Fujimoris Tochter will Perus Präsidentin werden

Im Namen des Vaters

Der ehemalige peruanische Präsident Fujimori wurde wegen Mordes zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Nun möchte seine Tochter Keiko Präsidentin werden.

Am Ortsausgang von La Oroya ist die orangefarbene Parole »Fuerza 2011« kaum zu übersehen. Hier waren die Auftragsmaler genauso tätig wie in Cusco oder Chimbote. Im ganzen Land haben sie die Parole auf markante Hauswände gemalt und zumeist mit dem Slogan »Fujimori Inocente« ergänzt.
Unschuldig, inocente, ist der ehemalige Präsident Perus allerdings nicht. Anfang April sprach eine Sonderkammer des Obersten Gerichtshofs in Lima nach 160 Prozesstagen den 70jährigen Alberto Kenya Fujimori, der von 1990 bis 2000 in Lima im Präsidentenpalast residiert hatte, in allen Anklagepunkten schuldig. Er wurde zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt, die drei Richter sahen es als erwiesen an, dass der ehemalige Präsident mindestens 25 Morde und zwei Entführungen angeordnet hat. Ausgeführt wurden die Befehle aus dem Präsidentenpalast von der Todesschwadron La Colina, die aus Angehörigen des militärischen Geheimdienstes bestand und der rechten Hand Fujimoris, Vladimiro Montesinos, unterstand.
Dies ist die erste Verurteilung eines gewählten Staatsoberhauptes wegen der Verletzung von Menschenrechten. Fujimori will Berufung einlegen. Zu einer darüber hinausgehenden Stellungnahme war er nicht bereit.

Begangen wurden die Verbrechen in den Jahren 1991 und 1992. Fujimori habe, so ist es in der über 700 Seiten starken Urteilsschrift zu lesen, die Geheimdienstler »autorisiert, geleitet und kontrolliert«. Nachdem die beiden Massaker bekannt geworden waren, hatte der Präsident seine schützende Hand über die Todesschwadron und deren Befehlshaber Vladimiro Montesinos gehalten. Beim ersten Massaker im November 1991 wurden auf einer Party in Lima 15 Menschen ermordet. Im Juli 1992 waren es neun Studenten und ein Hoch­schullehrer, die sterben mussten, weil sie Komplizen der Terrorbewegung Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad) gewesen sein sollen.
Schuldig gesprochen wurde »El Chino« (der Chinese), wie Fujimori in Peru gern genannt wird, obgleich er japanischer Abstammung ist, auch wegen der Verhaftung des Journalisten Gustavo Gorriti und des Geschäftsmanns Samuel Dyer. Die beiden wurden am 5. April 1992 in das Hauptquartier der Streitkräfte verschleppt, am Tag des »autogolpe« (Selbstputsch), als Fujimori das Parlament auflöste und das Militär die Kontrolle übernahm.
Für die Angehörigen der Opfer, wie Gisela Ortiz, die Schwester eines der ermordeten Studenten, war es das erste Mal, dass sich »die peruanische Justiz ihren Namen verdient hat«. Auch interna­tionale Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch werteten das Urteil als »mäch­tige Botschaft« für Lateinamerika. Internationale Standards der Rechtsprechung seien gewahrt worden, nach Jahren der Verhinderung der Strafverfolgung sei Fujimori letztlich für einige seiner Verbrechen zur Rechenschaft gezogen worden, sagte Maria McFarland von Human Rights Watch im Anschluss an die Urteilsverkündung.
Das sehen die Angehörigen Fujimoris ganz anders. Seine Tochter Keiko sprach von der »Chronik einer angekündigten Verurteilung« und einem »Urteil voller Hass und Rache«. Die 33jährige, die ihren Vater bereits während der Präsidentschaft als First Lady begleitete, nachdem sich dessen Frau von ihm getrennt hatte, ist die treibende Kraft hinter der Kampagne »El Pueblo con El Chino« (Das Volk für El Chino). Mit der landesweiten Kampagne versucht sie seit 2005, Stimmung für ihren Vater zu machen, im vorigen Jahr gründete sie die Partei Fuerza 2011.
Im Jahr 2005 reiste Fujimori von Japan nach Chile ein, um von dort seine eigene Kampagne für die damaligen Präsidentschaftswahlen in Peru zu lancieren. Doch Fujimori hatte sich verspekuliert und wurde, da ein internationaler Haftbefehl der peruanischen Behörden gegen ihn vorlag, in Santiago de Chile schließlich festgenommen und später ausgeliefert.

Auf der Suche nach dem ehemaligen Präsidenten waren die peruanischen Behörden bereits seit dem November 2000. Damals flog der Korruptionsskandal um Fujimoris berüchtigten Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos auf. Der Präsident nutzte eine Asien-Reise, um per Fax seinen Rücktritt zu erklären und sich ins Exil nach Japan abzusetzen. Dort wurde es ihm anscheinend zu langweilig, und so entschloss er sich zur Reise nach Chile. In Lima wollte man dem Versuch des Mannes, ein weiteres Mal zu kandidieren, nicht tatenlos zusehen.
Schon damals war es Keiko Fujimori, die ihren Vater als Kandidaten ins offizielle Register einschrieb, obwohl ein Gericht die Kandidatur untersagt hatte. Ende 2005 initiierte die strebsame Tochter dann die Kampagne zugunsten ihres Vaters. Der ist in Peru noch immer recht populär, Spenden für die Kampagne belegen das. Sollte der Vater bei den Wahlen im Jahr 2011 verhindert sein, so will seine Tochter für ihn antreten.
Ihre Chancen stehen gar nicht so schlecht, denn seit drei Jahren sitzt Keiko Fujimori im peruanischen Parlament, sie erhielt 602 000 Stimmen, mehr als jeder andere Abgeordnete. Auch in Umfragen schneidet die Frau, die als Präsidentin umgehend den eigenen Vater begnadigen und rehabilitieren würde, gut ab. Derzeit begrüßen zwischen 16 und 19 Prozent der Wahlberechtigten ihre Kandidatur, und rund ein Drittel der Peruaner erinnert sich gern an Fujimoris Amtszeit, ungeachtet der autoritären Politik und einer oftmals fragwürdigen Verteilung der Staatsressourcen. So stört sich auch kaum jemand an seinem Konterfei, das seit Jahren nahe der Plaza Bolognesi im Zentrum von Lima an einem Haus in der Avenida Alfonso Ugarte hängt. Dort befinden sich die Büros der Partei Keikos, die weiter Druck für Freilassung ihres Papas machen will.

Der amtierende Präsident Alan García könnte Fujimori begnadigen. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch schließen nicht aus, dass er es tun wird, denn García muss wegen Menschenrechtsverletzungen während seiner ersten Amtszeit von 1985 bis 1990 selbst Strafverfolgung fürchten. Mittlerweile hat er jedoch immerhin nach Monaten der politischen Querelen das »Museum der Erinnerung« genehmigt. In diesem Museum soll der rund 70 000 Opfer des Krieges zwischen dem Staat und den Guerillagruppen gedacht werden. Die deutsche Regierung hat für das Projekt 1,7 Millionen Euro bewilligt, die die peruanischen Behörden zunächst nicht annehmen wollten oder konnten. Auch der Vorsitz der Museumskommission ist mittlerweile vergeben, und mit dem streitbaren Schriftsteller Mario Vargas Llosa wurde jemand gefunden, der dem Fujimori-Clan alles andere als genehm sein wird.