Serie über Serien: »The Prisoner«

Vergesst Bond!

Serie über Serien. »The Prisoner« ist eine revolutionäre Agentenserie aus dem Jahr 1967.

Anfang des Jahres erreichte uns eine traurige Nachricht. Der amerikanische Schauspieler Patrick McGoohan war am 13. Januar im Alter von 80 Jahren in Los Angeles gestorben. Patrick McGoohan, wer soll das sein? Für seine Fans ist der Name identisch mit einer Figur, die keinen Namen hatte, sondern nur eine Nummer: Number Six.
McGoohan war nicht nur Hauptdarsteller, sondern auch Autor der britischen Fernsehserie »The Prisoner« von 1967, die zwei Jahre später im ZDF unter dem Titel »Nummer 6« ausgestrahlt wurde. Die Rahmenhandlung der insgesamt 17 Folgen wird dem Zuschauer in der ­Anfangssequenz immer wieder ins Gedächtnis gerufen: Ein Mann rast in London in einem Lotus Seven-Sportwagen an den Houses of Parlia­ment vorbei in eine Tiefgarage, betritt ein Büro und wirft Wut entbrannt einen Brief mit der Aufschrift »Private – Personal – By Hand« auf einen Schreibtisch – seine Kündigung beim britischen Geheimdienst. Zurück in seiner Wohnung packt er einen Koffer, offensichtlich beabsichtigt er, die Stadt zu verlassen. Unterdessen parkt vor seinem Haus ein Leichenwagen. Ein Bestatter steigt aus und sprüht ein weißes Betäubungsgas durch das Schlüsselloch der Wohnung. Der Ex-Agent verliert das Bewusstsein und erwacht in einer Wohnung, die seiner täuschend ähnlich nachgebidlet ist. Tatsächlich befindet er sich nicht mehr in London, sondern in »The Village«, einem Inseldorf, in dem er von nun an leben muss. Unterlegt sind die Szenen mit der mitreißenden Musik von Ron Greiner (»Dr. Who«).
Im Anschluss daran folgt in fast allen Folgen ein Dialog zwischen dem Ex-Agenten und seinen Entführern: »Where am I?« – »In the Village.« – »What do you want?« – »Information.« – Whose side are you on?« – »That would be telling … We want information. Information! INFORMATION!« – »You won’t get it.« – »By hook or by crook, we will.« – »Who are you?« – »The new Number Two.« – »Who is Number One?« – »You are Number Six.« – »I am not a number – I am a free man!« Am Ende bricht Number Two in ein hysterisches Gelächter aus. Zum Widererkennungswert der Serie trägt außerdem der Gruß der Village-Bewohner bei: »Be seeing you!« Zeigefinger und Daumen werden dabei als Kreis geformt vor das rechte Auge gehalten.
»The Prisoner« ist keine normale Fernseh­serie. Jede Folge beinhaltet einen Fluchtversuch von Number Six und eine neue Methode, wie die stets neu besetzte Person der Number Two die Informationen aus ihm herauspressen will. Doch weder wird dem Zuschauer ersichtlich, um welche Information es sich handelt, noch in wessen Auftrag Number Two handelt. Eine Number One erscheint, wenn überhaupt nur indirekt am Telefon oder als riesiger weißer Gummiball, der unseren Helden daran hindert, über das Meer zu entfliehen. Der Clou überhaupt ist, dass Number Six zwar stets aufmerksamer und schneller ist als seine Gefängniswärter, die Flucht ihm jedoch bis zum Ende nicht gelingt. Der Anti-Held McGoohan, der auch mal für die Rolle des James Bond im Gespräch war, ist als moralisch integre Hauptperson vor der anonymen Macht stets zum Scheitern verurteilt.
Kein Wunder, dass dieses Thema und die einzelnen Folgen zu verschiedenen Interpretationen und Spekulationen über die Macht des Staats und die Ohnmacht des Individuums einluden, dass bis heute mehrere Prisoner-Fanclubs existieren und man davon ausgehen kann, dass die Macher von »The Truman Show« und »Lost« die Serie gesehen haben.
Die Ausstattung entspricht den sechziger Jahre. Auch Motive in einzelnen Folgen knüpfen direkt an zeitgenössische gesellschaftliche Konflikte an. So kritisiert Number Six in der Folge »Living in Harmony« das Vorgehen der damaligen US-Regierung in Vietnam und bekommt von den Village-Herrschern des Öfteren halluzinogene Drogen eingeflößt, damit er endlich spricht.
Über 40 Jahre nach der Erstausstrahlung der Serie hat der amerikanische Fernsehsender AMC nun eine sechsteilige Neuauflage von »The Prisoner« gedreht, die ab November dieses Jahres ausgestrahlt werden soll. Hauptdarsteller ist Jim Carviezel, der den Jesus in Mel Gibsons »Die Passion Christi« spielte. Sein Gegenspieler ist Ian McKellen, auch bekannt als Gandalf in der »Herr der Ringe«-Trilogie. Denn anders als im Original wird Number Two hier immer gleich besetzt. Patrick McGoohan hat das Remake zwar kurz vor seinem Tod noch gutgeheißen, von einem Gastauftritt jedoch abgesehen. Seine Fans weltweit sollten es deswegen nicht verpassen, im November den Fernseher einzuschalten oder die Folgen on­line abzurufen. »Be seeing you!«