Mieser Nachwuchs

In seinem Romandebüt »Paradiso« gelingt Thomas Klupp das Kunststück, die Hauptfigur Alex Böhm so langsam als perfiden Antihelden aufzubauen, dass sich der Leser erst nach vielen Seiten die Augen reibt und denkt: »Wow, wie mies kann man eigentlich sein?« Anfangs hegt man durchaus noch Sympathien für den Filmstudenten, der an einem heißen Sommertag irgendwo bei Potsdam von seiner Mitfahr­gelegenheit versetzt wird und beim Trampen ausgerechnet im Luxusschlitten eines ehe­maligen Mitschülers landet.
Die absurde Road Novel über deutsche Autobahnen und ihre hässlichen Raststätten wurde von den Feuilletons bejubelt. Die liebevollen Porträts der Mitreisenden auf dieser Autoodyssee weichen einer erschreckenden Introspektive in den durch und durch narzisstischen Kopf von Alex. Während seine Neigung, die Mitmenschen anhand ihrer Frisuren zu beurteilen, anfangs nur amüsiertes Unbehagen hervorruft, wünscht man dem Jungen irgendwann solche bösen Läuterungsszenen, wie sie Goethes jugendliche Helden auf jeder ihrer Reisen erleiden mussten. Aber dieser Alex scheint gegen alles immun und würde unverdrossen weiter nach Leuten Ausschau halten, die seine Karriere voranbringen, und sich neue Freundinnen suchen, die sich optisch noch besser in das von ihm anvisierte gesellschaftliche Setting einpassen. »Paradiso« ist eine Reiselektüre, bei der man sich am Ende besorgt fragen kann, wohin die Reise gehen wird. Schließlich wird diese junge Elite in ein paar Jahren auf gesellschaftlich relevanten Posten sitzen.

Thomas Klupp: Paradiso. Berlin Verlag, Berlin 2009, 208 Seiten, 18 Euro