Steinmeier und der Wahlkampf der SPD

Sie schrödern wieder

Der Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier und der Parteivorsitzende Franz Müntefering haben sich auf dem Bundesparteitag der SPD als starke Männer in­szeniert. Solche Posen kennt man aus der Amtszeit Gerhard Schröders. Doch derzeit braucht sie niemand.

Frank-Walter Steinmeier hat die Europa-Wahl ver­loren und auch sonst keinen Grund zur Freude. Und alle erwarten von ihm, dass er sich benimmt wie Gerhard Schröder, der Kanzler und Parteivorsitzende, der die SPD in den Ruin führte, doch für alle, die Machos und Maulhelden lieben – also eine Mehrheit der Deutschen –, ganz gut aus­sah. Was tat der Kanzlerkandidat Steinmeier daher auf dem Parteitag der SPD am vergangenen Wochenende? Er machte, was man von ihm verlangt: Er schröderte. Die Rheinische Post hat es so erlebt: »Der gelegentlich als dröge beschriebene Vizekanzler gestikulierte, schrie und schwitzte. Die Delegierten dankten es ihm mit langem Applaus.« Damit nicht einer allein gestikulierte, schwitzte und schrie, sprang ihm der Parteivorsitzende Franz Müntefering zur Seite, indem er ebenfalls schröderte und zudem seine neue 29jährige Freundin auf dem Parteitag vorführte. Schröder hat vier Mal geheiratet, doch im fortgeschrittenen Alter noch eine schöne, sehr junge Frau zu freien, war nicht einmal ihm gelungen. Kurz: Die SPD hat Männer an der Spitze, richtige Männer.
Dumm nur, dass die keiner braucht. Gerhard Schröder stand in vielerlei Hinsicht für den letzten Abwehrkampf der richtigen Männer, das machte ihn beliebt beim deutschen Volk. Frauen, Schnitzel, Bier – und die Kultur, die kann mich mal! Männern mit solchen Prämissen gestand man Führungsqualitäten zu. Denn so sah ja auch der Chef im Betrieb aus, und tat der nicht auch alles, um den Laden zusammenzuhalten? Doch Schröder und sein ihm in Sachen Männlichkeitswahn ebenbürtiger Stichwortgeber Joschka Fischer entlarvten sich am Ende selbst – ihre Gesten waren überdreht, ihre Ausfälle waren peinlich, ihre Eitelkeit war selbst dem größten Freund des Machismo unerträglich.
Wenn Steinmeier und Müntefering nun dieses Kon­zept von männlicher Authentizität reaktivieren, machen sie alles falsch. Erstens hat Angela Merkel als Bundeskanzlerin demonstriert, dass die fleißige, eher bescheiden wirkende Biederfrau alle Probleme genauso, also recht schlecht managen kann, zweitens ist das Vertrauen in hemdsärmelige Chefs während der Wirtschaftskrise grundsätzlich demoliert, und drittens kann Steinmeier kein klares Feindbild benennen – außer jenes, das er gerade zu imitieren versucht. Steinmeier gibt nämlich das Bild des hemdsärmeligen Wirtschaftsführers ab, der mit aller Kraft die Geschäf­te vor die Wand gefahren hat und gerade nichts anderes mehr darf, als den Vorschlägen der Wirtschaftsprüfer zu folgen.
Vor allem aber glaubt dieser Partei, die eine Volks­partei sein will, allerdings die Hartz-IV-Beschlüsse durchgesetzt und zugleich den Spitzensteuersatz gesenkt hat, niemand mehr, dass sie nun etwas schaffen will, was man ernsthaft soziale Gerechtigkeit nennen könnte. Schröder, der als der »Genosse der Bosse« galt, hat der SPD einen Großteil ihrer alten Klientel geraubt, für Wählerinnen und Wähler aber, die eine Begünstigung der Oberschicht suchen, gibt es bereits die FDP und die Grünen. Dass Steinmeier nun drauflos schrödert, zeigt, dass die SPD einfach keine Idee mehr von sich selbst hat.