign als Einführung eines von allen sozialen, historischen und existentiellen Umständen und Kontexten der Musik und des Phänomens Joy Division befreiten »Audio«-Moments lesen, also als Übersetzung des komplexen und konfusen Projekts dieser Band in eine Formel, deren Verbreitung in computerisierten Netzwerken, die 1979 gerade im Entstehen begriffen waren, nur eine Frage der Zeit sein sollte.
Im Juni 2008 stellte Microsoft eine limitierte Auflage seines Zune vor, eines tragbaren Abspielgeräts für MP3, DVDs, Podcasts etc. mit ca. 80 Gigabyte Speicherplatz. Eine auf 500 Stück begrenzte Auflage dieses Gadgets wurde von Peter Saville mit Elementen seines »Unknown-Pleasures«-Designs gestaltet.
Der Blogger Matthew Solarski kommentierte die Kooperation von Saville und Microsoft damit, dass ein solches Gerät, das zur Mobilität aufrufe, ausgerechnet für die weltweit 500 größten Fans von Joy Division nicht das passende Objekt der Begierde sein könne, denn diese würden ihre »kalten, dunklen, einsamen Schlafzimmer« sicherlich nie verlassen.
In der Tat ist es frappierend, wie gerade dieses Beispiel den Übergang von der Einsamkeit des Teenager-Zimmers zum tragbaren MP3-Player symbolisiert, den Übergang von der narzisstischen Keimzelle der Star/Fan-Subjektivierung zum Tool einer ganz anders organisierten individuellen Bewegung und Beweglichkeit emblematisch macht.
In dem Jahr, in dem »Unknown Pleasures« erschien, stellte Sony den Walkman vor. Die dem Walkman inhärente Mobilitätsanrufung und die in den nächsten Jahrzehnten erfolgte Algorithmisierung musikalischer Daten (Mpeg) haben seitdem nicht nur neue Märkte entstehen lassen (die Branche spricht heute von den »iPod markets« und Apples »iTunes store« ist inzwischen der weltweit größte Musikhändler), sondern auch ein völlig neues Verhältnis zwischen dem Ich in »audio« und den Quellen und Trägermedien der musikalischen Information geschaffen.
»Es scheint, als ob wir als Individuen in eine digitale Audio-Heterotopie eintreten würden«, schreibt der Musiker, DJ und Transgender-Theoretiker Terre Thaemlitz. In dieser »digitalen Audio-Heterotopie« hören, so Thaemlitz weiter, unsere Plattensammlungen und Bibliotheken auf, als »Ausdruck unserer indidviduellen Wahlentscheidungen« zu funktionieren. Stattdessen werden sie zu »einer Art allgemeinen Archivs«.
Diese Überlegungen zu einer Entindividualisierung unter Bedingungen der Digitalisierung stehen bei Thaemlitz im Kontext einer scharfen und scharfsinnigen Kritik an dem, was er als die gedankenlose Internet-Euphorie eines Ökonomietheoretikers wie Jacques Attali ausmacht. Denn das »Ökonomische« eines Peer-to-Peer-Paradieses, wie es Attali als Voraussetzung einer neuen Ära der musikalischen »Komposition« und Kollaboration in Aussicht stellt, ist die politische Ökonomie, also das privilegierte Wissen einer gouvernementalen Durchdringung von Zwängen und Freiheiten, von Ausschlüssen und Deterritorialisierungen. Diese Durchdringung vollzieht sich im Namen einer kapitalistischen Ordnung, die an ihrer eigenen permanenten Auflösung, Erweiterung und Intensivierung arbeitet, weil sich nur so der Fall der Profitrate je kurzfristig aufhalten lässt.
Thaemlitz konstatiert, dass die Rhetorik der »reinen Information«, der sich auch Attali bediene, um das Prinzip Download zu verteidigen, tendenziell die »materialen Methoden solcher Produktion und Distribution von Information« aus den Augen verliere. Als Apologet der vermeintlich befreienden Dematerialisierung der Musik zu »Audio« weigere sich Attali schlicht zu begreifen, wie massiv sich die »finanzielle Kluft zwischen denen, die Audio produzieren, und denen, die die Mittel der Distribution besitzen«, geweitet habe.
Der Autor Jörg Albrecht hatte zum Jahresausklang 2008 von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Aufgabe erhalten, Stefan Zweigs Essay »Die Welt von gestern« aus dem Jahr 1942 zu kommentieren. Zweig blickte dabei auf die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts zurück und berichtete von einer »neuen Organisation der Gleichzeitigkeit«, in der es »keinen Schutz gegen das ständige Verständigtwerden und Mitgezogensein« mehr gebe, man also durch die organisierte Simultanität des Geschehens immer schon Teil eines Generationszusammenhangs sei.
Jörg Albrecht, Jahrgang 1981, nach eigener Aussage »drei Wochen nach MTV« geboren, geht es hingegen darum, »Identität endlich als ständig sich verändernd und veränderbar zu sehen und nicht mehr als Ausrede, auf deren Grundlage wir die anderen zu anderen erklären«.
Unter diese »anderen« fasst Albrecht sowohl »Entwicklungsländer« als auch »iPhones«, also die ethnisch, kulturell und geografisch zu Anderen Erklärten, ebenso wie die anorganischen, nichthumanen Alltagsbegleiter, Kommunikationsprothesen, Vernetzungs- und Mitmach-Tools. Albrecht fordert, dass die »Räume und die Geräte endlich als Teil des Menschen und der Geschichte« erkannt und anerkannt werden. Dies sei eine der Voraussetzungen, sich selbst als Entwicklungsland und iPhone begreifen zu lernen. Albrechts Appell: »Unsere Geschichte verteilen an alle, die an ihr teilhaben wollen.«
Das Versprechen, das Prinzip der Identifizierung in Frage zu stellen, hätte demnach futuristischen Charakter. Ihm liegt eine Theorie von Geschichte zugrunde, die in der Zukunft eine Gegenwart ohne eine belastende Vergangenheit konstruiert. Doch dieser Ausbruch aus einer Welt, in der die politischen, ökonomischen und kulturellen Vertreter der Mehrheitsgesellschaften, die Eliten und ihre Funktionäre, ihre Pfründe und Privilegien verwalten, indem sie für sich eine Identität reklamieren, die unter anderem auf nationalistisch und kulturalistisch legitimierte Besitzstände und Herrschaftsmuster gegründet ist, stellt auch eine Flucht vor dem »myself« des zirkulären Mitsichselbertanzens zugunsten einer Verstreuung und Deterritorialisierung des selben Selbst in den Netzen dar.
Bei aller gebotenen Vorsicht im Umgang mit Begriffen wie »Entwicklungsland« kann man Albrecht zu gute halten, dass er hier einen Zusammenhang erkennt und benennt, den zu verkennen ansonsten zum ideologischen Habitus von Bürgern der Ersten Welt gehört. Denn die entwicklungsbedürftigen Lebens- und Überlebensverhältnisse in Regionen, deren Bewohner weitgehend von den ökonomischen und kulturellen Netzwerken der ersten Welt abgekoppelt sind, und das iPhone als gegenwärtiges Super-Symbol eines kulturellen Kapitalismus, der äußerst profitable Geschäfte mit dem fortwährenden Rekonfigurieren und Updaten der Lebens- und Überlebensverhältnisse von Leuten mit Netzzugang macht, stehen in einem postkolonialen Machtverhältnis. Dieses Machtverhältnis wird einerseits von globalen Agrar-, Öl- oder Pharmakonzernen in Funktionseinheit mit Weltbank, Internationalem Währungsfonds und lokalen Todesschwadronen gestaltet; andererseits ist es das Resultat von Kämpfen, Verweigerungen, Mobilitäten und Wissensproduktionen von Akteuren, die sich diesen Kräften widersetzen oder entziehen.
Die jamaikanische Sängerin und Rapperin Terry Lynn hat 2008 ein Album veröffentlicht, das schon in seinem Titel den Zusammenhang von »Entwicklungsland« und »iPhone« artikuliert: »Kingstonlogic 2.0«. Die »Kingstonlogic« funktioniert anders als jene Phantasie über ein auf Laptop und iPhone gegründetes Universum von Kommunikationssphären. Sie widerspricht der Ideologie dieser Cyber-Räume, in denen »My« und »You« die einflussreichsten Pronomen sind, und spricht eine »tiefere« Wahrheit über das Sozialideal des Web 2.0 aus. Insbesondere in den kommerziellen Räumen des social networking werden permanent und massenhaft Aussagen, Sounds und Bilder von im Netz verstreuten, aber zugleich jederzeit lokalisierbaren Selbsten produziert, um diese immer restloser in Verwertungsprozesse zu integrieren.
Hört man die Musik von Terry Lynn zu dem Text von Jörg Albrecht, drängt sich die Frage noch einmal deutlicher auf, wer sich eigentlich warum die Verstreuung des Selbst leisten kann und wer auf die Möglichkeit einer solchen Verstreuung, begriffen als eine Weise des Verschwindens und Unsichtbarwerdens in den Netzen, angewiesen ist? Anders gefragt: Wann ist diese Verstreuung eine existenzielle oder theoretische Option und wann ist sie praktisch unumgänglich, eine taktische Notwendigkeit, etwa, um sich polizeilichen Zugriffen zu entziehen?
Die Begriffe der Verstreuung, der Dispersion, der Dissemination sind gute Bekannte aus dem Vokabular des Poststrukturalismus. Dessen Name versprach ja schon, dass er helfen würde, die Strukturen zu überwinden, hinter sich zu lassen, zu dekonstruieren. Das Lob der Verflüssigung ist inzwischen allerdings kein Vorrecht einer Systemkritik mehr, sondern gewissermaßen selbst System. Deterritorialisierung und Entgrenzung, das subjektkritische Pathos der Schizophrenie und der Singularität, diese Waffen und Gadgets einer Theoriebildung, die Widerständigkeit in der Verweigerung von sexueller, ethnischer und sozialer Normativität entdecken wollte, sind in den Programmen einer Gesellschaftsordnung angekommen, die von ihren Mitgliedern Flexibilität, Mobilität, Autonomie und kontinuierliche Arbeit an der adaptiven Veränderung des Selbst einfordert.
Unter »Audio« will ich vor allem ein techno-soziales Verhältnis verstehen, das in Kategorien und mit Begriffen einer politischen Ökonomie der Gegenwart beschrieben werden könnte, die unter dem Namen »Gouvernementalität« firmiert. Die Freiheit der Möglichkeiten und der Auswahl, die genuine Produkte der neoliberalen Gouvernementalität sein sollen, sind auch eine Freisetzung und eine Konfrontation mit einem drastisch erhöhten Risiko, an ihr zugrunde zu gehen. Quellen der Wertschöpfung sind längst jene Bereiche der menschlichen Existenz geworden, die sich dem Bewusstsein der oder des Einzelnen entziehen. Nicht im Sinne der geheimen Verführer subliminaler Werbung, vor denen in den fünfziger Jahren gewarnt wurde, sondern im Sinne einer Ausweitung der Profitzone in die Räume und Prozesse der Affekte, Intuitionen und Reflexe: der Handel mit Aufenthalts- und Aufmerksamkeitszeiten im Netz, das digitale Tracking von Dingen und Stimmungen, die Longtail-Umschwänzelung des Kunden-Ichs, die obszönen Einladungen zur kostenlosen Co-Kreation der Produkte, die man anschließend, weil sie so gut zu einem »passen«, auch noch selbst bezahlen darf, das schlechte Gewissen, das geschürt wird, wenn man nichts beiträgt, die unentgeltliche Produktion von Selbstporträts und Content in kommerziellen Sozialnetzwerken wie Facebook, die freiwillige Ausrüstung mit Wissen, Kompetenz, Software und Equipment, um Audio zu konsumieren und zu produzieren.
Begleitet von begeisterten Lobreden auf neue On/Offline-Gemeinschaften und nie dagewesene globale Kollaborationen bedingen mehr Konkurrenz, mehr Unsicherheit und mehr Misstrauen den alles überragenden Affekt der Angst. Die Frage, die sich im Hinblick auf die Funktion von »Audio« als einem Modus der Produktion von Subjektivität stellt, ist folgende: Wie konnte sich aus der Idee von Popmusik als Sprache von Generationen, sozialen Gruppen oder subkulturellen Szenen und als ermächtigende Kraft zur Erzeugung individueller wie kollektiver Subjektivitäten die Realität der Techno-Bürokratie herausschälen, deren Aufgabe darin besteht, den Super-Affekt Angst zu moderieren und Wertschöpfung bei fallender Profitrate und steigender Pauperisierung zu gewährleisten?
In ihrem Konzeptpapier für den Kongress »Dancing with myself« sprechen Christoph Gurk und Tobi Müller von zwei zentralen Krisen – von der Krise der Tonträgerindustrie bzw. der »Wertschöpfung von Musik« einerseits und von der Krise des »universalen Versprechens der Popmusik« andererseits. Diese Krisen sind miteinander verknüpft und auch wenn sie nicht ein- und dasselbe sind, so wäre es doch ein großer Fehler, sie als getrennte Phänomene zu betrachten.
Der Text ist eine gekürzte Version des Vortrags: Audio-Gouvernementalität oder »I only hope that I’ll survive«, gehalten auf dem Kongress »Dancing with myself« in Berlin am 17. Januar.