Die Reaktionen auf den Anschlag im Holocaust-Museum in Washington

Fighter for a White Nation

Der Anschlag im Holocaust-Museum in Washington war kein Amoklauf. Die Rechts­extremen in den USA haben in Zeiten der Krise dank ihrer antisemitischen und rassistischen Propaganda seit längerer Zeit großen Zulauf.

Vermutlich wollte der 88jährige Altnazi James Wenneker von Brunn vergangene Woche so viele Juden töten wie möglich, als er mit seinem alten Kleinkalibergewehr in die Sicherheitsschleuse des Holocaust-Museums in Washington stürmte und zu schießen begann. Die schnelle Reaktion der Sicherheitsleute konnte vermutlich ein Massaker verhindern, allerdings nicht den Tod von Stephen Tyrone Johns, dem 39jährigen Wachmann, der in die Brust getroffen wurde und wenig später im Krankenhaus starb.
Dass das einzige Opfer seiner Attacke kein Jude, sondern ein Afroamerikaner war, dürfte den Antisemiten und Rassisten von Brunn – der inzwischen mit lebensgefährlichen Schussverletzungen im Krankenhaus liegt und des Mordes angeklagt wurde – nicht sonderlich gestört haben. In Büchern, Zeitungsartikeln sowie auf seiner Web­seite »Holy Western Empire« – die direkt nach der Tat aus dem Netz genommen wurde – bringt er seit Jahrzehnten seinen Hass auf Juden und alle, die nicht in sein Weltbild passen, zum Ausdruck. Dazu zählen Schwarze, Latinos, Katholiken, Freimaurer und die US-Regierung. Von Brunn gehört zu den rechtsextremen so genannten weißen Suprematisten (white supremacists), die die Überlegenheit der weißen »Herrenrasse« predigen und ihr antisemitisches und rassistisches Gedankengut mit den bekannten Verschwörungstheorien zu untermauern versuchen. Neben der Leugnung des Holocaust gehört dazu die Ansicht, dass die Attacken vom 11. September 2001 von der Bush-Regierung mit Unterstützung der »Weisen von Zion« verübt worden seien oder dass US-Präsident Barack Obama keine Geburtsurkunde besitze und folglich illegal im Amt sei. So hieß es zum Beispiel auf einem Zettel, der im Auto des Täters nach dem Anschlag in Washington gefunden wurde: »Der Holocaust ist eine Lüge. Obama wurde von den Juden geschaffen. Obama macht, was die Juden ihm sagen. Juden haben sich Amerikas Geld angeeignet. Juden kontrollieren die Massenmedien.« Bereits im Jahr 1995 konnte das FBI ein geplantes Bombenattentat auf das Holocaust-Museum in Washington vereiteln, als zwei white supremacists das Gebäude sprengen wollten.
Obwohl die Polizei vergangene Woche im Auto des Attentäters eine Liste mit weiteren möglichen Anschlagszielen in Washington wie die National Cathe­dral fand, war sofort klar, dass es sich um die Tat eines Einzelgängers handelte.

Von einem »Amoklauf« kann jedoch nicht die Rede sein. Denn von Brunn ist kein unbeschriebenes Blatt, wie das Southern Poverty Law Center und die jüdische Anti-Defamation League (ADL) – die wichtigsten Organisationen, welche die rechtsextreme Szene in den USA beobachten – betonen. 1981 stürmte er bewaffnet in die US-Notenbank, mit dem Ziel, Mitglieder des Vorstands als Geiseln zu nehmen. Er wurde von einem Sicherheitsbeamten überwältigt. Die Notenbank – wie das gesamte Finanzwesen der USA – sei »von Juden kontrolliert«, begründete von Brunn damals die versuchte Geiselnahme, für die er 1983 zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde.
Seit gut vier Jahrzehnten fühlte sich der Veteran des Zweiten Weltkriegs im Milieu der Holocaust-Leugner zuhause. In den vergangenen Jahren hatte er engere Kontakte zu bekannten Extremisten wie dem kanadischen Holocaustleugner Ernst Zündel und dem rassistischen und antisemitischen US-amerikanischen Publizisten Willis Carto. Auch zu deutschen Neonazis soll er Kontakte gehabt haben. Der Spiegel berichtete über einen E-Mail-Austausch zwischen von Brunn und Horst Mahler über eine rechte Mailing-List.

1999 veröffentlichte von Brunn ein judenfeindliches Buch, »Kill the Best Gentiles« (»Tötet die besten Nichtjuden«), in dem es um die »jüdische Weltverschwörung« ging, welche die »weiße Rasse« zu zerstören drohe. 2004 veröffentlichte er in der rechtsextremen Zeitung War einen Ar­tikel unter dem Titel »Kriegserklärung gegen das Judentum«. In all seinen Schriften und Internet-Postings betonte er, der Holocaust sei eine Erfindung der Juden gewesen und Hitlers »schlimmster Fehler« sei es gewesen, die Juden »nicht wirklich vergast« zu haben.
Insgesamt reagierte die US-amerikanische Öffentlichkeit bestürzt auf den antisemitischen Angriff, wahrscheinlich, weil dieser als Beweis für eine neue »Welle des Hasses« gilt, wie der Direktor der ADL, Abraham L. Foxman, konstatiert. Seit der Wahl Barack Obamas ins Präsidentenamt hat die ADL nicht weniger als fünf denkwürdige antisemitische oder rassistische Vorfälle dokumentiert, darunter einen von white supremacists verübten Mord an drei Polizisten in Pittsburgh, Pennsylvania, und ein von muslimischen Amerikanern versuchtes Bombenattentat auf zwei Synagogen im Stadtteil Brooklyn in New York City. »Der einheimische Terrorismus scheint zuzunehmen«, so Foxman in einer Presseerklärung weiter. »Die Gefahr ist stets präsent, und wir müssen wachsam bleiben.«
Doch viele Konservativen in den USA wollen nach wie vor nicht wahrhaben, dass die Gefahr, die von rechtsextremistischen so genannten Lone Wolves (einsame Wölfe) ausgeht, ein wirk­liches Problem darstellt, vor dem auch in einem Bericht des Department of Homeland Security gewarnt wird. So wird in einigen konservativen Medien die politische Brisanz des Falls von Brunn heruntergespielt, indem er als »Amoklauf« eines verrückten alten Mannes beschrieben wird. Gleichzeitig versuchten führende republikanische opinion makers wie Rush Limbaugh und Glenn Beck, den Altnazi zu einem »Linksextremisten« zu machen. Dabei beziehen sie sich auf das Werk von Jonah Goldberg, Redakteur der »Na­tional Review Online«, der in seinem 2008 erschienenen Buch »Liberal Fascism« (Jungle World 17/2008) zu beweisen versucht, dass der Faschismus historisch ein Produkt der Linken sei. Die rechtsextreme Szene in den USA jubelte von Brunns Attentat zu.
Verständnis für den Altnazi kam auch von seinen Gleichgesinnten in der Bundesrepublik. In ­einem Beitrag im Nazi-Internetformum »Altermedia« wird über von Brunns Motive phantasiert. Grund für den Anschlag soll die Anfang Juni erfolgte Veröffentlichung des ersten Bandes eines insgesamt siebenbändigen Kompendiums zum Holocaust im Auftrag des Holocaust-Museums in Washington gewesen sein, ist dort zu lesen. »Es würde uns nicht erstaunen, wenn es sich bei von Brunn um einen zwar rauhbeinigen, aber im Grunde ehrlichen Menschen gehandelt hat, dem angesichts solchen Schwindels einfach nur der Kragen geplatzt ist«, schreibt der anonyme Autor.