Über sexuelle Dienstleistungen und die Arbeitsagenturen

Neues Feingefühl

Die Vermittlung von sexuellen Dienstleistungen kann den Beschäftigten der Arbeits­agenturen nicht zugemutet werden. So urteilte das Bundessozialgericht.

»Gegen die guten Sitten« verstoßen solche Arbeiten, beklagen die Agenturen für Arbeit und wollen ihren »jungen oder feinfühligen Jobvermittlern nicht zumuten, sich mit dem Rotlichtmilieu abzugeben«. Das Bundessozialgericht in Kassel wies vorige Woche in dritter Instanz die Klage eines Bordellbesitzers ab, der sozialversicherungspflichtige Angestellte für seinen Club gesucht und mit dem Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 argumentiert hatte. Seitdem können Prostituierte oder Callboys offiziell selbständige oder abhängige Beschäftigungen ausüben. Ihre Arbeit gilt nicht mehr als sittenwidrig.
Die Argumentation der Arbeitsagenturen klingt absurd, denn vielen Erwerbslosen sind ihre »Fallmanager« keineswegs als besonders feinfühlig aufgefallen. Ganz im Gegenteil, sind es doch jene, die häufig noch die sinnloseste Maßnahme oder den miesesten Job durchaus als zumutbar für ihre »Kunden« erachten. »Dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass er zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist.« So steht es im Sozialgesetzbuch. Nur gehen bekanntlich die Auslegungen des Paragrafen, der nicht zuletzt die Erwerbslosen schützen soll, weit auseinander. Umso seltsamer, dass das Kriterium von den Agenturen zum Schutz der eigenen Beschäftigten angeführt wird, deren Jobs auch dann noch zu den angenehmeren zählen dürften, wenn sie einmal im Monat mit einem Bordellbesitzer telefonieren müssten.
Das Bundessozialgericht begründete seine Entscheidung mit der Furcht vor einer Förderung der Prostitution, welche nicht vereinbar mit der Werteordnung der Bundesrepublik sei, die von den Arbeitsämtern vertreten werde. In den vergangenen Jahren hatten die Arbeitsagenturen auch schon andere Werte vertreten. So beschäftigte sich etwa Emma mit einem Fall, in dem sich ein vermittelter Job als Kellnerin als Animiertätigkeit entpuppte, an der der zuständige Arbeitsvermittler nichts Anrüchiges fand. »Empfänger von Arbeitslosengeld II müssen jede Arbeit annehmen, die nicht gesetzes- oder sittenwidrig ist«, lautete die Devise, und die Sittenwidrigkeit war ja nicht mehr gegeben.
»Wir werden nicht vermitteln, solange es nicht eine eindeutige moralische Haltung in Deutschland zur Prostitution gibt. Wenn doch, müsste es aber ein ganz normaler Beruf sein, ohne Wenn und Aber. Und das schließt auch das Recht auf Weiterbildung ein.« Letztgenanntes wäre dem Bundesverband der sexuellen Dienstleistungen am liebsten, der für Qualitätsstandards in der Branche, für rechtliche Aufklärung und für ein besseres Bild in der Öffentlichkeit eintritt. Stephanie Klee, die Sprecherin des Verbandes, sagte: »Ich sehe nicht ein, dass wir Steuern zahlen, unsere Abgaben an die Arbeitsagentur leisten und dann ständig in unseren Rechten beschnitten werden. Das grenzt ja an Zuhälterei.« Je eher sexuelle Dienstleistungen gesellschaftlich anerkannt werden, desto besser können die Angestellten und Selbständigen ihre Arbeitsbedingungen aushandeln – die schon heute nach dem Geschmack vieler Prostituierter besser sind als die mancher Kassiererin.
Doch so lange ein faktischer Arbeitszwang besteht, besteht auch die Gefahr, dass Erwerbslose in Jobs vermittelt werden, die sie nicht ausüben wollen. Um Fälle wie den in Emma geschilderten auszuschließen, mag auch mal das Feingefühl von »Fallmanagern« herhalten.