Über linke Nato-Gegner

Ganz ohne Eigeninteresse

Dass die Nato in der Krise steckt, hält ihre Gegner nicht vom Protestieren ab. Schließ­lich gibt es genug Gründe, um ­gegen die Nato zu sein: unter anderem Nationalismus, Nostalgie und eine leichte Paranoia.

Manchmal hofft man insgeheim, auch Nazis seien ab und an zu etwas nützlich. Etwa, wenn sie sich Palästinensertücher umwickeln und »Kapitalismus zerschlagen« auf ihre Transparente malen. Denn man könnte meinen, der­artiges helfe, Linke darüber aufzuklären, dass ein Palästinensertuch nicht schick und Antikapitalismus per se noch keine gute Sache ist.
Die Hoffnung auf solche Lerneffekte ist natürlich illusionär. Und das ist sie auch, wenn es um die Proteste gegen die Nato geht. Zur Demonstration, die die Jungen Nationalisten (JN) gegen den Nato-Gipfel organisieren, hieß es auf der Website der Antifaschistischen Aktion Freiburg schlicht: »Offensichtlich versuchen die FaschistInnen, mit dem Betreten linker Agitationsfelder in einem sozialen Licht zu erscheinen.« Auf Indymedia klagen Nato-Gegner angesichts der Nazi-Demonstration: »Immer öfter versucht man sich aus der rechten Ecke ins Gespräch zu bringen, da ist jeder Anlass willkommen, sei er auch noch so dahergeholt begründet.«

»Hinbiegen« müssen die Nazis kaum etwas, wenn sie »linke Agitationsfelder betreten«. Im Falle der Proteste gegen die Nato reicht es, wenn sie die in der Friedensbewegung ohnehin vorhandenden nationalistischen Ressentiments offen zum Ausdruck bringen. »Hinter der Nato steht nicht der gemeinsame Wille aller Mitgliedstaaten, eine sicherere Welt zu schaffen, sondern die USA mit ihrem weltweiten Herrschaftsanspruch«, heißt es bei den JN. »So war die Nato immer nur ein Instrument der USA, um ihre Interessen auf dem Rücken anderer Völker auszutragen.« Linke Kritiker der Nato, wie etwa die Autoren des 2008 in Stuttgart verfassten Appells gegen die Nato, schreiben, »in Wirklichkeit« sei die Nato »ein Vehikel für den Einsatz von Gewalt unter Führung der USA«. Damit klar ist, wer Akteur und wer bloßer »Vasall« ist, heißt es dort: »Die Politik der EU wird immer enger an die Nato angebunden.«
Auch französische Nato-Gegner befürchten angesichts des Wiedereintritts ihres Landes in die Nato, man brauche Frankreich deshalb, weil Amerika weltweit seine Glaubwürdigkeit eingebüßt habe und man sich mit Frankreich nun das »Land der Menschenrechte« ins Bündnis holen wolle. Dass Deutschland und Frankreich im Bündnis durchaus eigene, nicht allein dem Weltfrieden verpflichtete Interessen verfolgen, die mit denen der Amerikaner mal zur Deckung kommen, mal über Kreuz liegen, wird gern ausgeblendet. Die Forderung »Raus aus der Nato« geht meist mit der Annahme einher, der eigene Staat sei, einmal befreit vom schädlichen Einfluss der anderen, keinesfalls bereit, seine Interessen im Bedarfsfall auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen.

Andererseits haben mittlerweile auch viele Friedensbewegte begriffen, dass sich zumindest die EU nicht zum friedfertigen Gegenstück der USA stilisieren lässt. Im Aufruf zu einem »Summer of Resistance«, der mit den Protesten gegen die Nato beginnen soll, wird vor allem die Militarisierung der inneren wie äußeren Sicherheitspolitik der EU angegriffen.
Warum aber muss der Protest gegen den Nato-Gipfel als Auftakt der Kampagne herhalten, wenn die Politik der EU das größere Problem zu sein scheint? Im Aufruf zum »Summer of Resistance« heißt es, die EU strebe »eine Art innenpolitische Nato« an. Offenbar weil sich gegen den Ausbau der diversen Sicherheitsapparate der EU von Frontex bis zur »Europäischen Gendarmerietruppe« nicht genug Demonstranten finden ließen, wird die europäische Sicherheitspolitik flugs zu einer »Art innenpolitischer Nato« erklärt, und schon kommen die europäischen Friedensfreunde in Scharen – sei es, um gegen den »US-Imperialismus« zu demonstrieren, sei es aus purer Nos­talgie.

Andere aus der Friedensbewegung, die sich durchaus antinationalistisch geben, halten sich mit der Analyse von sicherheitspolitischen In­teressen der verschiedenen Akteure gar nicht erst auf, sondern widmen sich lieber gleich dem großen Ganzen: der »Linie vom Krieg um Gaza über den ›Krieg gegen den Terror‹, die militärische Absicherung von Europas Grenzen gegen die Flücht­linge aus den Armutsregionen der Welt, die städtischen Militärpatrouillen in Italien, über den Doppelpack aus staatlichen ›Rettungsschirmen‹ für das Finanzkapital und neuen Heimatschutz-Gesetzen zur Überwachung der Bevölkerung – bis zum Nato-Gipfel 2009«. Das, so glaubt eine Broschüre der Interventionistischen Linken zu wissen, »ist der Zusammenhang von Krieg und Krise«. Denn der »Tod in Gaza« verweise auf eine »globale Tendenz«: »die Schaffung von Zonen der völligen Prekarität, wo alle sozialen, ökonomischen und politischen Strukturen der Gesellschaft zerstört werden, wo ein permanenter Ausnahmezustand herrscht und von außen eine militärische Ordnung etabliert wird, die durch Mauern, Grenzzäune und Kontrolle sicherstellt, dass niemand entkommen kann«.
Für wen das wozu gut sein soll, wer hier mit welchen Interessen »Zonen der völligen Prekarität« schafft und welche Rolle die Nato dabei eigentlich spielt, vermag die Interventionistische Linke nicht zu beantworten. Aber ihre leicht paranoide Sicht der Dinge hat einen entscheidenden Vorteil: Dank ihr können nun alle, die sich irgendwie als »Prekariat« verstehen, vereint mit Nazis und Islamisten gegen die Nato intervenieren.