Die Wahlen sind eine Farce

Das Märchen von den Wahlen

Die vier zur Wahl zugelassenen Präsi­dent­schaftskandidaten sind bewährte, loyale Islamisten. Die Wahlen sind eine Farce.

Im Iran wird fleißig gewählt. Alle acht Jahre wird der Expertenrat gewählt. Wer in den Rat gewählt werden darf, entscheidet der Wächterrat. Alle vier Jahre wird das »Parlament« gewählt, das seinen Namen nicht verdient, da die Bevölkerung keine eigenen Kandidaten aufstellen darf. Auch der Präsident wird alle vier Jahre direkt von der Bevölkerung gewählt, die aber nur zwischen Kandidaten wählen darf, die der Wächterrat schon vorher gewählt hat. 1999 wurden zum ersten Mal Kommunalwahlen durchgeführt, die seitdem ebenfalls alle vier Jahre stattfinden.
All diese Wahlen haben mit demokratischen Wah­­len nichts zu tun. Zum einen dürfen ohnehin nur loyale Islamisten bei den Wahlen kandidieren. Zum anderen werden die Wahlen vom Wäch­terrat und von Gesinnungspolizisten überwacht. Auch wenn am 12. Juni 46 Millionen wahl­be­rech­tigte Iraner einen Präsidenten wählen dür­fen und noch ungewiss ist, wieviele die Wahlen boykottieren, kann von freien Wahlen keine Re­de sein. Statt »frei« sind die Wahlen im Iran »rechtens«. Was »rechtens« ist, entscheidet das totalitäre Organ des Wächterrats.
Mohammad Maleki, der früher als Direktor der Teheraner Universität selbst eine der akademischen Säulen der Islamischen Republik war, aber später als Dissident mehrere Jahre im Gefängnis saß, bezeichnet das iranische Wahlsystem als »Marionettentheater«, in dem Kleriker Fatwas aussprechen, die die Iraner durch die »Erzeugung von Angst von der Notwendigkeit der Teilnahme an den Wahlen« überzeugen sollen.
Die anstehenden Präsidentschaftswahlen seien ein besonders »lächerliches Theater«, in dem es manchmal tatsächlich scheine, als seien neue Protagonisten am Werk, schreibt Maleki auf dem persischen Newsportal gooya. Wie die Puppen eines Marionettentheaters würden alle vier Kandidaten, Karrubi und Ahmadinejad, Rezai und Mousavi immer wieder ihre Rollen wech­seln, um die Zuschauer zu überlisten.
Denn in Wirklichkeit verfolgen alle Kandidaten nur ein Ziel: »die Wahrung der absoluten Herrschaft des Klerus«, wie Maleki schreibt. Der Kandidat Mousavi war immerhin nach der Revolution Mitglied des Zentralkomitees der Islamisch-Republikanischen Partei. In den achtziger Jahren war er Chefredakteur der Zeitung Islamische Republik. Maliki zufolge hat diese schon damals zu den Zeitungen gehört, die die iranische Hizbol­lah immer wieder ermunterte, Andersdenkende auch physisch anzugreifen. Maleki wirft Mousavi deshalb vor, für die Verbrechen der achtziger Jahre mitverantwortlich zu sein – für die Massen­exekutionen und den Tod Tausender Iraner, die im viel zu spät beendeten Krieg gegen den Irak starben. »Ich gebe meine Stimme dafür, dass alle vier Präsidentschaftskandidaten wegen Verbrechen gegen die Menschheit verurteilt werden«, schreibt Maleki.
Der ehemalige Universitätsdirektor hat wohl dieses Mal die richtige Wahl getroffen, denn Wah­len haben im Iran nur einen Zweck: Sie dienen der ideologischen Mobilisierung der Bevölkerung und damit der Unterstützung des Regimes. Die Präsidentschaftswahlen sind eine islamische Form der Akklamation für die Erhaltung der Diktatur. Sie bezwecken, dass einem vom Wächterrat ernannten Kandidaten applaudiert wird. Deshalb sind die Wahlen im Iran eine Fiktion.