Obama will saubere Autos für die USA

Abrüstung bei Muscle Cars

Benzinverschwendung war gestern. US-amerikanische Autos sollen bis 2016 weniger Benzin verbrauchen und sauberer werden. Nach jahrelanger Blockade einigten sich Autoindustrie, Politik und Gewerkschaften auf neue Standards.

Eine jahrelange Auseinandersetzung um Benzinverbrauchstandards ging vergangene Woche in den USA zu Ende. Mit einer Reihe von Verordnungen gab Präsident Barack Obama die Einführung landesweit geltender Grenzwerte für Autoabgase und Treibstoffverbrauch bekannt. Bis 2016 werden die so genannten Corporate Average Fuel Economy (Cafe)-Standards für PKWs 39 Meilen pro Gallone (etwa sechs Liter pro 100 Kilometer) betragen. Für »leichte« LKW – darunter zählen die »Muscle Cars« wie etwa Geländewagen – sind 30 Meilen pro Gallone vorgeschrieben. Mit den neuen Normen wird die landesweite Realisierung eines entsprechenden Gesetzes vollzogen, das bereits 2007 vom Kongress beschlossen wurde.
Der US-Präsident sprach in seiner Rede vor Vertretern der Industrie und der Politik von einem »historischen Schritt«. Und obgleich die neuen Standards weit unter den europäischen liegen, ist dies im US-amerikanischen Kontext tatsächlich der Fall.

Seit 25 Jahren, als zuletzt Obergrenzen für den Benzinverbrauch beschlossen wurden, haben alle wichtigen Akteure eine Neuregelung abgelehnt. Bis auf wenige demokratische Umweltpolitiker im Kongress und eine relativ einflusslose Gruppierung von Wissenschaftlern und Aktivisten beschäftigte sich kaum jemand mit dem Thema. Bei den Demokraten kam der heftige Widerstand gegen höhere Umweltauflagen von Arbeitnehmern und Gewerkschaften aus den PKW und LKW produzierenden Bundesstaaten. Neue Umweltstandards lehnten auch die »Großen Drei« ab – Ford, General Motors und Chrysler. Nicht zuletzt waren auch viele Verbraucher dagegen. Vor allem in den ländlichen Regionen der USA, in denen Familien durchschnittlich größer sind, werden bis heute die größeren und schwereren Autos aus Detroit bevorzugt im Vergleich zu den kleineren PKW japanischer und deutscher Hersteller.
Mit dem Regierungswechsel im vergangenen Jahr, der Wirtschaftskrise und der schwindenden Kaufkraft der Detroit-treuen Kunden hat sich die Lage drastisch geändert. Vor diesem Hintergrund war eine Neuregelung der Benzinverbrauchstandards politisch durchsetzbar. Die wichtigste Rolle spielte dabei zwar der erklärtermaßen umweltbewusste Präsident selbst, dass er aber den Kongress und die Industrie auf seine Seite bringen konnte, hat nicht zuletzt mit der Schwäche seiner Gegner zu tun. Die Republikaner, die jahrelang die Garanten für die politische Blockade waren, sind derzeit politisch am Boden. Klimapolitische Fragen wurden von den Demokraten im Kongress in den vergangenen Jahren immer stärker thematisiert. So ließ sich der Umweltpolitiker Henry Waxman Anfang Januar zum Vorsitzenden des Energieausschusses im Repräsentantenhaus wählen. Sein Kontrahent, John Dingell, ist bekannt als Vertreter der Großen Drei im Kongress. Er war jahr­zehntelang das ranghöchste demokratische Mitglied im Ausschuss und blockierte über diese Zeit Dutzende neuer Umweltauflagen für die Industrie.
Wie Ezra Klein in der Washington Post zutreffend anmerkt, wurde der Widerstand von mindestens zwei der Großen Drei gegen die neuen Standards dadurch gebrochen, dass sie sich nun faktisch teilweise im Besitz der US-Regierung befinden. Der bereits jetzt insolvente Chrysler-Konzern ist schon mehrheitlich im Besitz der Regierung. Zwar werden erst in diesen Tagen die Pläne für ein schnelles Insolvenzverfahren für General Motors bekannt gegeben, doch mit der jüngsten Entscheidung der Obama-Administration, weitere Milliarden Dollar in die GM-Kassen zu pumpen, wird die Regierung voraussichtlich auch hier größter Anteilseigner sein.
Neben diesem Verschmelzen von Interessen spielt ein weiterer Aspekt eine Rolle. Seit der Tarifrunde 2006 kommt auch die US-Automobilgewerkschaft UAW – als Verwalterin der vormaligen Betriebskrankenkassen und -pensionsfonds der Autohersteller – selbst an Anteile von GM und Chrysler. Näher betrachtet agieren die neuen Besitzer von GM und Chrysler mit ihrer Entscheidung, neue Benzinverbrauchstandards anzunehmen, nicht ohne Eigennutz. Seit gut 50 Jahren bekämpfen die Konzerne aus Detroit kleinere Automarken ausländischer Hersteller dadurch, dass sie etwa alle zehn Jahre neue Kleinmodelle anbieten, um dadurch Prozente auf den überwiegend in den urbanen Regionen an den Küsten konzentrierten Absatzmärkten von Toyota, Honda und Volkswagen zurückzugewinnen. Wenn die Sollmarken erreicht sind, lässt man in Detroit häu­fig diese Modelle an Größe und Schwere »wachsen«, um den Interessen der Verbraucher in den ländlichen Regionen gerecht zu werden.

In diesem Sinn vertritt Obama mit den neuen Standards auch das Interesse der Konzerne, indem er die Verdrängung ausländischer Hersteller anordnet. Dass die UAW ein Interesse daran hat, die Automobilindustrie in Detroit zu stärken, liegt daran, dass die Krankenversicherungen und Pensionen von Hunderttausenden vor allem ehemaliger Beschäftigter am Wohl dieser Unternehmen hängen. Doch die Gewerkschaft hat auch ein politisches Interesse daran, erneut in Konkurrenz zu den ausländischen Herstellern zu treten: Toyota, Honda, BMW, Daimler und ab 2011 Volkswagen haben jegliche Gewerkschaftsvertretung in ihren US-Standorten bislang verhindern können.