Rassismus im Wahlkampf in der Schweiz

Für Raben, gegen Roma

Am 8. Februar wird in der Schweiz darüber abgestimmt, ob die Personenfreizügig­keit auf Rumänien und Bulgarien ausgedehnt werden soll. Die Volkspartei und ein Großteil der Schweizer Presse agitieren im Wahlkampf unverhohlen rassistisch gegen Roma und »kriminelle Ausländer«.

Das Plakat zeigt drei aggressiv wirkende schwarze Raben, von denen zwei die Schweiz zerhacken. Der dritte wartet im Hintergrund, bis auch er an der Reihe ist und seinen Schnabel in den Brocken hauen kann. »Freipass für alle?« ist darunter zu lesen. Und: »Personenfreizügigkeit mit Rumänien und Bulgarien? Nein«.
Mit diesem Plakat macht die Schweizer Volkspartei (SVP) Stimmung gegen die Weiterführung der »Personenfreizügigkeit« und ihre Ausweitung auf Bulgarien und Rumänien, über die in der Schweiz am 8. Februar abgestimmt wird. Dass darüber hinaus die SVP-Jugend in einer eigenen Kampagne Einwanderer mit Kriminellen gleichsetzt, berichtet die Neue Zürcher Zeitung und schreibt: »Unter dem Slogan ›Nein zur freien Einwanderung von Kriminellen‹ zeigt sie etwa eine Karikatur ausländischer Einbrecher, die mit Diebesbeute aus einem Schweizer Haus schleichen.«

Mit »Kriminellen«, »Rumänien und Bulgarien« sind in erster Linie Roma gemeint, und es wird auch so verstanden, wie die Antwort der Freisinnigen Demokratischen Partei (FDP) klar macht. Sie greift ihrerseits auf einen Raben zurück, der neckisch vom FDP-Plakat blinzelt: »Wer sind hier eigentlich die Raben?« steht da geschrieben, und umgehend wird erklärt: »Unkontrollierte Einwanderung? Falsch! Nur wer einen Arbeitsvertrag vorzuweisen hat, darf sich in der Schweiz niederlassen. Fahrende haben mit der Freizügigkeit überhaupt nichts zu tun. Romas können bereits seit 2004 visumsfrei für drei Monate in die Schweiz einreisen.«
Dass in der Schweiz unverhohlen mit rassistischen bzw. antiziganistischen Stereotypen Politik gemacht werden kann, bestätigen auch die Reaktionen auf diese Wahlplakate. Zwar hagelte es sofort wütenden Protest, allerdings nur vom SVS, und das ist der Schweizer Vogelschutz. Raben seien weder listig noch aggressiv, teilte der SVS mit, und dessen Geschäftsführer Werner Müller erklärte in der Basler Zeitung vom 10. Januar: »Wir möchten verhindern, dass die Raben im Volksmund plötzlich als verschlagen und aggressiv gelten.«
Um dieses Ziel zu erreichen, betreiben Müller und seine Gefolgschaft einen nicht unbeträchtlichen Aufwand. An alle Schweizer Medien sollen in den kommenden Wochen Porträts von Rabenvögeln verschickt werden, kündigte Müller an, der den Vergleich von freizügig einreisenden Personen, also Roma, mit Raben für bedauernswert hält. »Raben sind gar keine Zugvögel«, erklärte er dazu, »sondern sehr standorttreu. Es werden also sicher keine rumänischen Kolkraben in die Schweiz kommen.«
Das ist keine Schweizer Comedy à la Emil und kein surrealistisches Manöver, um diejenigen, die Raben vor dem Vergleich mit den Roma beschützen wollen, vorzuführen. Das ist Realität. Schweizer Realität, zu der auch Leserbriefschreiberinnen gehören. Franziska Schwab aus Basel zum Beispiel. Sie war wütend auf die Schweizer Volkspartei, denn auch ihr liegen nicht die Roma, sondern die Raben am Herzen, was sie dazu brachte, der Basler Zeitung am 11. Januar wütend mitzuteilen: »Ich wünsche der Partei, dass sie sich wenigstens mit politischen Themen eingehender befasst, denn von Biologie – dies beweist das Raben-Plakat – hat die SVP keine Ahnung.«

In diesen letzten Wochen vor dem 8. Februar ist die Schweiz tief gespalten. Auf der einen Seite werben die Liberalen für den Zuzug von ausländischen Arbeitskräften, die Jobs übernehmen sollen, die die Schweizer nicht machen wollen oder können, auf der anderen Seite agitiert die SVP gegen das von ihr befürchtete »Zerhacken der Schweiz« durch »fahrendes Rumänen- und Bulgarenvolk«.
In einer Umfrage, die um die Jahreswende durchgeführt wurde, stellten die Befürworter der Freizügigkeit auch für Rumänien und Bulgarien mit 49 Prozent die Mehrheit, wobei die italienische Schweiz die Freizügigkeit aber verwirft. Und auch im deutsch- und französischsprachigen Teil der Schweiz stellen diejenigen, die Angst vor »unkontrollierter Einwanderung« haben, insbesondere durch Roma, immerhin noch 40 Prozent.
Die Basler Zeitung stellte dann folgerichtig fest, dass ihre Leser, die sich offenbar mit der Vogelwelt gut auskennen, nicht viel über Rumänien und Bulgarien wissen, und entsandte eine Reporterin, die eine ganze Woche lang folgende Fragen recherchieren sollte: »Wie kalt ist es zur Zeit in Sofia?« »Was kostet dort ein Milchkaffee?« Und: »Bekommen Bulgaren Arbeitslosengeld?«
Kurz darauf erschien ein Bericht aus dem Skigebiet Vitoschi über Skifahrer, Sessellifte und den Nebel über der Hauptstadt. »Arbeitslosigkeit und Probleme mit bettelnden Roma beschäftigen die Menschen in Sofia. Viele Fahrende schadeten dem Ansehen Bulgariens, sagen sie«, war im Text zu lesen.
In Plovdid (zweiter Tag, zweiter Bericht) will die Reporterin dann eine junge Polizeischülerin gesprochen haben, über die sie folgendermaßen resümiert: »Gabriela ist die erste Gesprächspartnerin, die von sich aus auf die Roma zu sprechen kommt. Viele andere Bulgaren machen wie wir in der Schweiz einen großen Bogen um die elenden Gestalten, die auch hier vor den Läden betteln – und um das Thema. Die Polizeiaspirantin aber weiß, dass man in Westeuropa Angst vor den Roma aus Bulgarien und Rumänien hat. ›Sie schaden unserem Ansehen sehr‹, sagt sie. Die Regierung müsse diese Bevölkerungsgruppe endlich sozialisieren. Dann bittet sie: ›Berichten Sie in der Schweiz, dass wir nicht alle schlechte Leute sind.‹«
»Elende Gestalten«, »schlechte Leute« und – im Gegensatz zu Raben – »hinterlistig und aggressiv« – das ist das Bild, das ein Großteil der Schweizer Presse, Parteien und der Vogelschutz in Hinblick auf den 8. Februar von Roma zeichnen. Allein die linksliberale Wochenzeitung WOZ bezeichnet die Plakatkampagne der SVP als rassistisch, ärgert sich aber gleichzeitig über diejenigen, die zur Freizügigkeit Nein sagen, denn wegen ihnen »muss man darüber reden, wie kriminell Rumänen oder Bulgarinnen sind oder eben nicht sind«.