Mond und Esoterik

Leben nach dem Mond II

Außer den Gezeiten soll der Mond auch das Wachstum von Obst und Gemüse, Fingernägeln und Haaren beeinflussen. Aber nur eines ist sicher: Der Mond verursacht Streit. Was tun, wenn Ihre Liebsten den Mond anbeten?

Stellen Sie sich vor, Sie übernachten bei Ihrem neuen Liebhaber, einem durchaus intelligenten Mann, und entdecken morgens in seinem Badezimmer einen Mondkalender. Am ersten Morgen lässt sich dies noch ignorieren, doch irgendwann stellen Sie die fatale Frage: »Sag mal, glaubst du an den Einfluss des Mondes?« »Der ruft Ebbe und Flut hervor«, wird er sagen, »warum sollte er nicht auch das Wachstum von Karotten und Haaren, den Zyklus der Menstruation, ja vielleicht auch Geldströme beeinflussen?«
Wäre die Frage nach dem Wirken des Mondes nur eine des Glaubens! Doch anders als Ihr Glaube an Gott hat sein Glaube an den Mond praktische Konsequenzen. Dass Ihr Partner nur teures Gemüse kauft, bei dessen Aufzucht stinkende Zaubertränke bei Vollmond in den Boden eingelassen werden, zehrt bald Ihr Konto auf. Die Fenster putzt er nur an bestimmten Tagen, über die ihn das Internet informiert: »Bei günstigem Mond­einfluss gibt es weniger Streifen.« Ihre Launen wird er mit dem sich nähernden Neumond erklären. Weil Ihre Haare ergrauen, schickt er Sie zum Mondfriseur. Der wird sagen: »Das ist eine Frage des Biorhythmus, das hat mit Esoterik nichts zu tun.« Bei »Problemkunden« wie Ihnen nehme »das Haar die Chemie bei zunehmendem Mond einfach besser an«.
Wenn Ihr Schatz Ihnen seinen Kinderwunsch mit dem Hinweis artikuliert, »am wirksamsten zur Empfängnis zu nutzen« sei »der Tag, der dem Mondwinkel bei der Geburt vorausgeht«, und sich dabei auf wissenschaftliche Studien bezieht, wird es ernst. Kommen Sie nie auf die Idee, darauf hinzuweisen, dass zwar Licht einen Einfluss auf Ihren Hormonhaushalt hat, aber die Straßenlaterne vor dem Fenster weit heller ist als der Mond über der Smogglocke Ihrer Stadt, dass zwar die Gravitation des Mondes ein physikalischer Fakt ist, aber unabhängig von dessen Stand die Erdanziehung doch wesentlich stärker ist. Vergessen Sie Ihre pseudowissenschaftlichen Argumente. Denn in Wahrheit hängt alles vom Einfluss der Sonnenwinde ab. Die bestimmen, wer an den Mond glaubt und wer nicht. Und Studien zeigen: »Nur starke Sonnenstürme in der dritten Woche an der Mutterbrust erklären die Vorliebe für das kalte Licht und die öde ewige Wiederkehr dieses kleinen Erdtrabanten.«