Debatte um die Enteignung der Hypo Real Estate

Lektionen für Schlankfüßige

Die Debatte um die Enteignung der Hypo Real Estate zeigt: Etatismus ist eine Frage der richtigen Geste zur richtigen Zeit.

Widerspenstige Landwirte und Kleingärtner mussten die Erfahrung machen: Wer sein Grundstück nicht freiwillig hergeben möchte, um dem Staat darauf z.B. den Bau einer Auto- oder Landebahn zu ermöglichen, der wird eben ent­eignet. »Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig«, heißt es in Artikel 14, Absatz 3 des Grundgesetzes. Wer oder was auch immer diese Allgemeinheit sein soll – der Straßenbau ist ihrem Wohl anscheinend sehr zuträglich. Deshalb mussten sich Privateigentümer immer wieder Enteignungen fügen und mit einer Entschädigungszahlung abfinden.
Von einem »Tabubruch« kann derzeit also nicht unbedingt die Rede sein. Das von der FDP als solcher bezeichnete und vom Bundestag in der vergangenen Woche verabschiedete »Rettungs­übernahmegesetz« ist aber dennoch außergewöhnlich. Es sieht mehrere Schritte bis hin zur Enteignung der Hypo Real Estate (HRE) vor. Etwa 102 Milliarden Euro an staatlicher Hilfe hat die »systemrelevante« Bank mit »Dominofunktion« (Kurt Beck) schon erhalten, was aber recht wenig gebracht hat. Weitere sechs bis zehn Milliarden Euro braucht die HRE, um dem für April prognostizierten Konkurs zu entgehen. Da könne man den Laden gleich übernehmen, sagt vor allem Finanzminister Peer Steinbrück (SPD).
Dem Vorhaben steht nur ein Mann im Weg: der US-amerikanische Investor Christopher Flowers, der etwa 24 Prozent der Anteile an der HRE ­besitzt und auch behalten möchte, um seine Verluste zu verringern. Denn würde der deutsche Staat den Finanzkonzern mit einem Geschäftsanteil von 75 Prozent aufpäppeln, wären die ­Aktien von Flowers auch wieder mehr wert als die derzeitigen 80 Cent pro Stück; der Kaufpreis hatte im Sommer 2008 22,50 Euro betragen.
Mit wem man es in Flowers Fall zu tun hat, machte Fritz Kuhn, der Fraktionsvorsitzende der Grünen, in einem Vorwurf an die sich der Enteignung verweigernde FDP klar: »Verstehen wir uns als Vertreter von Heuschrecken oder als Vertreter der Bürger dieses Landes?« Dabei hat die FDP nichts dagegen, mit Hilfe des Aktienrechts »einen das Unternehmen schädigenden Gesellschafter herauszuholen«, selbst Otto Graf Lambsdorff schimpfte in der Welt über »renditehung­rige Anleger«, also »Heuschrecken«.
Angela Merkel mahnte die Liberalen lediglich nachsichtig bei »Anne Will«, sie machten »sich da einen schlanken Fuß«. Die Botschaft war klar: Will die FDP nach den Bundestagswahlen mit der CDU koalieren, muss sie sich damit abfinden, dass der Staat in der Krise auch mal eine Enteignung vornimmt.
Schließlich führt Flowers einen »Kampf gegen den Staat« (FAZ). Die vermeintliche Attacke eines amerikanischen Investors wird nun vom deutschen Staat abgewehrt, der im bisherigen Verlauf der Krise eher zögerlich in die wirtschaftlichen Vorgänge eingriff. Aber so verhält es sich mit dem Etatismus: Sein Grad lässt sich nicht an Milliarden messen, sondern an den Demonstrationen der Stärke, die der Staat in ausgewählten Fällen veranstaltet. In der FAZ hieß es schwärmerisch: »In der Krise ist der Staat stärker – stärker selbst als ein Milliardär.« Ein amerikanischer noch dazu. Diese Lektion ist der Regierung doch etliche Milliarden wert.