Der Employee Free Choice Act in den USA

Filibustern bis zum Armageddon

Nur acht Prozent der Lohnabhängigen in den USA sind gewerkschaftlich organisiert. Die Verabschiedung des Employee Free Choice Act, der nun im Kongress debattiert wird, könnte das ändern.

Eine »tödliche Bedrohung für die Freiheit Amerikas« sieht der Republikaner Newt Gingrich im Employee Free Choice Act (EFCA), Randel Johnson von der US-Handelskammer prophezeit, der Kampf gegen das Gesetz werde »ein Feuersturm, der an das Armageddon grenzt«. In der vergangenen Woche wurde der EFCA erneut auf die Tagesordnung im US-Kongress gesetzt, sehr zum Unwillen der meisten Republikaner und Unternehmer.
In den siebziger Jahren waren über 30 Prozent der Lohnabhängigen gewerkschaftlich organisiert, seit der republikanische Präsident Ronald Reagan antigewerkschaftliche Maßnahmen durchsetzte, ist der Organisationsgrad auf nunmehr acht Prozent gefallen. Studien zufolge befürwortet jedoch über die Hälfte aller Lohnabhän­gigen in der US-Privatwirtschaft eine gewerkschaftliche Vertretung in ihren Betrieben.

Doch eine Gewerkschaftsgruppe zu gründen, ist nicht einfach. Zunächst muss sich eine Mehrheit der im Betrieb Beschäftigten für eine geheime Abstimmung über die Gründung einer Gewerkschaftsvertretung aussprechen. Diese Wahl wird dann von einer staatlichen Behörde, dem National Labor Relations Board, organisiert. Das dauert einige Monate, und sehr häufig nutzt das Management diese Zeit, um die Beschäftigten unter Druck zu setzen. Durch Einzelgespräche, Drohungen und Kündigungen schaffen es die Unternehmer meistens, die Gewerkschaftsgründung zu verhindern.
Der EFCA sieht vor, dass in Zukunft lediglich ei­ne Mehrheit der Beschäftigten per Karte für eine gewerkschaftliche Vertretung stimmen muss. Ist das geschehen, können die Wahlen für den Betriebsrat beginnen. So leicht wollen es Republikaner und Unternehmer den Lohnabhängigen nicht machen, zumal bei den Gewerkschaften für verschiedene Branchen bereits Millionen von Karten ausgefüllt bereit liegen sollen. Für Großunternehmen wie Walmart, die Gewerkschaften bislang nicht dulden, käme das tatsächlich einem Armageddon nahe.
Doch obwohl die Demokraten in beiden Kammern des Kongresses die Mehrheit haben, könnte die Verabschiedung ein langwieriger Prozess werden oder sogar scheitern. Für den EFCA müssen 60 von 100 Senatoren stimmen, und auch einige konservative Demokraten lehnen das Gesetz ab. Sie sollen durch ein komplexes Manöver gewonnen werden. Vorgesehen ist, dass sie zunächst für den Abbruch der Debatte stimmen, um den Filibuster, die Verzögerungstaktik der republikanischen Gegner, zu beenden. Beim eigentlichen Votum, das nur eine einfache Mehrheit zur Verabschiedung erfordert, können sie dann das Gesetz ablehnen.

Es werden jedoch auch zwei republikanische Stimmen benötigt, um den Filibuster zu beenden. Vor allem die Gewerkschaften versuchen Greg Sar­gent vom Washingtoner Insiderblog The Plum Line zufolge nun, zwei Republikaner zu gewinnen. Die Bemühungen konzentrieren sich auf Lisa Murkowski und Arlen Specter.
Die Senatorin Murkowski repräsentiert Alaska, einen konservativen Bundesstaat, der jedoch einen sehr hohen gewerkschaftlichen Organisierungsgrad hat. Murkowski wird Korruption vorgeworfen, sie könnte bei den Vorwahlen im kommenden Jahr gegen die ehemalige Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin unterliegen. Daher ist das Angebot des Gewerkschaftsdachver­bands AFL-CIO, sie bei ihrer Wiederwahl zu unterstützen, sofern sie für den EFCA stimmen sollte, sicher verlockend.
Arlen Specter, ein Senator aus Pennsylvania, stimmte im Jahr 2007 für den EFCA, der moderate Republikaner unterstützt Obamas Konjunkturprogramm und muss befürchten, bei der nächs­ten Vorwahl durch einen konservativen Konkurrenten ersetzt zu werden. Medienberichten zufolge verhandelt er mit dem AFL-CIO und der demokratischen Führung sogar über einen Parteiwechsel.
Die Chancen für eine Verabschiedung stehen also nicht schlecht, zumal ein Demokrat wohl bald in den Senat nachrücken wird. Der ehemalige Komiker und demokratische Kandidat Al Franken gewann zwar einen Senatsposten im Bundesstaat Minnesota, da sein republikanischer Kontrahent die Wahl aber angefochten hat, kann Franken sein Amt bis zur juristischen Klärung nicht antreten. Seine Unterstützung für den EFCA steht außer Frage, er ist Mitglied in vier Gewerkschaften.