Der Aktionstag des DGB

Klassenkampf? Wahlkampf!

Der »Aktionstag« des DGB war der bisher größte Protest in der Wirtschaftskrise. Doch die Gewerkschaften haben sich lediglich als Wahlhelfer betätigt und so nur ihre eigene Überflüssigkeit bewiesen.

Deutschrock, Bratwurst, Großleinwand – beim »Aktionstag« des DGB »für einen europäischen Sozialpakt« am vergangenen Samstag ging es zu wie gewohnt, fast könnte man vergessen, dass die schwerste Weltwirtschaftskrise seit den dreißiger Jahren herrscht. Behäbig schiebt sich der lange Demonstrationszug zur Berliner Siegessäule, die kleinen Blöcke von Anarchosyndikalisten, Schülern und klassenkämpferischen Linken verschwinden in einem Meer von Gewerkschaftsfahnen. Mit 100 000 Teilnehmern ist es der größte Protest gegen die Folgen der Krise, der bislang in Deutschland stattgefunden hat.
Mag die Wirtschaftskrise auch Unternehmen und ganze Staaten in den Abgrund reißen, der sozialpartnerschaftlichen Ideologie des DGB beschert sie Hochkonjunktur. Um keinen Gedanken daran aufkommen zu lassen, dass die Verhältnisse schlecht, nämlich zum sicheren Schaden der Produzenten eingerichtet sind, wettert der DGB-Vorsitzende Michael Sommer auf der Abschlusskundgebung gegen »Voodoo-Geldgeschäfte«, »skrupellose Casino-Kapitalisten« und »gewissenlose Finanzhaie«, nicht ohne mit der Geißelung des »angloamerikanischen Shareholder-Value-Kapitalismus« klarzustellen, woher das Unheil kommt. Die deutsche Regierung sieht der DGB auf dem rechten Weg, nur konsequenter soll sie ihren Kurs verfolgen: mehr Konjunkturprogramme, mehr Unternehmensrettungen, mehr Regulierung der Finanzmärkte.
Dennoch setzt der DGB auf einen Regierungswechsel, und darin dürfte der eigentliche Grund für die Massenkundgebung liegen. Das zwischenzeitlich etwas getrübte Verhältnis zur Sozialdemokratie hat sich wieder aufgehellt, erst kürzlich unterstützte der DGB deren Europa-Wahlkampf, indem er gemeinsam mit ihr das Positionspapier »Für ein Europa des sozialen Fortschritts« vorlegte. Nun führen neben der Gewerkschaftsspitze Franz Müntefering, Renate Künast und Cem Özdemir die Demonstration an, und kaum ein Redner versäumt es, mehrfach auf die Europa- und Bundestagswahlen hinzuweisen. »Die Weichen«, so der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske, »werden in den Wahlen 2009 gestellt« – könnte eine Gewerkschaft ihre eigene Überflüssigkeit deutlicher bekennen?
Für die Gewerkschaftsbasis bleibt nur die Aufgabe, »die Botschaft ins Land zu tragen«, und ihre Anführer formulieren dies mit allerhand Pathos und Dramatik, damit nicht gleich auffällt, was es praktisch bedeutet: Weitere Aktionen oder gar Streiks sind nicht geplant. Es brauche »Millionen im Widerstand«, donnert der Vorsitzende der IG Bau, Klaus Wiesehügel, ins Mikrofon, als bereite sich der DGB gerade auf einen Bürgerkrieg vor, wo es doch nur um Wahlkampfhilfe geht. Auch soll wohl die Aussicht, daheim im Betrieb wichtige Überzeugungsarbeit zu leisten, das quälende Gefühl dämpfen, der heranrollenden Krise ohnmächtig und untätig ausgeliefert zu sein.
Immerhin: Die Verdi-Jugend, die in letzter Zeit durch Linksabweichung auffällt, verteilte Handzettel mit dem schönen Satz von Marx: »Keine Art Bankgesetz kann die Krise beseitigen«. Während Sommer die infame Losung von einer »Marktwirtschaft für Menschen« in Umlauf bringt, bekundet sie, »reif für die nächste Gesellschaft« zu sein. Aber vermutlich haben wieder die Pessimisten recht, die in solchen Erscheinungen nur das linke Feigenblatt für einen Gewerkschaftsbund sehen, der so marode ist wie die herrschende Ökonomie, an deren Schicksal er sich auf Gedeih und Verderb gekettet hat.